Der dramatische Mystery-Crime-Thriller „Faces in the Crowd“, mit welchem der französische Regisseur und Drehbuchautor Julien Magnat („Bloody Mallory“) im Jahre 2011 sein US-Debüt feierte, verfügt über einen ungemein reizvollen, auf Anhieb Interesse erweckenden „Hook“, der dem Film im Vorfeld seiner Realisierung gewiss ein dienliches Maß an Aufmerksamkeit bescherte – und zwar seine „inhaltliche wie stilistische Einbindung“ der (tatsächlich existierenden) Unfähigkeit, eine Person anhand ihres Antlitzes erkennen zu können, genannt Prosopagnosie oder Gesichtsblindheit. Häufig ist diese Störung bzw. Teilleistungsschwäche des Gehirns angeboren, kann aber auch „erst später“ durch bestimmte Einwirkungen (wie z.B. eine Schädelverletzung, ein Schlaganfall, Hirntumor oder Kreislaufstillstand) hervorgerufen werden. Obgleich es für diese Erkrankung bislang noch keine Heilung gibt, können die Betroffenen (dank zielgerichteter Therapieformen) nichtsdestotrotz erlernen, mit den entsprechenden (körperlichen wie sozialen) Einschränkungen „einigermaßen anständig“ umzugehen bzw. zurechtzufinden. Es ist übrigens so, dass rund 2,5% aller Menschen darunter leiden…
Als sich die Grundschullehrerin Anna Marchant (Milla Jovovich) nach einem ausgelassenen Cocktail-Abend mit ihren beiden besten Freundinnen Nina (Valentina Vargas) und Francine (Sarah Wayne Callies) allein zu Fuß auf den nächtlichen Heimweg begibt, wird sie auf einer Brücke unverhofft Zeuge der Ermordung einer jungen Frau, welche von dem seit einiger Zeit in der Stadt sein Unwesen treibenden Serienkiller mit dem Spitznamen „Tearjerk Jack“ ihre Kehle durchgeschnitten erhält. Umgehend kommt es zwischen ihnen zu einer Konfrontation, in deren Rahmen Anna übers Geländer hinunter in den Fluss stürzt – im Fallen aber auch noch hart mit dem Kopf gegen ein metallisches Element der Konstruktion schlägt, bevor sie ins eisige Wasser eintaucht. Gerettet seitens eines Obdachlosen, erwacht sie einige Zeit später im Krankenhaus – muss sogleich allerdings (zu ihrem Entsetzen) feststellen, dass die Verletzung bei ihr die betreffende neurologische Störung hervorgerufen hat, durch welche die Gesichter ihrer Mitmenschen für sie fortan (auf Dauer) nicht mehr identifizierbar sind, da sich jene nun stets „verändern“, sobald der Blickkontakt für länger als ein paar Sekunden unterbrochen wird. Diese Sachlage belastet nicht nur sie schwer, sondern wirkt sich ebenfalls negativ auf die Beziehung zu ihrem Freund Bryce (Michael Shanks) aus und frustriert zugleich auch den für die Jagd auf den Mörder zuständigen Detective (Julian McMahon), dessen einzige Augenzeugin somit ja nicht die „erhoffte Unterstützung“ liefern kann. Während sich Anna nun vorrangig um ein Meistern ihres Alltags (unter diesen neuen Umständen) bemüht, beginnt Jack mit ihr indes ein „perfides Spielchen“ zu treiben – u.a. da für ihn im Grunde kaum eine Gefahr besteht, erkannt zu werden, selbst wenn er sich unmittelbar an ihre Seite stellen würde…
„Faces in the Crowd“ erzählt eine klassische Thriller-Genre-Geschichte – und das in Gestalt einer Variation spezieller Inhalte und Motive, die einem in ähnlicher Form bereits aus Werken wie „Jennifer 8“ oder „Blink“ geläufig sind. Schon allein die Tatsache, dass sich der Killer ganz offen (und dennoch unerkannt) in Anna´s persönlichem Umfeld aufhalten und bewegen kann, bietet genügend „Nährboden“ für eine potentiell effektive Suspense-Erzeugung – allerdings ist nicht allein nur diese Plot-Komponente in jener Hinsicht interessant und zweckdienlich, sondern auch die Prosopagnosie an sich, einschließlich all der zugehörigen Merkmale und Auswirkungen. Bis auf rare Ausnahmen, in denen das Gehirn weiterhin einzelne Zuordnungen vorzunehmen vermag, sind weder Nahestehende, Familienangehörige noch die Leidtragenden selbst von diesem Zustand ausgenommen – und so ist quasi jeder „auf den ersten Blick“ ein vollkommen Fremder: Eine schaurige Vorstellung bzw. (gerade am Anfang) arg beängstigende Erfahrung für die betroffene Person. Um das zu veranschaulichen, haben die Verantwortlichen die Parts der Leute um Anna herum (in den meisten Szenen Millas) mit jeweils regelmäßig wechselnden, vom Aussehen her allesamt relativ ähnlichen Akteuren besetzt: Ein cleveres, prima funktionierendes Stilmittel, welches den Zuschauer ergiebig in Anna´s (isolierte, verunsicherte, verwirrte) Lage hinein versetzt. Selbst ihr Spiegelbild wird von verschiedenen Schauspielerinnen „dargeboten“, deren Antlitze man teilweise gar mit digitaler Hilfe subtil verändert hat, um ihnen gewisse charakteristische Gesichtsmerkmale Frau Jovovichs zu verleihen. Auf dieser Ebene ist dem Film so gut wie nichts vorzuwerfen – leider aber sind die „verbliebenen Eigenschaften“ der Produktion von keiner vergleichbaren Qualität…
Statt aus dieser anregend-verheißungsvollen Ausgangssituation einen möglichst fokussiert-straffen Thriller zu „stricken“, reicherte Magnat die Story unglücklicherweise jedoch mit zusätzlichen Handlungs-Schwerpunkten an, welche dem Gesamteindruck letztlich (nicht bloß aufgrund ihrer Klischee-behafteten Natur) wesentlich mehr schaden als nutzen. Eine Menge Zeit wird etwa damit verbracht, Anna beim Bewältigen ihrer neuen (alltäglichen) Probleme und Herausforderungen zu begleiten – u.a. muss sie ihren bisherigen Beruf aufgeben, beginnt eine Therapie und bemüht sich redlich, ihre Partnerschaft mit Bryce zu bewahren, da jener nicht sonderlich viel Verständnis für die „neuen Umstände“ ihrer Beziehung aufzuweisen scheint. Etliche Verlaufspassagen muten eher wie direkt aus einem „traditionellen 08/15-Drama“ entnommen an – einschließlich der damit (wie so oft) verbundenen Negativfolgen fürs Tempo sowie das eingangs aufgebaute Spannungs-Level. In Addition dazu beschreitet das Werk auch noch den ebenso vorhersehbaren wie „ausgelatschten“ Pfad, dass sich Anna und ihr neuer Beschützer (der akkurate Cop) kontinuierlich näher kommen – eine weitere, sich nach ihrer Trennung vom einfühlungslosen Bryce (u.a. recht kitschig in einem Häuschen am See) entfaltende Parallele zu den zwei zuvor genannten Streifen aus den '90ern. Die Beschaffenheit dieser Romanze wirkt überhastet und umfassend konstruiert – darüber hinaus ist zwischen den Beteiligten keinerlei „echte Chemie“ zu verzeichnen. In Anbetracht dieser Eigenarten nimmt der sich um die Jagd auf den Serienkiller rankende Plot-Teil zeitweise gar fast nur eine Art Randposition innerhalb der Geschehnisse ein – und so „versandet“ die unergiebig zwischen beiden Genres pendelnde Angelegenheit zunehmend, je weiter sie voranschreitet…
Die von Magnat und seinem „Script Consultant“ Kelly Smith kreierten Figuren leiden durchweg an mangelnder Charaktertiefe sowie an den ihnen „in die Münder gelegten“ (belanglos-faden) Dialogzeilen – weshalb einen das Nichtvorhandensein wahrhaft überzeugender Leistungen im Vorliegenden auch nicht unbedingt stark verwundert. Zumindest ist Hauptdarstellerin und Co-Produzentin Milla Jovovich („the Fourth Kind“) mit merklichem Engagement bei der Sache: Obgleich bisweilen ein wenig melodramatisch, sehe ich ihre Performance im Ganzen jedoch noch immer als eine „einigermaßen solide“ an – allerdings wäre eine kompetentere Führung seitens des Regisseurs hier gewiss nicht von Nachteil gewesen. Lässt man die Prosopagnosie und Anna´s Faible für Horoskope einfach mal außen vor, bleibt eigentlich nichts Interessantes an der Rolle mehr bestehen. Weitaus schlimmer verhält es sich da mit ihrem Lebensgefährten Bryce, der in den Anfangsminuten von Michael Shanks („Red Riding Hood“) verkörpert wird: In diesen ist es schlichtweg unmöglich, eine vernünftige Verbindung zu ihm aufzubauen – entsprechend „egal“ ist er einem im Zuge der weiteren Ereignisse. Als komplett stereotyp gestalteter Detective (ehrlich, nett, entschlossen etc.) tritt der unerfreulich schwach agierende Julian McMahon (TV´s „Nip/Tuck“) in Erscheinung: Er ist übrigens der einzige, den Anna nach ihrem Erwachen aus der Bewusstlosigkeit „länger“ zu erkennen vermag – bis er sich eines Morgens seinen (bis dato eh arg peinlich ausschauenden) Bart abrasiert. In Nebenparts sind außerdem u.a. noch Sarah Wayne Callies (TV´s „Prison Break”), Valentina Vargas („the Big Blue“), Sandrine Holt („Rapa Nui“) sowie die britische Sängerin Marianne Faithful („Irina Palm“) als Therapeutin zu erspähen…
Seinen Spitznamen hat sich „Tearjerk Jack“ aufgrund der Gegebenheit „erworben“, dass er jedes Mal einige Tränen über die Leichen der zuvor vergewaltigten und getöteten Frauen vergießt: Unabhängig spezieller Fragezeichen im Hinblick auf nutzbare DNA-Spuren (bzw. passende Datenbank-Einträge) sollte es jedem halbwegs aufmerksamen Betrachter eigentlich binnen 30 Minuten gelingen, seine Identität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bestimmen – was sich natürlich „ungut“ auf den generellen Suspense-Grad auswirkt. Einzelne achtbare Momente sind in diesem Kontext zwar trotzdem zu verzeichnen, wie etwa zwei passable Katz&Maus-Sequenzen (in einer U-Bahn und einem Club) – nur genügen diese nicht, um letztlich über diverse ungenutzte Chancen und inhaltliche Verfehlungen „hinwegzutrösten“. Ein zur falschen Zeit klingelndes Handy, Stolpern dank hoher Absätze, Telefonterror, Verwechslungen, Paranoia-Anflüge und Albträume – dazu dann noch Unglaubwürdigkeiten, Logiklöcher, ein lahmer Showdown (in dessen Rahmen die verunsicherte Anna sowohl dem Polizisten als auch Mörder gegenüber steht, welche beide nahezu identische Kleidung tragen) sowie ein kitschig-mauer „Ausklang“ direkt vorm Einsetzen des Abspanns: Zutaten für ein großes Sehvergnügen sind das nun beileibe nicht. Und dabei habe ich noch nicht einmal die unfreiwillig komische Sex-Szene (inklusive „wechselnder Partner“) erwähnt – ebenso wenig wie meine Verwunderung darüber, warum sich Anna (gerade zum Schluss hin) nicht einfach intensiver auf die Stimmen der Leute konzentriert. Egal. Mit seinem gemächlichen Tempo, den nicht sehr ausgeprägten Härten sowie der bestenfalls „routiniert“ anmutenden Regie- und Kameraarbeit hat mich der Streifen im Prinzip anhaltend an ein durchschnittlich-typisches Made-for-TV-Movie erinnert – was überaus schade ist und vor allem angesichts der echt verheißungsvollen Ausgangslage (unterm Strich) definitiv nicht für eine Empfehlung ausreicht…
Fazit: „Faces in the Crowd“ ist einer dieser Filme, deren vorzügliche Prämisse seitens einer unoriginellen Storyentwicklung sowie uninspirierten Umsetzung (rasch) weitestgehend zunichte gemacht wird. Mehr konventionelles Drama als aufregender Thriller, vorhersehbar sowie frei von Nachhaltigkeit, handelt es sich hierbei zwar keineswegs um etwas in der Art einer „cineastischen Katastrophe“ (oder so) – wohl aber um ein Werk, das völlig zu Recht nie „das Licht der großen Leinwand“ erblickt hat sowie die meisten Zuschauer am Ende relativ enttäuscht und unbefriedigt zurücklassen dürfte...
„3 von 10“