Es gibt immer noch seltene Krankheitsbilder, von denen man trotz brauchbarer medizinischer Grundkenntnisse noch nie gehört hat. Prosopagnosie etwa, auch übersetzbar mit Gesichtsblindheit, kann beispielsweise durch einen Schlaganfall oder einen üblen Sturz entstehen, wodurch Teile des Gehirns beschädigt werden, welche für das Erkennen und Einordnen von Gesichtern zuständig sind. Dadurch würde man entsprechend weder Vater, Kinder, Lebenspartner erkennen und dieses durch bestimmte Merkmale wie der Stimme oder einer bestimmten Körpersprache neu erlernen müssen.
Also eine recht viel versprechende Prämisse für einen spannenden Krimi.
Grundschullehrerin Anna (Milla Jovovich) beobachtet eines Abends einen Serienkiller bei einem Mord und wird daraufhin selbst angegriffen. Sie stürzt über ein Brückengeländer, stößt mit dem Kopf an einen Metallbalken und leidet seitdem an der oben beschriebenen Krankheit.
Anna kann selbst ihrem Freund nicht mehr trauen, denn auch ihn kann sie nie einwandsfrei identifizieren, was das Katz - und Maus Spiel für den Killer ungemein erleichtert…
Was Autor und Regisseur Julien Magnat bei seiner Erzählung gut hinbekommen hat, ist die Egosichtweise der Hauptfigur zu visualisieren, indem ihre Wahrnehmung mit veränderten Gesichtern einhergeht, was durchaus innerhalb eines kurzen Augenblicks geschehen kann.
So kann sich Anna noch nicht einmal sicher sein, ob sie wirklich mit dem Mann im Bett liegt, den sie einst liebte und auch ihr eigenes Spiegelbild entspricht meistens dem einer anderen Frau.
Das Ratespiel um den Killer ist deshalb jedoch nicht unbedingt anspruchsvoll ausgefallen, eher im Gegenteil, da man diesen aufgrund zu deutlicher Hinweise spätestens im letzten Drittel ausgemacht haben dürfte. Hinzu gesellen sich eklatante Logiklöcher, denn auch wenn man Gesichter nicht mehr eindeutig zuordnen kann, so sollte es demgegenüber doch zumindest funktionieren, zwei Stimmen voneinander zu unterscheiden.
So ergeben sich viel zu selten Spannungsmomente, etwa in einer U-Bahn, als Anna meint unmittelbar vom Killer umgeben zu sein oder in der Schule, als sie vor einem Pulk von Kindern auch noch von einer gestressten Mutter unter Druck gesetzt wird. Ansonsten wird das Potential der Grundidee zu wenig ausgeschöpft, die Polizeiarbeit ist ebenfalls von einigen logischen Mankos umgeben und zudem tritt der Täter zu selten in Erscheinung, bzw. sucht den Kontakt zu Anna. Zwar gestaltet sich der Showdown erwartungsgemäß ein wenig temporeicher, doch bei dem mit Kitsch überladenen Ausgang hätte man mindestens einen Gang runterschalten können.
So wie sich der Streifen als eher unterdurchschnittliche Massenware herauskristallisiert, so performen auch sämtliche Darsteller maximal auf passablem TV-Niveau und auch Jovovich überzeugt nicht übermäßig, denn sobald es um tiefe Emotionen geht, tut sich die Dame bekanntlich schwer.
„Faces in the Crowd“ ist demnach ein leidlich unterhaltsamer Krimi, der handwerklich zwar nicht allzu viel verkehrt macht, erzählerisch aber kaum überraschen kann und phasenweise zu ereignislos vor sich hin mäandert.
4,5 von 10