Zugegeben: ich kenne die gleichnamige Romanvorlage nicht, aber das muss ich wohl nachholen, so zielsicher und unbemüht schräg mutet THE PAPERBOY an. Man fühlt sich wie in einer Mischung aus einem Andy Warhol Underground Film bzgl. der schrägen aber glaubhaft wirkenden white-trash Figuren, einer unentdeckten skurrilen 70er Jahre Sitcom und einem verschollenen Frühwerks Tarantinos oder wahlweise Spätwerks von John Waters. Optisch unterstützen ab und zu jumpcuts, schnelle Kameraschwenks und unscharfe Nahaufnahmen von Gesichtern technisch diesen schwülstigen Retro-Eindruck.
Dieser wird auch durch die durchgängig historisch passende Ausstattung und viele bunte Farben positiv ergänzt. Selten waren Farben so farbig und ein Film wie THE PAPERBOY so neben der Spur und so kurzweilig zugleich. Dazu kommt mit John Cusack, Scott Glenn, Matthew McConaughey und Nicole Kidman ein Staraufgebot, das sich erfreulicherweise nicht wie ein solches verhält und stets über seinen Schatten springt. Die Geschichte ist schnell erzählt: McConaughey ist Journalist und versucht einen zum Tode verurteilten (John Cusack) aus dem Gefängnis zu holen.
Es geht THE PAPERBOY aber nicht darum eine Geschichte mit einem bestimmten Ziel oder Ausgang zu erzählen. Es geht ihm um das wie und die charakterlich tiefere Beleuchtung der so absurd-sympathischen Figuren. Dabei spielen etwas verdeckt doch durchgängig fühlbar gesellschaftskritische Themen wie Gesellschaftskritik Rassismus, Gender-Trouble, verschiedene Spielarten der Liebe und irgendwo auch Gewalt in Beziehungen eine Rolle auch wenn diese narrativ nicht konsistent durchgehalten werden.
Es gibt eine Reihe sexueller Anspielungen und Offenheiten und einen beschwingten, aber zurückhaltenden Soundtrack der sich sehr gut zu den schwülstigen Bildern einfügt. Der sonst eher Schönlinge spielende McConaughey präsentiert seine halblange Lockenfrisur, ist stets völlig verschwitzt im Bild und hat sich wohl für seine Verhältnisse auch einen kleinen Bierbauch für die Rolle antrainiert. Nicole - Botox-Zombie - Kidman in ihrem knallbunten Barbie-Outfit und genialer Frisur als Berufsblondine feiert sich mal ausnahmsweise nicht selbstverliebt und gewohnt konservativ durch die Geschichte.
Sondern sie zeigt auch neue ungewohnte schräge Seiten mit starker lasziver Note und kann mich durchaus überzeugen. Ich konnte sie sie oft als Person Kidman in ihrer Rolle vergessen und sie war sich auch für die schrägste (Sex-) Szene nicht zu schade. Gefühlt ungefähr 50x fällt bei ihr das Wort "fic..en". Auch für Ihr gewollter Plastiklook und die längsten Wimpern der Welt sind großartig. Schauwerte-mäßiger Höhepunkt ist eine an BASIC INSTINCT erinnernde Szene als groteske Strumpfhosen-Schlüpfer Variante.
Oder auch je nach Geschmack eine Szene in der Kidman dem von Quallen befallenen Freund freudestrahlend und in voller Großaufnahme auf die Brust pinkelt. Dazwischen gibt es auch mal Krokodil-Ausweidungen und Gedärmematsch zu bewundern. Man sieht, THE PAPERBOY ist eine bunte Mischung weit abseits vom Massenpublikum wie eingangs angedeutet und wird seine Fanbase finden. Es gäbe noch viel zu berichten aber ich schließe hier und spare dem geneigten Filmfreund etwas Sehzeit für…THE PAPERBOY!
6/10 knallbunten Quallen....äh,....Punkten