Review

„Der ehemalige Polizist Gorô gerät unwillentlich in die Auseinandersetzung um einen seltenen Baum namens Charisma. Während der junge Kiriyama den bedrohten Baum pflegt, glauben eine Botanikerin und die Forstbeamten, dass Charisma am ringsum herrschenden Zedernsterben schuld trägt. Gorô stellt sich auf die Seite Kiri-yamas und löst damit eine Kette von Ereignissen aus.“ (Moviemento.at)

Ein seltsamer Film!! Wahrlich!!
Aber irgendwie fantastisch. Der Filmgelehrte Olaf Möller schrieb über Charisma: "Charisma ist in seiner kinematographischen Fülle, der Sattheit seiner Farben, dem Volumen seiner Töne wie ein bioskopisches Ölgemälde." Irgendwie richtig und trotzdem kein Film, den ich mir regelmäßig anschauen wollte, obwohl der einmalige Genuss mit Sicherheit nicht ausreicht.

Kiyoshi Kurosawa ist immer wieder beschäftigt mit Naturkräften, physikalischen Phänomenen und biologischen Prozessen, wobei er die mysteriöse Seite dieser doch alltäglichen Dinge gerne beleuchtet und i.d.R. höchst unheimlich inszeniert (vergl. CURE oder KAIRO). So auch hier: Der Film verstört, wirft Fragen auf, irritiert, belustigt teilweise sogar, um dann im nächsten Augenblick mit dem Kurosawaschen Inszenierungstechniken für eiskalte Schauer auf dem Rücken zu sorgen.

Die Darstellerriege wird angeführt von Koji Yakusho, der seinen Charakterkopf schon für etliche Kurosawa-Filme (DOPPELGÄNGER, CURE, KAIRO, SEANCE) zur Verfügung stellte, aber auch anderen bekannten japanischen Filmen wie EUREKA oder UNAGI (Der Aal) zum Erfolg verhalf. Yakusho spielt facettenreich und glaubwürdig. Allein die Anlage der Rolle verstört: Genügt dem Stadtpolizisten Gorô doch ein Erlebnis bei einer Geiselnahme, bei der der Kidnapper die Wiederherstellung der Weltregeln forderte, um seine Familie und die gesamte Zivilisation zu verlassen und fortan als Vagabund (aber immer noch im Stadtdress) im Wald zu leben. In eben diesem Wald trifft der Polizist auf den Wächter des ersten Charisma-Baumes, auf eine Botanikerin, auf deren scheinbar verwirrte Schwester und auf militante Förster, der Ziel es ist, Charisma zu zerstören.

Alles dreht sich in CHARISMA um die Frage von Leben und Zerstörung, dies natürlich symbolisiert durch den Baum Charisma, der zum eigenen Überleben, alles Leben um sich herum vernichtet. Bei der Erforschung dieser Frage, der Hintergründe von Charisma und der Frage, was wichtiger ist: Das Individuum oder die Gesamtheit des Bio-Systems wirkt Gorô wie ein Getriebener. Permanent entwickelt er neue Kontakte zu skurrilen Menschen im Wald, die alle ein Ziel haben: Charisma. Entweder dessen Tod oder sein Weiterleben.

Die seltsame Atmosphäre wird noch deutlich unterstützt durch den bizarren Soundtrack. Z.T. erlebt der geneigte Zuschauer und Baumfreund tiefes Bassgewummer, dann wiederum bizarre Choräle á la György Ligeti um schließlich sogar vor fröhlicher, tanzbarer Gitarrenmusik nicht halt zu machen. Manchmal unterstützen die Noten die Bilder, nicht selten aber auch konterkarieren sie das Geschehen.

Mit laufender Spielzeit wird der Film dann immer kryptischer, so dass man viel Geduld und einiges an Interpretationswillen mitbringen muss, um folgen zu können. Mit Sicherheit kein Film, der sich einem auf Anhieb erschließt, sondern nach zwei oder drei Anschauungen förmlich schreit.

Leider gibt es noch keine Veröffentlichung, die auch englische Untertitel aufweist, außer die sehr teure Japan-DVD. Trotzdem sei jedem Fan des seltsamen Films zur Anschaffung geraten, jedoch entferne man sich bei der Erwartungshaltung von bekannten Filmen wie CURE oder KAIRO.

Mirco Hölling (18.05.2004)

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