Geisterfilme haben momentan vorallem im Found Footage-Genre Hochkonjunktur. Zur Abwechslung bekommen wir mit "The Awakening" mal wieder einen "echten" Spielfilm, der eine schaurig-schöne Location in den 20er Jahren vorzuweisen hat.
Durch den Ersten Weltkrieg und die spanische Grippe haben allein in England über eine Million Menschen ihr Leben verloren. Dadurch haben Scharlatane in Sachen Geisterbeschwörung eine Blütezeit. Die überdurchschnittlich intelligente Florence Cathcart (Rebecca Hall) hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Betrüger zu entlarven. Durch ihr Buch ist sie so populär geworden, dass sie von Robert Mallory (Dominic West) nach Nordengland eingeladen wird, einem Spuk mit Todesfolge auf den Grund zu gehen: In einem Eliteinternat starb ein Junge, der zuvor einen Geist gesehen hat. Scheinbar haben auch andere Schüler diesen Geist gesehen. Da ihr Terminplan voll ist, sagt sie nur widerwillig zu. Mit ihrem ganzen Equipment reist sie zum Internat und will beweisen, dass dahinter nur ein Lausbubenstreich steckt. Doch nach den ersten Tests bemerkt sie, dass in dieser Geistergeschichte mehr Wahrheit drinstecken könnte, als sie es vermutet hat.
Warum viele Menschen nach dem Ersten Weltkrieg unbedingt das Verlangen haben, mit ihren verstorbenen Verwandten zu kommunizieren, muss ich jetzt nicht unbedingt verstehen, aber im Prolog wird eindrucksvoll bewiesen, wie tough Florence darin ist, jeden "billigen" Trick der Betrüger aufdecken kann.
Man merkt ab einer gewissen Laufzeit, dass hier kein Säbelrasseln angesagt ist und der Film eher in die Gruselecke mit Elementen eines Dramas gesteckt werden kann. Hier und da zieht sich der Film ein wenig, dies tut der guten Grundstimmung jedoch keinen Abbruch, da die Darsteller ihren Job sehr gut erledigen, die Schockmomente sitzen und die Geschichte sich leidlich interessant mit mehreren Wendungen entwickelt. Das große Problem, das ich jetzt hatte, war, dass die erste Wendung vorhersehbar ist, wenn man dem Geschehen aufmerksam folgt, bzw. einen bestimmten Film (ein ganz bekannter den ich an dieser Stelle nicht nennen kann) schon mal gesehen hat. Denn in diesem Film war die Konstellation so ziemlich dieselbe. Aber da ich kein Hellseher bin, konnte ich den Braten ja auch nur riechen und kann jetzt in den Keller zum Jubeln gehen, dass ich Recht hatte (um diese These etwas abzuschwächen). Naja, was ich damit sagen will, dass von euch vielleicht auch viele diesen Punkt als Verdacht haben, so dass dieser erste Twist nicht so richtig einschlägt.
Dennoch: Auch wenn man sich danach auf der sicheren Seite fühlt, kommen noch ein, zwei Schlenker, die dem Film den richtigen Feinschliff geben und ihn auf jeden Fall sehenswert machen. Nur muss man dafür in Sachen Logik kleine Schwächen hinnehmen.
Ein wichtiges Stilmittel von Regisseur Nick Murphy ist eine gewisse Farbblässe, die mit der Musikuntermalung für eine gruselige Grundstimmung beim Publikum sorgen wird.
Für Freunde des stillen Grusel-/Geisterkinos mit Sicherheit eine Bereicherung. Mitbürger, die es lieber krachen sehen, könnten enttäuscht sein.
7/10