Review

Good Sister: "Dude, you were fucking dead."
Bad Sister: "Like dying could kill me."

Sie haben sich heimlich, still und leise zu einem eigenen kleinen Subgenre gemausert... die Grindhouse-Hommagen. Im Windschatten von Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez' ambitionierten Projekt Grindhouse (2007) pirschten sie sich so mutig wie zielstrebig heran, die Guten (Run! Bitch Run!), die Schlechten (Bitch Slap), und die Schrägen (El monstro del mar!). An vorderer Front auch mit dabei: Dead Hooker in a Trunk, von und mit Jen Soska und Sylvia Soska, den "Twisted Twins" (Eigenbezeichnung). Ich kann mir nicht helfen, aber ich liebe die beiden. Wenn man sie so reden hört, mit welcher Begeisterung, welcher Leidenschaft, welchem Engagement sie bei der Sache sind, dann wirkt ihr grenzenloser Enthusiasmus einfach ansteckend. Daß die identischen Zwillinge auch optisch eine Wucht sind, einen ganz schrägen Sinn für Humor haben, ungeheuer talentiert sind und ungemein sympathisch rüberkommen, macht das alles fast schon zu perfekt. Ja, die Soskas sind definitiv zwei von den Guten (*), das ist spätestens seit American Mary klar. Ihr Debütfilm macht es einem jedoch nicht wirklich leicht, ist Dead Hooker in a Trunk doch ein etwas unausgegorener, geschmacksunsicherer und verdammt gewalttätiger Exploitation-Kracher.

Die Story ist schnell umrissen. Da Junkie (Rikki Gagne) dringend etwas Stoff benötigt, bittet sie ihre Freundin Badass (Sylvia Soska), sie zum Drogendealer ihres Vertrauens (= ihr Ex-Freund) zu chauffieren. Vorher ist allerdings noch ein kleiner Umweg angesagt, hat Badass ihrer Schwester Geek (Jen Soska) doch versprochen, deren Sozialdienst leistenden Freund Goody Two Shoes (C.J. Wallis) von seiner kirchlichen Wirkungsstätte abzuholen. Als die Vier dann etwas später einen Blick in den Kofferraum des Pontiac Thunderbirds werfen, ist die Überraschung groß. Darin liegt nämlich eine tote Nutte (Tasha Moth), umgeben von einigen Päckchen Drogen. Da niemand weiß, wie die Frau in den Kofferraum gekommen ist und sich in Badass' und Junkies Erinnerung an die letzte Nacht gewaltige Lücken auftun, entscheidet man sich dafür, die Tote möglichst rasch wieder loszuwerden. Anstatt die Verblichene irgendwo im Wald abzuladen, einigt man sich zudem darauf, für ein "ordentliches" Begräbnis zu sorgen. Aus dieser kuriosen Ausgangssituation entwickelt sich ein abgefahrener Road-Trip, in dessen Verlauf sich die vier Protagonisten stark verändern werden.

Man kann Dead Hooker in a Trunk von zwei Seiten aus betrachten. Arrogant von oben herab, sich über die holprige Dramaturgie mokieren, die schauspielerischen Leistungen gering schätzen, die unnötigen Gewaltexzesse anprangern, sich am uneinheitlichen Ton stören, und über das Nichtvorhandenseins eines Spannungsbogens schimpfen. Oder man bewundert ganz einfach, was Jen und Sylvia Soska da in und um Vancouver auf die Beine gestellt haben, und erfreut sich an dem, was der Film kann (und er kann verdammt viel). Denn es ist ein kleines Wunder, für etwa $ 2.500 (in Worten: zweitausendfünfhundert Dollar) einen derartigen Film zu drehen. Das muß man sich mal vorstellen! $ 2.500! Robert Rodriguez hat in seinen El Mariachi (1992) ungefähr $ 7.000 hineingesteckt. Manch Fernseher, auf dem man sich den Streifen zu Gemüte führt, kostet mehr als die Produktion des ganzen Filmes. Für viele Menschen entspricht diese Summe dem Bruttomonatsgehalt. Das Budget eines "billigeren" Hollywood-Films à la Dredd (ca. fünfzig Millionen Dollar) ist zwanzigtausend Mal so hoch als das von Dead Hooker in a Trunk. Der Wahnsinn auf Stelzen, oder? Klar, man muß diesen Film deswegen nicht mögen oder gut finden. Aber man sollte den Machern für das, was sie da mit viel Fleiß, Kreativität, Durchhaltevermögen und Spaß an der Sache geschaffen haben, zumindest Respekt zollen.

Trotz aller Defizite ist Dead Hooker in a Trunk ein gelungener, mörderisch unterhaltsamer Film und eine knallbunte Visitenkarte, die sich sehen lassen kann, wobei der kultige Film locker hält, was der einprägsame Titel verspricht. Tatsächlich finde ich dieses Ultra-Low-Budget-Movie sogar gelungener als El Mariachi, mit dem ihn produktionstechnisch einiges verbindet (Carlos "El Mariachi" Gallardo hat übrigens einen Cameo-Auftritt als Gott!). Und ich denke, daß jeder, dem all diese Huldigungen an das Bahnhofskino längst vergangener Tage generell zusagen, an diesem Streifen sehr viel Freude haben wird. Im Gegensatz zum Gros seiner Konkurrenten überzeugt Dead Hooker in a Trunk auch mit seinen Figuren. Zwar werden diese als altbekannte, unoriginelle Stereotypen eingeführt, die nicht mal einen Namen spendiert bekommen, aber mit der Zeit wachsen einem die vier höchst unterschiedlichen Charaktere ans Herz, man beginnt sich für sie zu interessieren, will wissen, wie es mit ihnen weiter geht, und hofft, daß sie halbwegs heil aus der Sache herauskommen. Ja, unsere Helden machen eine Entwicklung durch. Das, was sie erleben, prägt sie nachhaltig. Wahrscheinlich ist diese Sympathie für die Figuren mit ein Grund dafür, daß man nach knapp neunzig Minuten - und nach der starken Schlußszene mit dem genialen Schlußbild - glücklich und zufrieden, wenn auch etwas geschlaucht, den Abspann verfolgt.

Die Grundgeschichte ist gespickt mit vielen makabren Einfällen, launigen, das F-Wort etwas überstrapazierende Dialogen ("You're fine right?" - "Actually, I'm quite fucking far from being fine. Why do people always ask if someone's okay when something bad happens? I'm fucked up! I'm fucking fucked right the fuck up!"), einem phasenweise dröhnenden Punk/Rock-Soundtrack, schrägen aber liebenswerten Figuren, einem bitterbösen Humor, und einigen heftigen Gewalt- & Gore-Szenen, die hin und wieder fröhlich übers Ziel hinausschießen. Einige wenige Sequenzen haben mit Realität kaum mehr etwas am Hut, haben fast schon Cartoon-Charakter. So wird ein aufgrund eines kräftigen Schlages aus der Höhle purzelndes Auge von der Betroffenen eben mal locker weggesteckt; zwei Pflaster über die leere Augenhöhle und gut is. Der rohe, dreckige Look des Streifens gefällt ebenso wie die tollen Action-Szenen der Martial Arts gestählten Darsteller, die teils sogar eine Stunt(wo)man-Ausbildung absolviert haben. Am meisten hat mich jedoch überrascht, daß der Film hin und wieder auch die leisen Töne beherrscht. Die Momente am Lagerfeuer und die elektrisierende Schlußszene versprühen z. B. einen wunderbaren Hauch von Poesie. Daß Dead Hooker in a Trunk insgesamt vielleicht zuviel auf einmal sein will und unter exzessiven Stimmungsschwankungen leidet, verzeiht man ihm angesichts seiner zahlreichen großartigen, coolen, absurden, makabren, energiegeladenen und schrägen Momente gerne.

(*) Man führe sich nur mal das Interview, das Mike Haberfelner mit den liebreizenden "Twisted Twins" im Juli 2010 geführt hat, zu Gemüte (zu finden auf der Website "(re)Search my Trash"). Dort erfährt man unter anderem, daß die Zwillinge seit früher Kindheit Horrorfans sind, daß Dead Hooker in a Trunk aus einem Fake-Trailer entstanden ist, daß sie Filme wie American Psycho, Suicide Club, Batman Returns, Edward Scissorhands, Martyrs und The Good, the Bad, and the Ugly lieben und Machwerke wie Sex and the City, Bitch Slap und Catwoman verabscheuen. Definitiv my kind of gals.

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