Review

Gesamtbesprechung

Gute Geschichten überdauern die Zeit, weil sie allgemeingültig sind. So hat es sich im Film durchgesetzt, Klassiker neu zu interpretieren, in der zeitgenössischen Gegenwart, oder eben der Zukunft. Mit Der Schatz im All folgt Antonio Margheriti in gewisser Weise dem eingeschlagenen Weg von Krieg der Sterne und Raumschiff Enterprise, indem er den Abenteuerdrang aus Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel in einer futuristischen Welt sucht. Wie sich zeigt, läßt sich dies eng an der Vorlage übersetzen, ist doch die Raumfahrt in einer globalisierten Industriegesellschaft viel eher geeignet, eine verschrobene Romantik des Ungewissen, der Gefahren und der Unüberwachtheit zu erzeugen. Nur so scheint es, ist es noch möglich den Reiz der Piratengeschichte nachempfinden zu können.

Die Co-Produktion deutscher, italienischer und französischer Fernsehsender läuft auf den ersten Blick Gefahr belächtelt zu werden – als kindliches Spektakel bei einer Transmutation des Seglers Hispaniola zum hyperraumfähigen Plastikdonut. Gerade an den Effekten und Bauten jedoch merkt man, daß Antonio Margheriti seine Erfahrung im phantastischen Film für sein Magnum Opus zu Gute kommt. Für die sieben Folgen der Fernsehserie Der Schatz im All, welche je immerhin mit knapp 50 Minuten zu Buche schlagen, war es erforderlich die italienische Erdenkulisse ins Jahr 2300 zu versetzen und bald darauf eine ganze Raumfahrt auszustatten. Demzufolge merkt man bei dieser Masse an künstlicher Realität bei genauem Hinsehen an allen Ecken und Enden wie knapp das Budget geschnürt war.
Der Clou gelingt unter anderem durch die erstklassig ausgewählte Besetzung, von der Ernest Borgnine als Billy Bones gleich zu Beginn das Publikum in die Geschichte saugt. Mit seinen aufgerissenen Augen erleidet der Weltraumbär einen qualvollen Verrätertod vor den Augen des jungen Jimmy (Itaco Nardulli), der eine Schatzkarte vor einer Bande Piraten in Sicherheit bringen kann. Jimmy vertraut sich dem durch die Figurenzeichnung etwas ins Hintertreffen geratende David Warbeck als Dr. Livesy an, dessen Freund Graf Ravano (ganz groß: Philippe Leroy) von Abenteuerlust gepackt sogleich ein Raumschiff erwirbt und nebst dem von Klaus Löwitsch eindrucksvoll als überaus korrekten Captain verkörperten Smollet auch gleich eine Schar zwielichtigen Gestalten als Crew anheuert.

Unter der qualitativ hochwertigen, orchestralen Musik von Gianfranco Plenitio, welche eine Spannweite von verspielten Melodien bis zu scheinbar chaotischen Arrangements in den Spannungs-Intermezzi bietet, begleiten wir Jimmy, dessen Gefühlswelt entscheidend für die Atmosphäre der Serie wird. Mit Der Schatz im All gelingt ein der Serie Die dreibeinigen Herrscher ähnliches Science-Fiction-Kunststück. Er, der Jüngling, ist nun ausgeliefert, obwohl er durch sein Wissen um Hintergründe den Erwachsenen zum Teil vorraus ist. Doch wird er mitgezogen, ist immer auch Spielball des zweigesichtigen Long John Silver, der erlesen durch den zur Höchstform aufspielenden Anthony Quinn einerseits väterlicher Freund wird, Jimmy jedoch auch immer für sich gewinnt und dadurch in die Falle lockt.
Man verzeiht es um das Format wissend, wenn Jimmy mal all zu tappsig agiert oder die ein oder andere unnötige Szene eingebaut wird (gerade Teil 3 wirkt etwas schleppend). Immer wieder werden wir entschädigt durch nahezu horrible Momente knisternder Suspense oder schaurige Effektmotiven, in denen Antonio Margheriti zu betonen scheint, daß er sich nicht an Kinder, sondern Jugendliche richtet. Daß bei den gebotenen Waghalsigkeiten die Willkür vorherrscht, spielt bei diesem Abenteuer kaum eine Rolle.

Auch wenn Der Schatz im All mit seinem Ende eher befriedigend ausfällt, so muß man das Gesamtwerk doch als insgesamt flüssig und fesselnd loben. Stets wird die Folge so abgeschlossen, daß eine Entwicklung stattgefunden hat, deren Fortgang man kaum erwarten kann. Margheriti hat um das klassische Werk einen eigenen Kosmos erschaffen, profitiert dabei jedoch zeitgleich von einer Dramaturgie, die in teils kammerspielartigen Episoden überhaupt nicht von Effektszenen abhängig sind. Diese Melange macht Der Schatz im All zu einem sensationellen Stück Jugendprogramm, welches man in seinem brutalen Fatalismus kaum mehr findet, wenn man dies im öffentlich-rechtlichen Programm überhaupt jemals sonst konnte.
Es ist mit Der Schatz im All ein Stück Fernsehgeschichte geglückt, welchem man auch als Erwachsener noch etwas abgewinnen kann, sei es mittels des Weitblicks, der beispielsweise die latente Homosexualität der Szene, in der Einsiedler Ben Gunn (Andy Luotto) Jimmy einen Schleier auf das Haupt setzt und ihn wie seine Braut über die Schwelle eines Raumschiffwracks trägt, um dort die Feierlichkeit mit Kaviar und Sekt einzuläuten, zu erkennen gibt, oder einfach die jugendliche Freude am phantastischen Film und dem Fortleben des italienischen Unterhaltungskinos auf dem Schlingerkurs zwischen Trash und Meisterlichkeit.

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