Anfang der 70er starb das Interesse des Publikums an dem Italowestern-Genre. In den späten 60er Jahren fand dieses Genre seinen Höhepunkt mit "Spiel mir das Lied vom Tod", und dümpelte seitdem eher belang- und einfallslos durch die Kinosäle. Regisseur Mario Caiano war einer der ersten, die versuchten dem Italowestern neue Impulse zu geben, in dem dieses mit Eastern-Einflüssen aufgepeppt wurde. 1973 schließlich entstand "Der Mann mit der Kugelpeitsche".
Caiano setzt den chinesischen Schauspieler Chen Lee, der die Rolle des Chen Ho bekam. Ein durch eine mysteriöse Lotusblütenausbildung geformter, perfekter Kämpfer, gleichzeitig aber auch sanft und edelmütig. Auf der Suche nach Arbeit und Bestimmung kommt Chen Ho von Shanghai nach Amerika. Doch anstatt von Gastfreundschaft erfährt Chen Ho nur Rassenhass und Intoleranz. Als die Situation in einem Saloon eskaliert, setzt der Chinese erstmals seine Karate-Kampfkunst ein, und setzt seine Gegner auf beeindruckende Weise außer Gefecht. Fortan trägt er den Namen Shanghai Joe (in der deutschen Synchro: Karate-Jack). Er legt sich mit dem Millionär Spencer (Piero Lulli) an, der Menschenhandel mit armen Mexikanern betreibt...
Als dieser Spencer die Gefährlichkeit des Shanghai Joes erkennt, setzt er eine kuriose Truppe von Killern auf ihn an: Ein Totengräber, einen Trickbetrüger, einen Kannibalen und einen perversen Skalpsammler (Klaus Kinski). Eben jene nicht wirklich ernstzunehmenden Kuriositäten lassen "Der Mann mit der Kugelpeitsche" eher wie eine vergnügliche Nummernrevue ausschauen, anstatt hier ernsthaft die amerikanische Rassenproblematik kritisch zu durchleuchten. Mario Caiano schuf nicht zu einer Minute einen ernsthaften, ambitionierten Western, sondern eine unterhaltsame Trashgurke aller bester Güte!
Oft treibt es Caiano auf die Spitze, wenn er naiv realisierte Tricktechnik einsetzt um die übermenschlichen Kräfte des Chinesen darzustellen. Anschlussfehler und offenkundiger Einsatz von Stuntdoublen macht es dem Zuschauer nicht gerade einfach, das Werk ernst zu nehmen. Doch zu oft versucht der Film durch pseudo-bedeutungsschwangere Dialoge und konstantem Zelebrieren von Moral und Ethik besonnen und ernst zu wirken. Viele der Szenen ziehen sich dadurch in die Länge und scheinen sich so gar nicht in den vergnüglichen Rest zu integrieren.
Dafür gibt's aber schön billige Karatestunts und völlig undistanzierte Splattereinlagen, die aus "Der Mann mit der Kugelpeitsche" ein ganz besonderes Erlebnis machen. Auch der Auftritt von Klaus Kinski, und besonders sein Abgang sind kleine Highlights des Films. Ebenso lobenswert ist der Morricone-inspirierte Soundtrack von Scoreveteran Bruno Nicolai.
Für Trashfans mit guter Sitzmuskulatur wird "Der Mann mit der Kugelpeitsche" ein wahres Fest sein. Zuschauer, die sich mit der schleppenden Länge des Films nicht anfreunden wollen, oder gar nicht erst albernen Trash akzeptieren, wenden sich tunlichst ab. "Shanghai Joe" ist ein netter, kleiner, ungewöhnlicher, abgedrehter Western, für den Filmfan mit dem besonderen Geschmack.