Review

Der letzte schöne Tag   Deutschland 2011

 Zu Beginn hören wir die Stimme von Sybille. Noch ist nichts zu ahnen. Sie erkundigt sich nach dem Befinden ihrer Familie. Als erstes ruft sie ihren Mann Lars an. Anschließend redet sie mit ihrer stark pubertierenden Tochter Maike sowie ihrem kleinen Sohn Piet. Niemand ahnt was folgt, denn dies ist Sybilles letztes Telefonat. Von nun an ist für die Familie nichts mehr so, wie es einmal war, denn Sybille hat sich selber umgebracht. Der Vater hat nun vieles zu händeln: die Vorbereitungen für die Beerdigung, die Betreuung seiner Kinder und die eigene Verarbeitung dieses extremen Vorfalls.

Der Film (wohlgemerkt, es ist ein Fernsehfilm!) begleitet die Protagonisten bei der traurigen Nachricht des Freitods der Ehefrau und Mutter, über das Klarkommen mit dieser Nachricht, bis hin zur Bewältigung dieses Schicksalsschlags. Das alles geschieht in einer überaus glaubhaften Art und Weise. Die dargestellte Reaktion der Familienangehörigen ist realistisch. Leider auch das der weiteren Verwandten. Generell vermag es der Film sämtliche Situationen zu schildern, ohne in kitschige Momente zu verfallen.

Es geht zuerst darum, dass die Familie versucht zu funktionieren. Was anbetracht der Ereignisse gelingt. Dies ist, wie ich auch denke, der Roboter in einem. Desweiteren geht es um an sich banale Sachen wie die Suche nach einer geeigneten Grabstätte oder der passenden Bekleidung für die Bestattung. Dies geschieht keinesfalls langatmig oder falsch anrührend, sondern bestechend nah am Leben. Wenn ein Mensch unerwartet aus dem Leben scheidet sind dies nun einmal die „Formalitäten“, die zu erledigen sind. Diese Lebensnähe ist wohl auch der Drehbuchautorin geschuldet, die selber zwei solcher Schicksale durchleben musste.

Schließlich kommt es zur Beerdigung. Es mag dem ein oder anderem zu dick aufgetragen zu sein. Für mich war es das nicht. Erst einmal ist das vorgetragene Gedicht voller Wahrheit (Mascha Kaleko - einfach genial! Im Übrigen auch andere Arbeiten von ihr), zum anderen passt es einfach zu den Ereignissen und es ist sehr gut vorgetragen. Mir kamen dabei die Tränen. Doch auch im Film kann Vater Lars nicht mehr wie zuvor. Die Last, die durch die belastenden Erfahrungen der letzten Tage entstanden war, bricht über ihn herein.

Sodann folgt der folgenschwere Leichenschmaus und die, meiner Meinung nach etwas zu kurz gekommene Schilderung des Alltags danach. Vielleicht musste der Film in der Hinsicht Abstriche machen, weil er ursprünglich fürs TV-Format gedreht wurde. Die Gefahr von Depressionen oder Alkoholismus, wie auch andere Folgen der
Nichtbewältigung der Situation werden nicht berücksichtigt. Es hätte womöglich auch den Rahmen gesprengt und den Spielfluss gestört.

Dennoch bleibt der Film eine wahre Perle unter TV-Produktionen und kann in Sachen Dramaturgie und Schauspielleistung an große Kinofilme anknüpfen. Auch die Darsteller der Kinder machen ihr Werk gut, sogar mehr als das. Subtil vermitteln sie die Verzweiflung, die in ihnen inne wohnt.

Der Film lebt jedoch nicht nur durch seine Darsteller. Wotan Wilke Möhring spielt Lars sehr, sehr überzeugend. Das Drehbuch ist intensiv, ganz nah am Menschen, emotional geschrieben und umgesetzt worden. Viele kleine Details machen dem Zuschauer die Schwierigkeit und Hilflosigkeit der präsentierten Menschen vor Augen. Besonders die Hilflosigkeit und in gewissen Maßen auch die Sprachlosigkeit spielt eine ganz große Rolle. Lars, Maike und Piet können dagegen nichts tun. Lars und Maike Erwähnten plagen zudem Selbstzweifel und suchen die Schuld bei sich, beispielsweise durch unbedachte Äußerungen gegenüber der verstorbenen Mutter. Diese tritt in Form von „Flashbacks“ wieder zu Tage. Ohne ein Wort zu sprechen. Ohne eine Antwort.

In dem Film wird auch deutlich, warum Sybille Suizid begangen hat. Depressionen, Überlastung, Lebensmüdigkeit und der Gedanke (dem viele Suizidenten nachgehen), dass sie nichts wert wären oder die Angehörigen ohne sie besser leben würden. Es wird ebenso klar, dass die Selbsttötung eine Befreiung für Sybille war von ihrem Leiden, mit dem sie nicht mehr zu Rande kam.

Während des Verlaufes des Films und gerade gegen Ende wird die positive Botschaft des Films deutlich. Solch eine Thematik braucht eventuell diese Art von Ende, um nicht zu sehr bedrückend zu wirken. Sonst wäre dieses ohnehin sensible Thema kaum erträglich. Auf jeden Fall, hat der Filme eine lebensbejahende Message. Er zeigt letztlich auf, unter welchen Folgen Menschen leiden, die den Suizid eines nahen Angehörigen zu verkraften haben. Das geschieht über die Bank hinweg in bester Manier. Für mich ein Glanzstück des deutschem TV-Filmschaffens. Nicht umsonst hat „Der letzte schöne Tag“ nicht einige Kritikerpreise abgesahnt.

9,5/10

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