Eins vorneweg: Ich sehe gerne Eastern aus den 70ern, aber mit den heutigen Filmen aus dem asiatischen Raum werde ich einfach nicht warm. Egal was ich anschaue: Ob es ein "Ju-On" (The Grudge) war, ein "Into the Mirror" oder auch der hochgelobte "I Saw the Devil" - ich konnte nix mit den Filmen anfangen und war immer froh, wenn endlich die amerikanischen Remakes erschienen. Keine Ahnung ob das da dran liegt, weil alle gleich aussehen oder es eben an der Art liegt, wie die asiatische Filmindustrie ihre Streifen abdreht. Auf jeden Fall lasse ich in den meisten Fällen meine Finger von solchen Filmen, doch bei "The Raid" musste ich eine Ausnahme machen. Wer im Vorfeld die Trailer sah und den gesamten Hype mitbekam, der dadurch entstand, da konnte selbst ich nicht nein sagen. Und siehe da: Ich habe es nicht bereut.
Die Story ist denkbar einfach und passt auf einen Notizzettel: Ein Sondereinsatzkommando soll in Jarkata die Drogenhochburg von Warlord Tama (Ray Sahepaty) stürmen, der sich in einem großen Häuserwohnblock sein Drogenlabor eingerichtet hat. Tama bekommt von dem Einsatz jedoch Wind und so lässt dieser seine Privatarmee aufmarschieren, die die Cops nach und nach niederballern. Als einer der letzten Überlebenden sucht Rama (Iko Uwais) einen Ausweg aus der bleilastigen Hölle...
Meistens sind solch marginale Stories bei vielen Kritikern schon ein beliebter Ansatzpunkt, für einem Film eine höhere Bewertung zu untersagen. Ich sage ja immer: Drauf geschissen, das Rad muss nicht neu erfunden werden, hauptsache es rockt.
Und wenn (meines Wissens nach) es der erste indonesische Film überhaupt in deutsche Kinos geschafft hat, muss ja etwas besonderes an "The Raid" dran sein.
Und so ist es auch, man hat knapp fünf Minuten Zeit, sich einen Beruhigungstee zuzubereiten, in denen wir Hauptfigur Rama dabei zusehen, wie er morgens aufwacht, ein paar Fitnessübungen absolviert und sich angespannt von seiner schwangeren Frau verabschiedet, denn er spürt, dass dieser Tag brenzlich werden könnte und es viele Tote geben wird. Und damit sagt ihm sein Inneres Bauchgefühl die Wahrheit. Was Regisseur Gareth Evans hier ein Feuerwerk an brutalen Shoot Outs und noch brutaleren Martial-Arts-Kämpfen ohne Verschnaufpause vom Stapel lässt, sucht seinesgleichen.
Die Polizisten dringen also in den Häuserblock ein. Im ersten Moment werden Erinnerungen an "Die Horde" wach, doch die Parallele dürfte letzlich nur die Location sein: Ein heruntergekommener Häuserblock (Oder wie man in Berlin sagt: Plattenbau´s Finest), der in seiner ganz eigenen Art sehr düster und aber auch bizarr wirkt. Denn neben normalen Bewohnern (von denen man fast nichts im fertigen Film zu sehen bekommt), scheinen sich dort nur Tama´s Lemminge aufzuhalten, die neben Drogen herstellen vorallem eine Sache können: Ungebetene Gäste zu eliminieren.
Das Treiben besticht in den Anfangsminuten durch Suspense, da die Einheit sich bis zum fünften Stockwerk relativ unbemerkt nach oben hangelt. Nur eine kurze Zwischensequenz setzt ein Ausrufezeichen, welche Brutalitäten uns erwarten, als Tama beim Guten-Morgen-Kaffee nebenbei fünf Geiseln äußerst brutal tötet.
Nachdem die Cops also im fünften Stock entdeckt werden (Obergangster Tawa sitzt im 15.), beginnt das Dauerfeuer und es gibt Tote auf beiden Seiten im Sekundentakt. Da hier aus allen Rohren gefeuert wird, ist die Munition auch schnell all und ab da können wir den Männern zuschauen, wie sie sich mit Messern, Macheten oder bloßen Fäusten wehren. Blieb mir bei den Shoot Outs vor Staunen schon die Spucke weg, findet "The Raid" in seinen Kampfszenen seinen Höhepunkt. Diese sind derart perfektioniert in Szene gesetzt, wie ich sie noch nie begutachten durfte. Einen großen Anteil daran haben auch die Schauspieler, denn die Asian-Ass-Kicker-Charaktere wurden größtenteils mit echten Kampfsportlern besetzt.
Einige kleine Verschnaufpausen gibt es dann doch noch, als ca. eine handvoll Polizisten übrig ist. Diese Szenen nutzt Evans, um einige Charaktere näher zu beleuchten oder auch seine Story vorwärts zubringen.
Das Gefühl, für Spannungsmomente einzubauen, hat Evans auch. Wenn ein unbekannter Angreifer im Zombiemodus über den Gang schlürft und den Korridor nach noch lebenden Feinden absucht, oder zwei Polizisten hinter einer versteckten Zwischenwand vermutet werden, ja, das treibt den ohnehin schon hohen Adrenalinpegel noch weiter nach oben. Dann gibt es auch relativ simple Szenen, die einfach für sich sprechen. Nahaufnahmen von Messern haben mehr "Charaktertiefe" wie manch andere Regisseure gerne in ihren Filmen den Hauptfiguren geben können, oder auch Szenen, in denen beispielsweise ein Genickbruch regelrecht zelebriert wird, wirken sau stark und nehmen den Zuschauer mit.
Evans setzt im ganzen Film auf realistische und authentische Kampfszenen (auch wenn hier und da mit etwas CGI nachgeholfen wurde), die dadurch noch roher und brutaler wirken und ganz ehrlich: Ich bin ihm dafür sehr dankbar, dass das Blut hier spärlich eingesetzt wird und nicht aus Fontänen spritzt wie in dem üblichen japanischen Splatter-Scheiß, der die letzten Jahre den DVD-Markt überflutet. Den Höhepunkt stellt der Fight mit Tawa´s rechter Hand "Mad Dog" (Yayan Runian) dar, der seinen ganz eigenen Ehrenkodex vom töten hat.
Natürlich gibt es auch was zu meckern. Manchmal nervt die Wackelkamera (aber es hält sich mit dem Gezittere dann doch arg im Bereich des Erträglichen), einige Szenen sind vielleicht zu dunkel geraten und der Schluss ist etwas unspektakulär ausgefallen. Aber wen juckt das schon bei den ganzen positiven Eigenschaften, die "The Raid" mit sich bringt?
Fazit:
"The Raid" bietet in einer marginalen Story einen knallharten Cop-Thriller, der durch spektakuläre Shoout Outs, perfekt choreographierte Kämpfe und extrem viel Gewalt (=nicht Blut!) glänzt. Dass der Film ungeschnitten in den Kinos läuft, ist bei der Brutalität fast nicht zu glauben. Wahrscheinlich wurde der Film von der FSK bei der Weihnachtsfeier gesichtet und beim zehnten Glas Schampus abgesegnet.
Tja, über die Bewertung hab ich jetzt zwei Tage nachgedacht und ich bin auch 48 Stunden nach dem Vergnügen restlos begeistert. Von daher
9,5/10