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Bei einem tragischen Unfall auf dem Schießstand kommt der junge Soldat Bengt zwar mit dem Leben davon, verliert aber sein Augenlicht. Nach dem ersten Schock arbeitet er sich mühsam in sein neues Dasein - er lernt Brailleschrift und bekommt eine Anstellung als Klavierspieler in einer Bar. Während seiner Übungen kommt er der angehenden Lehrerin Ingrid näher - doch auch diese zärtliche Romanze verläuft nicht so einfach wie gewünscht.

Zu Ingmar Bergmans Frühwerk gehört auch dieses wenig beachtete Drama von 1948, das mit nahezu neorealistischem Naturalismus das Schicksal seines Protagonisten als Leidens- und Liebesgeschichte, aber auch als Kampf um Anerkennung und vor allem Ringen mit den inneren Dämonen darstellt. Am intensivsten fällt nämlich das erste Filmdrittel aus, in dem Bengt mit den neuen Umständen und seiner eigenen Existenz hadert, Mitleid und Hilfsangebote seiner Mitmenschen angewidert ablehnt und sogar bis hin zu Suizidgedanken abdriftet. Der emotionale Zusammenbruch, der der körperlichen Schädigung folgt, wird schauspielerisch mitreißend und erzählerisch fesselnd inszeniert: Das beginnt schon mit der urplötzlich einbrechenden Traumsequenz einer Höllenfahrt direkt nach dem beinahe tödlichen Unfall - eine finstere Szenerie im Schlamm, kurze Sequenzen voller einfacher, aber effektiver Spezialeffekte wie Überblendungen und metaphorisch dichte Bilder einer Reise durch Hölle und Purgatorium bleiben der einzige (und leider mit dem Rest des Films etwas zusammenhanglose) surreale Moment des Films, der sich dank eindringlicher Bilder nachdrücklich ins Gedächtnis brennt.

Auch Bengts anfängliches Hadern mit seinem Schicksal wird dem Zuschauer emotional intensiv näher gebracht. Hier zeigt sich in vielen Szenen bereits Bergmans ganzes Geschick in Dialog- und Schauspielerführung - äußerlich ruhige Sequenzen bringen dank starker Dialoge und überzeugend agierender Darsteller die Konflikte der Agierenden überaus fesselnd auf die Leinwand. Nach einem dramatischen Suizidversuch im Gleisbett ebbt die Spannungskurve dann allerdings etwas ab: Nebenhandlungen wie das Engagement in einer Bar, das an hoffnungslosen Differenzen mit dem Betreiber scheitert, oder das Wiedersehen mit seiner ehemaligen Geliebten, die ihn nach dem Unfall im Stich gelassen hatte, plätschern ein klein wenig vor sich hin, bevor der romantische Schluss dann in einem für Bergman seltenen Happy End mündet.

Trotzdem ist „Musik im Dunkeln" ein sehenswerter Film, der seine Themen geschickt und durchdacht angeht und trotz formaler Zurückhaltung (wenig Musik, kaum Oberflächenaktion, eine ruhig dahingleitende, oft auch statische Kamera) überwiegend zu fesseln weiß. Der problematische Umgang mit Sehbehinderten wird hier klug und einfühlsam angesprochen, ohne allzu polemische Kritik an allgemeinen Gesellschaftszuständen zu äußern. Auch das Mäandern zwischen den Konflikten - das Akzeptieren der eigenen Beeinträchtigung versus die zärtlich sich entfaltende Liebesgeschichte zwischen Bengt und Ingrid, die zu neuen Problemen führt - wird insgesamt ausgewogen präsentiert und zeitigt ein glaubwürdiges Bild des emotionalen Zustandes seines Protagonisten.

So bleibt „Musik im Dunkeln" vielleicht ein Nebenwerk, das weder formal noch inhaltlich mit Bergmans späteren Meisterwerken mithalten kann, das aber trotzdem eine spannende und dramatische Geschichte fesselnd zu erzählen weiß und dank packender Darstellerleistungen auch über kleine Hänger hinweg durchgehend unterhält. Für Freunde des berühmtesten schwedischen Regisseurs aller Zeiten also auf jeden Fall eine kleine Entdeckung wert.

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