Spoilerwarnung!
Irgendwann, so scheint es, werden auch Rollenspieler erwachsen und haben vom heroischen Einheitsbrei genug. Das BOOK OF VILE DARKNESS von Monte Cook war daher eine Erweiterung für das Spiel DUNGEONS & DRAGONS, die das Augenmerk auf "adult content" richtete; mit dieser Spielhilfe ist es möglich, eine böse "Helden"-gruppe ins Abenteuer zu schicken, es werden herrlich fiese Prestigeklassen und niederträchtige Zaubersprüche vorgestellt, Regeln für Drogengebrauch, Folter und Ritualmorde usw.
Innerhalb des fiktiven D&D-Universums hingegen ist besagtes Buch in etwa mit dem berüchtigten NECRONOMICON oder anderen übel beleumundeten Wälzern vergleichbar, so daß sich die neuste D&D-Verfilmung (erneut von Gerry Lively) zunächst in einer netten Animationssequenz seiner Entstehungsgeschichte widmet, derzufolge einst ein fieser Möpp von Zauberer den Tod dadurch austricksen wollte, daß er sein Blut plus Haut und Knochen zu besagtem Buch zerschreddern ließ, auf daß es fürderhin seine gesammelte Weisheit (und Boshaftigkeit) beinhalte. Das Fleisch ward im biblischen Sinne zum Wort - kein Wunder, daß die rechtschaffenen Götter ob solcher Blasphemie nach Zensur riefen (ähnlich wie einige irdische Tugendwächter nach Erscheinen der Spielhilfe) und die Knights of the New Sun zur Bücherverbrennung schritten.
Ein paar hundert Jahre später sind die Strahleritter jedoch zur Lachnummer heruntergekommen und werden von ein paar Strauchdieben dahingemetzelt, lediglich der Jungspund Grayson, der eben in den Orden aufgenommen wurde, überlebt die Schlacht. Sein Vater, ebenfalls ein Ritter, wurde entführt (die Beantwortung der Frage, wie ein Ordensmitglied, zu dessen Gelübde auch Keuscheit gehört, zu einem Sohn kommt überlasse ich fantasievolleren Zeitgenossen) und Sohnemann macht sich natürlich auf die Socken um ihn wieder zu befreien.
Der Reiz an dieser doch ziemlich abgeschmackten und vorhersehbaren Grundidee ist nun allerdings der, daß Grayson sich zum Erreichen seines Ziels mit so ziemlich dem übelsten Haufen an Schlagetots zusammentut, den man jemals in einem Fantasyfilm als Heldengruppe präsentiert bekam: ein sozialdarwinistischer Assassine, neben dem Nietzsche als Menschenfreund erscheint; eine extrem leckere gepiercte Gothicbraut mit Zauberkräften, die ihn schnell die Sache mit der Keuschheit verdrängen läßt - eine konsequente Weiterentwicklung der gefährlichen Verführerinnen, die in den besseren Filmen von Lively gelegentlich auftauchen, vgl. insbesondere "Innocence" aus SHATTERED LIES ; einen hühnenhaften Barbaren, der nach dem Drachenkampf im Bordell die Sau rausläßt (nackte Frauenbrüste inclusive!) sowie einen vor sich hinfaulenden Vermin-Lord, der Käfer und Gewürm aufhustet sowie hobbymäßig Pestilenzen verbreitet.
Nicht zuletzt an dieser sympathischen Figurenkonstellation liegt es, daß der Film trotz aller technischen Mängel (das Budget war wie beim Vorgänger nicht besonders hoch, entsprechend sparsam sehen die Sets, computeranimiertes Getier und die an Live-Rollenspieler erinnernden Komparsen aus) über die volle Laufzeit sehr unterhaltsam ist. Die relativ düstere Atmosphäre und einige Garstigkeiten wie das Zombiekind, das die Gruppe zwischendurch auf ihre Schlechtschaffenheit überprüft oder gar ein (allerdings schlecht getrickster) platzender Mensch, tragen ihr übriges dazu bei, daß DUNGEONS & DRAGONS - THE BOOK OF VILE DARKNESS sehr kurzweilig ausfällt - sofern man Zyniker und D&D-Fan ist.
Sieht man die Sache etwas kritischer, so muss man natürlich bemängeln, daß der negative Initiationsritus, der den etwas farblos bleibenden Grayson durch die Welt des Lasters führt und ihn alle Eide brechen läßt (weniger fantastisch, dafür auch weniger böse erging es auch dem Protagonisten in Lively's FINISH LINE) letztlich doch zum Guten führt, so daß er im arg überhastet wirkenden Finale dann doch endlich zum strahlenden Knight of the New Sun wird und blitzeschleudernd Licht ins Dunkel bringt. Entweder ist sein transzendenter und gleichgültiger Gott gar nicht sooo nett, wie die anderen Ritter glaubten oder aber - und dies ist angesichts amerikanischer Tagespolitik wahrscheinlicher - es soll auf diese Art und Weise dem Publikum vermittelt werden, daß der hehre Zweck die Mittel heiligt. Irgendwie wirkt es verlogen, wenn Grayson nach bestandenem Abenteuer verkündet, daß er nun wieder als tapferer Solarheinz durch die Lande ziehen will, um Gutes zu tun. "Wie langweilig!" kontert die sexy Hexy und als Zuschauer kann man da nur zustimmen!
Gerry Lively fühlt sich jedenfalls im D&D-Milieu nach wie vor ziemlich wohl und steckt erneut den wesentlich teureren Kinofilm von Courtney Solomon in den Sack. Trotzdem hätte ich dem BOOK OF VILE DARKNESS einen fähigeren Regisseur und ein größeres Budget gewünscht - es hätte das Potential zum Skandalfilm.