Jack & Diane sind ein Liebespaar – dass sie nicht hetero sind, ist aber im Film kein großes Problem - weil er ein typischer New York City Indie ist? Sie sind zwei junge Mädchen, ca. 12 / 14 / 16 (?) Jahre alt und werden von den ca. 22-jährigen Riley Keough und Juno Temple gespielt – doch im Widerspruch zu dem emanzipatorischen Befreiungsschlag der Figuren werden die zwei Stars dabei in enge Form gezwungen.
Denn Regisseur Gray wollte die Qualen und Verwirrungen ihrer Ersten Liebe darstellen. Gelungen!
Auch ich fühlte mich gequält! Selbst bei zweiter Sichtung. Die beiden Mädchen mussten durchgehend hilflos, verunsichert, gequält, übervorsichtig, wortkarg, depressiv, unglücklich, eingesperrt, unselbständig, autistisch-apathisch, selbstzerstörerisch, aggressiv, verunfallt auftreten… ihre Hauptthemen waren pissen, furzen, kacken und Nasenbluten – kein Scherz, rückblickend schienen mir die Gespräche meist darum zu gehen, aber nicht mit einem Zweck, z.B. dem Apatow-Humor, sondern einfach so, ohne Grund.
D.h. die Nasen bluteten tatsächlich ständig; bevorzugt bei Liebesszenen: offenbar ein Kunstgriff Grays, um jede Romantik abzutöten, den Figuren das Leben zu erschweren und im Film mit irgendwelchen RomCom-Klischees aufzuräumen. Ein anderer solcher Kunstgriff waren reinplatzende Verwandte: in Komödien nötig, wurden sie hier zur Qual. Warum keine Türschlüssel oder einfach die Tür blockieren? Doch so was Normales schien den „Kunst“Figuren fremd zu sein, obwohl sie ständig wie zwanghaft einen Krieg und Konfliktpotential mit Tante/Eltern heraufbeschwören mussten (und da wäre der erste Schritt doch das Tür versperren!): Abhauen, über Nacht wegblieben, masturbieren, Eltern beleidigen, zu zweit sein wollen – das letzte übrigens trotz gleichzeitiger Sexverweigerung: die Reaktion bei sexuellem Begehren: „Bist Du eine Schlampe?“ So sieht bei Gray das Straucheln erster Liebe aus.
Angesichts dieser Selbstzerstörung fragte ich mich irgendwann während des Films, ob Diane (Juno Temple) vielleicht geistig behindert ist. Oder nur einfach noch zu kindlich – so wie sie aussah? Der Film wollte sie zwar irgendwie nicht so darstellen, sondern als coole Mode-Designerin verkaufen, aber sie musste sich durchgehend beschränkt benehmen: in guten Momenten war sie bestenfalls kindlich-naiv-unbedarft. Eingeschränkt, evtl. traumatisch bedingt, wirkten beide.
Und falls ich noch nicht abgetörnt genug war: immer wieder haute Gray mir überraschenden, in Stop Motion animierten Body Horror ins Gesicht, als Symptom dieser extremen Liebe… genau, all die unterdrückten Gefühle (siehe oben: es läuft zwar nichts, das aber doch gewaltig), lassen nicht nur Nasenblut schießen, sondern es wuchern wurmartig Innereien und Silberzöpfe in grell-rotgoldenen Großaufnahmen durchs Bild, als sei Krebs (die Krankheit!) bei der Arbeit, alles in porno-großen Detailaufnahmen, und es platzen wiederholt widerliche Monster in den Film, die sich nach uferlosen Horrorszenen, Kannibalismus, Ekel, Geschrei usw. als Alpträume entpuppen – offenbar je heftiger, desto ungeschickter die wortlose „Liebe“ der Zwei abläuft.
Am Anfang eine kurze Szene der Hilfe und des Glücks: nach endlosem Schweigen in überlauter Disco knutschen sie endlich, sind also irgendwie „zusammen“; bis Jack (Riley Keough als ständig aggressiv inszenierter wortkarger Tomboy-Butch – okay, außer dem großen Monolog), mit ihrem ständigen Drang, Dianes besitzergreifende Tante zu provozieren und zu beleidigen, Dianes 3-fache Lügen auffliegen lässt: Diane hat verheimlicht, dass sie in einer Woche nach Europa abreisen muss; sie hat verheimlicht, dass sie Hausarrest hat; sie hat ihre völlig überrumpelte Zwillingsschwester bei Jack anrufen lassen und sich als Diane ausgeben lassen (was ja nur schiefgehen KANN: klar, dass Jacks Verlangen nach Telefonsex die Schwester überfordert – wieder höchste Pein für Jack und mich). Wie gesagt, Gray sucht kreativ nach Wegen, die Figuren lächerlich/unsympathisch zu machen und/oder scheitern und straucheln zu lassen.
Das alles ist schon unangenehm genug, lässt sich aber noch steigern: Dianes Schwester wurde, unter Drogen, in einem Date Rape Video missbraucht: auch das mussten wir uns ausführlich ansehen. Lecker! Folgerichtig heißt es im Film, Diane muss ihrer unselbständigen Schwester helfen; aber was präsentiert der Film als „Hilfe“? Dass Diane fort nach Europa geht! Logik, wo bist Du?!?!? Das Drehbuch brauchte wohl einen Grund, das Liebespaar zu trennen.
Es folgten noch unzählige Szenen gemeinsamen, angespannten, passiven
Rumhängens, überschattet von oder bildlich als Trennungsschmerz. Eine davon ist endlich (welche Erleichterung für mich!) der endgültige Abschied am Busbahnhof: Jack: „Ich muss auf Klo.“ Diane: „Warte noch, der Bus geht doch in einer Minute!“. Grays Beitrag für die Sammlung „Große letzte Worte“!