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Man will ihn nicht glauben, solange man ihn nicht mit eigenen Augen gesehen hat: „Aladin“ aus der wahrscheinlich weniger berühmten, aber in Trashkreisen doch berüchtigten Dingo-Pictures-Schmiede, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, erfolgreiche Trickfilme aus den Vereinigten Staaten mehr oder weniger zu plagiieren und mit katastrophalem Zeichenstil, erschütternd miesen Sprechern und einem bis zur Lachhaftigkeit geänderten Skript um Lichtjahre zu verschlechtern. Dazu gehören z.B. auch „Pocahontas“, „101 Dalmatiner“ und „Der König der Löwen“, aber den wahrscheinlich unangefochtenen Spitzenplatz in Sachen verunglücktem Cartoon belegt mit hoher Wahrscheinlichkeit „Aladin“.

In 60 Minuten rollt hier der pure Wahnsinn über den Zuschauer hinweg, den man absichtlich nicht schlechter hinbekommen könnte. Es beginnt mit der Erzählung eines alten Mannes, der seinen um ihn versammelten Zuhörern die Geschichte des Knaben Aladin in Form eines schauerlichen Leiergesangs zum Besten jammert, wobei die Zeichnungen von der ersten Sekunde an eine morbide Anti-Faszination ausstrahlen, die wohl am besten mit der berühmten Wie-ein-Autounfall-man-mag-nicht-weggucken-Floskel umschrieben ist.

Offensichtlich wurden die Figuren auf einen lieblos-detailarmen Hintergrund kopiert, und das noch nicht einmal sauber, denn in etwa jedem fünften Bild erkennt man zumeist am linken Rand einen senkrechten Streifen, der den Hintergrund zeigt, obwohl der eigentlich vom Körper der entsprechenden Figur verdeckt sein müßte. Um Körperbewegungen glaubwürdig zu animieren, dafür fehlte den Zeichnern das Talent, weshalb nur in absoluten Ausnahmefällen davon Gebrauch gemacht wird. Ganz selten sieht man eine Figur gehen (und wenn ja, sieht das ausgesprochen holprig aus), so daß man sich fast ausschließlich damit behelfen muß, die Bewegungen außerhalb des Bildes stattfinden zu lassen. Deshalb sitzt auch schon mal eine Figur eben noch auf der Mauer und steht drei Sekunden später bereits auf dem Boden, weil der Sprung von der Mauer einfach nicht darstellbar war. Damit einher gehen dann etliche Kontinuitätsfehler, die zu zählen allein eine Doktorarbeit für sich ist. Einzig Mundbewegungen bekommen die Zeichner regelmäßig hin, die allerdings den Makel haben, völlig asynchron zum Sprecher zu laufen. Vermutlich aufgrund des extrem schmalen Budgets werden einzelne Zeichnungen ständig wiederholt, manchmal spiegelverkehrt, manchmal vor anderem Hintergrund, manchmal völlig identisch. Bilder eines schlecht gelaunt dreinschauenden und kauenden Kamels, eines Affen oder eines Elefanten werden teilweise völlig unmotiviert eingestreut.

Bei den Sprechern suchte man sich die untalentiertesten zusammen, derer man habhaft werden konnte. Wenn nicht eh für mehrere Rollen ein und derselbe Sprecher verwendet wurde, gelingt es ihnen nicht in einer Sekunde, nicht wie die hinterletzten Vollidioten zu klingen: Der böse Zauberer erscheint in seiner Art, wie er mit dem jungen Aladin redet, permanent wie jemand, der ihn mit zu sich nach Hause nehmen will, um mit ihm unanständige Dinge anzustellen, was schon fast unangenehme Züge trägt. Dahingegen mußte der Sprecher für den Handlanger des Sultans scheinbar vorher ordentlich Helium einatmen, um zu so einer fiepsenden Stimme zu kommen. Knüppeldick kommt es dann bei den Liedern, von denen es zusätzlich zur Einleitung noch einige weitere gibt. Hier geht wirklich gar nichts mehr: Schiefer und erbärmlicher ist nicht möglich. Aladins gejammertes Liebeskummerlied („Soraya, oh Soraya“) treibt in seiner Hoffnungslosigkeit (bzw. hoffnungslosen Schlechtigkeit – auch was den Text angeht) so ziemlich jeden in schwerste Depressionsattacken, wohingegen der Gute-Laune-Teppich-Song („Teppichfliegen, das ist, logisch, einhundertprozentig ökologisch“) weitere Untiefen auslotet.

Da noch über den Inhalt zu sprechen, ist völlig sinnlos, da nun wirklich jede Drehbuchidee, die nicht aus dem großen Disney-Vorbild „Aladdin“ stammt, völlig idiotisch ist. Dementsprechend handeln auch die Figuren – sowohl Schurke als auch Held. Der Zauberer läßt Aladin nach dem Höhleneinsturz mit der Lampe und seinem Zauberring zurück; der Sultan verspricht Aladin die Hand seiner Tochter, als dessen Mutter ihm eine ganze Kiste voller Kostbarkeiten mitbringt, und vergißt das innerhalb von drei Monaten einfach wieder; die Mutter wundert sich kurz, warum ihr verstorbener Mann nie etwas von einem Bruder erzählt hatte, als der sich der Zauberer ausgibt, und läßt Aladin mit ihm mitgehen usw. Die Idiotie aller handelnden Figuren nimmt schon derart abstruse Formen an, daß das Geschehen beinahe surreale Ausmaße einnimmt.

Die gute Absicht hinter dem Ganzen will ich ja gar nicht verheimlichen – letztlich wollten die Macher sicherlich nicht nur Geld, sondern auch die kindlichen Zuschauer unterhalten (allem Plagiieren zum Trotz) –, aber was am Ende herausgesprungen ist, ist ein irrer Dilettantentrip, den man bei Alkoholzufuhr niemals überleben dürfte. Andererseits könnte man sicherlich nicht weniger fröhlich sterben. Aber dann bitte mit dem Teppich in den Himmel auffahren, denn – was habe ich aus diesem Film gelernt? – „wer Teppich fliegt, ist einfach schlauer.“ 3/10.

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