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Der arme Fürst der Finsternis leidet unter einem gar lästigen Gerstenkorn an seinem rechten Auge. Denn - so ein Sprichwort - wird die Unschuld/Jungfräulichkeit junger Damen zu lange erhalten, kommt es zu solch störenden Erscheinungen beim Teufel. Sodann schickt er den schon seit geraumer Zeit in seiner Obhut befindlichen Don Juan (Jarl Kulle) zurück auf die Erde, um dem sittlichen Treiben einer jungen Dame ein Ende zu setzten. Don Juan fristet sein Dasein in der Hölle mit einer scheinbar unendlichen Fortführung derselben Folter. Der Teufel (Stig Järrel) zwingt ihn, neben immer wieder kehrenden Albräumen, wieder und wieder ehemals von ihm verführte Frauen, erneut zu verführen nur um sie kurz vor dessen Eroberung verschwinden zu lassen, und den armen Don Juan schmerzlich unbefriedigt zurückzulassen. Don Juan, sein Gefolgsmann Pablo (Sture Lagerwall) und ein vom Teufel mitgeschickter, gerissen bösartiger Wächter im Mönchsgewand, besuchen nun eine Pfarrersfamilie mit der kurz vor ihrer Vermählung stehenden Tochter Britt-Marie (Bibi Andersson). Ohne weitere Umschwenke macht sich Don Juan daran, die burschikose und sehr selbstsichere Britt-Marie zu umgarnen und mit gekonnter Manipulation in seine begehrliche Falle zu locken. Auch der an seinem aufgezwungenen Zölibat leidende Pablo fällt mit frivolen Angeboten bereits bei seiner Ankunft über die kühle Pfarrersfrau her. Doch anders als die kecke Britt-Marie verfällt sie nach kurzem, lüsternem Vorgeplänkel, schnell und neugierig dem unmoralischen Angebot. Während des sinnlichen Geschehens wird ihr kindlich naiver, wie gutgläubiger Ehemann von dem teuflischen Wächter besucht, der ihn mit gekonnter Überredungskunst versucht, seine Frau auf frischer Tat mit Pablo zu ertappen. Doch der Pfarrer durchschaut seinen auf Eifersucht und Missgunst abzielenden Plan, und sperrt ihn in seinem Wandschrank ein, wo er ihn mit nassforscher Neugierde über das höllische Treiben und das Wesen der Unmoral und Bosheit auszufragen gedenkt. 

So geistreich wie humorvoll schwebt der Film, seine etwa 87 Minuten dahin. Jeder Dialog trifft mit schlafwandlerischer Sicherheit sein Ziel, und regt sowohl aufgrund des höhnischen Wortwitzes zum amüsierten Lächeln als auch zum besinnlich reflektierten Nachdenken an. Ein Erzähler erscheint zwischen den drei Akten des Filmes und kommentiert diesen kritisch mit ironischen Sprüchen (auch mal gegen den eigenen Autor Bergman), die er süffisant und direkt an das Publikum richtet. 

Bei Bergman ist das Aufeinandertreffen zwischen dem abgeklärten Don Juan mit der unschuldigen Britt-Marie kein ungleicher Kampf, der die sardonisch abgeklärte Verführungskunst über die naiv-gutgläubige Unbedarftheit triumphieren lässt. Im Gegenteil Britt-Marie schafft es durch ihren Charme, ihre natürliche Schönheit und ihre offene Intelligenz, dass sich der zynisch vergrämte Don Juan in sie verliebt und teilweise beginnt uneigennützig zu handeln. Auch der herzensgut trottelige Pfarrer handelt listiger als es ihm zugetraut wird und agiert auch voller Weisheit, wenn er z.B. dem verlockenden Angebot, seine Frau auf frischer Tat zu ertappen, widersteht. Der stete Kampf: Moral gegen Unmoral, Unschuld gegen Lasterhaftigkeit, Sarkasmus gegen Gutgläubigkeit und Spott gegen Vergebung, bleibt ein steter, hochamüsanter Schlagabtausch, der keinen Gewinner zuzulassen gedenkt.

"Die Liebe schützt vor gar nicht!." - wie die leicht desillusionierte Britt-Marie einmal trocken sagt. Fürwahr, am allerwenigsten schützt sie davor geliebte Menschen zu verletzten, oder aus anderen niederen Motiven zu handeln. Doch Bergman drückt sich weitgehend gekonnt um einen pessimistischen Grundton, sondern verwandelt dieses nur all zu menschliche Treiben mit der locker beschwingten Hand eines richtigen Maestros in ein kammerspielähnliches Lustspiel, das mit seinen feinsinnig, bisweilen sarkastischen, klugen und erfrischend pointierten Dialogen enorme Kurzweile verströmt. Vergleichbar ist dieses ironisierte faustsche Stück in seiner luftig leichten Inszenierung mit dem ebenfalls sich um zwischenmenschliches Balzverhalten drehende "Das Lächeln einer Sommernacht" (1955). Beide Filme lockern die doch inhaltlich sehr streng gehaltene Filmographie von Bergman enorm auf, und lassen vor allem auch sein hohes Gespür für Komik deutlich erkennen. 

Bergman spart bei aller Leichtigkeit nicht an spöttischer Kritik an christlichen Moralvorstellungen, ihren propagierten naiven Wertevorstellungen, die oft zuwider des menschlichen Genusses, der Begierde und Freude stehen. Ein wenig verächtlich betrachtet Bergman seine Figuren dabei, die gegen ihre selbst- und viel zu hochgesteckten Ziele anrennen, oder unter dessen Last nicht selten zusammen brechen. Nur der Gutgläubige, der Naive, der Weltfremde, der nicht zu erschütternde Philanthrop, dem Sarkasmus oder gar Zynismus gänzlich unbekannt sind, hat scheinbar leichtes Spiel mit dem „Bösen". Schön am Beispiel des Pfarrerehepaares demonstriert. Von seiner Frau zwar nicht mehr ernst genommen, ist es Vertrautheit und die Macht der Gewohnheit, die ihre Ehe an wichtigen Stützpfeilern gerade noch kittet. Erst der Ehebruch - so paradox es auch sein mag -  lässt sie wieder die vermeintlich erstickte Liebe zu ihrem Ehemann erkennen, der ganz seinem gütigem naturell, Vergebung walten lässt. 

Die Ehe als gerissene „Erfindung“ der Hölle, als Sündenpfuhl und Beginn von sündigem Verhalten. Bergman lässt kein gutes Haar an ihr; die Schlusspointe, in der ein großohriger Dämon, die moralisch unbefleckte Britt-Marie bei ihrer ersten Lüge belauscht und dadurch dem Teufel zu einem kleinen Sieg verhilft, rechnet sarkastisch, voller bösartigem Witz mit jener heiligen Institution und ihrer innewohnenden Bigotterie ab. Nur Don Juan scheint geschlagen, gänzlich der unerwiderten Liebe verfallen und die weiterhin gemeinen Strafen des Teufels erduldend, hat er nichts als bloßen Hass gegenüber beider Seiten - denen da oben sowie denen da unten - übrig und bleibt mit seinem bitterem Gram auf der Strecke. Aber auch Britt-Marie hat einen nur wenig zuversichtlichen Weg beschritten. Sie hat trotz der von Don Juan gesäten Zweifel, den Weg der (Vernunft-)Ehe eingeschlagen, auf Lügen, dreisten Erwartungen, Falschheit und grenzenloser Naivität aufgebaut, bleibt auch ihr zukünftig wohl nur Enttäuschung, Sarkasmus und wohl auch Verachtung über. Das nächste Opfer des Teufels sozusagen. Nur das Pfarrerspaar, das durch den Betrug der Frau wieder auf wahrhaftige Gefühle gestoßen ist, scheint zumindest kurzzeitig durch gegenseitige Aufrichtigkeit, den hinterlistigen Fängen des Teufelskreises Ehe entkommen zu sein.  

Kritiker werfen Bergman oft vor, er würde seine Figuren aus gottgleicher Sicht wie leblose Fleischpuppen führen und vorführen. Ursache und Wirkung wird trocken mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Schadenfreude ausgestellt. Kleine experimentelle "was-wäre-wenn-Spielchen" werden an den Figuren vorgetragen, die geistvoll philosophische und selbstreflexive Sätze von ihrem Schöpfer in den Mund gelegt bekommen. Das führt natürlich nicht zu emotional verbindenden Gefühlen, sondern eher zu einer erhaben großspurigen wie analytisch kalten Betrachtungsweise. Das ließe sich alles auch auf "Das Teufelsauge" übertragen, doch vor allem Bergmans schwelgerische, zum Teil auch selbstironisch gewitzte Dialoge, die leichtlebig und niveauvoll den Humorpegel anheben und Bibi Andersson warmes, charmantes Spiel, die der bergmanschen Kälte ein wenig entgegenwirkt, setzt sich dieser Kritik gekonnt entgegen. 

Letztlich ist "Das Teufelsauge“ (a.k.a. „Die Jungfrauenbrücke“) ein scharfzüngig ironischer, straff inszenierter, aber auch bisweilen kalter bzw. emotional distanzierter filmischer Essay über die Dualität indoktrinierter Moral und dem sich dazu oppositionell verhaltenden menschlichen Naturell. Alles verpackt in ein hochamüsantes kurzweiliges Lustspiel, das zum mehrmaligen Anschauen animiert.

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