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"Unser Leben" trägt sein grundsätzliches Problem schon im Titel. In Ermangelung eines schlüssigen roten Fadens spinnt die BBC-Dokumentation einfach den kleinstmöglichen Nenner -Leben-, um dem Zuschauer ein 90-minütiges Kuriositätenkabinett zu präsentieren. Sozusagen ein anekdotenhaftes Best-Of-der seltsamsten Überlebensstrategien aus dem Tierreich. Das ist in seiner hochglanzpolierten Präsentation jederzeit hübsch anzusehen, versagt als zusammenhängender Film, geschweige denn als Dokumentation aber beinahe vollständig.

Das Leben steckt voller Wunder: Affenrudel, die sich in thermalen Quellen vor eisiger Kälte schützen, Frösche, die ihren Nachwuchs einzeln ganze Bäume hochschleppen oder Springmäuse, die Straßen anlegen um schneller vor ihren Feinden fliehen zu können Rund um den Globus entwickeln Tiere die seltsamsten Strategien, um das eigene Überleben und das ihres Nachwuchses sicherzustellen - und fördern  dabei  teilweise erstaunliche Fähigkeiten zutage, die einen manchmal an einen erinnern.
1974 schnitt eine japanische Produktionsfirma eine mehrteilige Superhelden-kämpfen-gegen-Riesenmonster-Serie für das internationale Publikum auf Spielfilmlänge zusammen. Heraus kam der für Trashliebhaber kultige, aber  ansonsten vollkommen desaströse „Roboter der Sterne". Qualitativ spielt „Unser Leben" zwar ein paar Ligen höher, die Entstehungsgeschichte und die damit zusammenhängenden Probleme, sind aber dieselben. Zweitverwertung findet heutzutage im Kino statt  und so schnitten Martha Holmes und Michael Gunton die 10-teilige BBC-TV-Serie „Life - Das Wunder Leben" auf  ein 85-minütiges Best Of zusammen und luden  Daniel Craig ins Tonstudio, der das ganze über einen Offkommentar zusammenhalten soll. Hier liegt auch der zentrale Unterschied zu namensverwandten Tierdokus wie „Unsere Erde" (2007) und „Unsere Ozeane" (2009). Alle Filme eint die optische Brillanz. In wunderschönen Bildern erzählen sie Geschichten über die Natur und deren Bewohner, hochauflösend und nicht selten in Superzeitlupe. Die inhaltliche Stringenz, bzw. der roten Faden, den die Vorbilder zu bieten hatten, geht „Unser Leben" (2012) aber beinahe vollkommen ab. Dieser Faden soll hier „das Leben" an sich sein - quasi der kleinstmögliche Nenner, auf den man Lebewesen reduzieren kann.

Der mitunter arg pathetische Offkommentar von Daniel Craig, bzw. seiner deutschen Stimme Dietmar Wunder (der im Übrigen auch Adam Sandler synchronisiert), müht sich nach Leibeskräften so etwas wie einen größeren Zusammenhang zu spannen. Leider springen die Geschichten trotzdem reichlich orientierungslos von Kontinent zu Kontinent von Tierart zu Tierart und zwischen unterschiedlichen Teilaspekten des täglichen Überlebenskampfes in der Tierwelt. Die oft kritisierte Vermenschlichung der Story ist dabei nichtmal das größte Problem. Wer einen Kinofilm inszeniert, muss sein Publikum eben auch emotional mitnehmen - ob das im Rahmen einer Dokumentation zulässig sein kann, mag jeder für sich selbst beantworten. Schwere wiegt da schon die arg schlaglichtartige Grundkonzept, das den Zuschauer zunehmend ratlos zurücklässt, was die einzelnen Anekdoten überhaupt gemeinsam haben sollen. Die Antwort ist: „Rein gar nichts". Inhaltlich beschränkt sich der Film auf die pure, oberflächliche Lust an der Sensation. Filme und auch Dokumentarfilme müssen und  dürfen selbstverständlich mit kuriose, griffigen Bildern und Geschichten arbeiten. „Unser Leben" übertreibt es aber dermaßen maßlos, indem er dem Zuschauer  in handlichen Fünf-Minuten-Häppchen meist vollkommen zusammenhangslos ein Tierchen nach der anderen um die Ohren haut und das Ganze dann dreisterweise auch noch als zusammenhängenden Film verkauft. So gesehen ist „Unser Leben" leider nicht viel mehr als das dokumentarische Äquivalent zur BILD-Zeitung - jederzeit unterhaltsam, zitierfähig, optisch beeindruckend. Dabei aber vollkommen oberflächlich, furchtbar  pathetisch, effektheischerisch, weitestgehend inhaltleer und daher seltsam hohl.
Wer sich an toll gefilmten Anekdoten aus dem Reich der Tiere berauschen kann, dem  sei eher die 10-teilige BBC-TV-Serie „Life - Das Wunder Leben" ans Herz gelegt. Auf Spielfilmformat wirkt das ganze gleichzeitig inhaltlich zusammengedampft und pathetisch aufgebläht und besitzt nur eine rudimentäre Daseinsberechtigung.

Daran werde ich mich erinnern: Dietmar Wunders säuseliger Off-Kommentar.

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