„Odyssee nach Sha-Ka-Ree - die Irrfahrt des Captain Kirk"
Das fünfte Kinoabenteuer des Raumschiffs Enterprise gilt vielen Fans als Tiefpunkt der Serie. Und auch William Shatner, der sich so sehr auf seine erste Regiearbeit gefreut hatte, zeigte sich in der Rückschau enttäuscht vom Endprodukt. In beiden Fällen wird häufig dem sowohl tricktechnisch wie auch seitens des Drehbuchs völlig misslungenem Finale die Hauptschuld gegeben. Ein schwacher Anfang wäre wohl eher zu verschmerzen gewesen, aber da gibt sich „Star Trek V - Am Rande des Universums" nicht die geringste Blöße, im Gegenteil.
Es ist schade, dass Shatner bei seinem Kino-Regiedebut (1) mit einem schwachen Skript und einem zu schmalen Budget herumschlagen musste, denn schon der Auftakt zeigt sein visuelles Gespür für atmosphärische und dramatische Bilder. Im Gegenlicht der Wüstensonne des trostlosen Planeten Nimbus III erscheint ein geheimnisvoller Reiter, der sich als sehr emotional auftretender, hypnotisch begabter Vulkanier entpuppt. Nach diesem geschickt für Spannung und Neugierde sorgenden Beginn dröhnt Jerry Goldsmiths Star Trek-Thema geradezu euphorisch zu den Anfangscredits, um dann zu einem Panoramashot des Yosemite National Park überzublenden, in dem Kirk den El Capitan erklimmt. Auch schafft Shatner in nur wenigen Minuten eine dichte Atmosphäre, diesmal die der frotzeligen Freundschaft zwischen dem Führungstrio Kirk, Spock und McCoy. Wie die drei abends am Lagerfeuer campen und Spock beinahe verzweifelt versucht den Sinn hinter dem von den beiden anderen intonierten Kinderlied „Row, Row, Row Your Boat" zu entschlüsseln, ist einer der witzigsten und trefflichsten „Beziehungs-Momente" der Filmreihe.
Shatner zeigt also schnell nicht nur bemerkenswertes handwerkliches, sondern auch dramaturgisches Geschick und übertrifft damit sogar seinen Vorgänger und Schauspielkollegen Leonard Nimoy, der mit „Star Trek IV" eine mehr als solide Leistung abgeliefert hatte. Etwa bis zur Filmmitte kann Shatner des hohe Niveau halten. Zügig und zielgerichtet entwickelt er den Haupt-Plot um Syboks Plan ein Raumschiff zu kapern, mit dem er die „Final Frontier" der Galaxis durchbrechen will, hinter der er den von Gott bewohnten Planeten „Sha-Ka-Ree" sucht. Als die Enterprise auf Nimbus III geschickt wird um Syborgs Pläne zu vereiteln, geraten Kirk und seine Mannen in einen Hinterhalt und damit in Gefangenschaft. Sybok hat nun sein Raumschiff und schickt sich daraufhin an, auch die Besatzung der Enterprise im Sinne seines Vorhabens gefügig zu machen. Höhe- und Schlusspunkt der schwungvollen und flott erzählten ersten Hälfte ist dann der Angriff auf Syboks Hauptquartier, den Shatner als actionreiches, mit klassischen Westernmotiven versetztes Bewegungskino inszeniert. Ab da geht es dann leider abwärts.
Just mit Syboks Ankunft auf der Enterprise beginnt die bis dahin bestens geölte Trek-Maschine zu stottern und passend zur inhaltlichen Fahrt ins Ungewisse zunehmend an Orientierung und Fokussierung zu verlieren. Shatner wird hier sukzessive von Buch und Buchmachern im Stich gelassen und verliert auch inszenatorisch immer mehr den Faden. So schlägt der bis dato spannend-luftige Ton unversehens in schwerfällige Düsternis um, als Sybork versucht Spock (seine Geburt) und McCoy (Tod des Vaters) mit ihrem persönlichsten Schmerz zu konfrontieren, um sie emotional zu „befreien". Diese Szenen wirken vor allem befremdlich und wie dramaturgische Fremdkörper. Vollends aus dem Ruder läuft „Star Trek V" dann mit der Ankunft auf Sha-Ka-Ree. Schon der Flug durch die Barriere lässt Schlimmes vermuten, wartet er doch mit ärgerlich schlechten Spezialeffekten auf, die Erinnerungen an die TV-Serie wachrufen. Nur hatte diese deutlich schlechtere finanzielle Möglichkeiten war über 20 Jahre alt.
Als Sybok, Spock, Kirk und McCoy endlich dem gesuchten Wesen begegnen implodiert der Film dann krachend und das nicht nur visuell, sondern auch narrativ. Die vier mit einer riesigen weißen Rauchwolke zu konfrontieren, aus der sie ein betagter Rauschebart anspricht hätte man einem 50er Jahre Bibel-Schinken noch verziehen, in einem Science Fiction-Film von 1989 wirkt das aber nur lächerlich. (2) Zu der im Vergleich mit den Weltraumszenen dilettantisch anmutenden Effektarbeit gesellt sich also auch noch eine erschreckende Einfallslosigkeit bei der Visualisierung von Gott. Dass dieser dann lediglich ein böses Energiewesen ist, dass von dem Planeten entkommen will, zieht dem zuvor aufgebauten, ohnehin schon recht klapprigen philosophischen Gerüst endgültig den Boden unter den Füßen weg. Hier verärgert nicht nur die banale Auflösung, auch die allzu offensichtliche Aufwärmung des ebenfalls schon wenig geglückten Finales von „Star Trek" stößt sauer auf.
Man merkt hier deutlich, dass der letzte Akt ein fauler Kompromiss zwischen Studio und Shatner war, dem ein ganz anderes und vor allem wesentlich teureres Ende vorgeschwebt war. (3) Nach dem in jeder Hinsicht desaströsen Höhepunkt bekommt Shatner zumindest noch ein paar Minuten zugestanden, um etwas von dem starken Auftakteindruck zu retten. Eine Chance, die er zu nutzen weiß. Die Rettung Kirks ausgerechnet durch seine klingonischen Erzfeinde ist ein gelungener Einfall, den er mit der visuellen (als die Bird-Of-Prey urplötzlich und überlebensgroß vor Kirk auftaucht) und erzählerischen (einer trockenen Flapsigkeit zwischen Kirk und Spock) Chuzpe der ersten Filmhälfte serviert. Am Ende campieren die drei Freunde dann wieder im Yosemite Park und intonieren fröhlich „Row, Row, Row Your Boat".
„Star Trek V" ist so gesehen ein etwas tragischer Fall. William Shatner war beseelt endlich Regie führen zu dürfen (4), strotze vor Ideen und Tatendrang und erwies sich als kompetenter Regisseur mit viel Gespür für Optik und Dramaturgie. Paramount und Gene Roddenberry lehnten allerdings seine Vorschläge für das „Sha-Ka-Ree"-Finale ab, was dem Film enorm geschadet hat und letztlich für seinen schlechten Ruf verantwortlich zeichnet. So zerfällt der Film in zwei Hälften, von denen die erste überdurchschnittlich, die zweite aber eben leider unterdurchschnittlich ist. Die Suche nach Gott ist schon kein sehr origineller Einfall, die letztendliche Umsetzung dann aber einfach nur schlecht. Banal, lächerlich und enervierend schwach getrickst, bricht das so clever aufgebaute Spannungs- und Erwartungsgerüst mit Warp-Geschwindigkeit auseinander. Schade um die über weite Strecken schwungvolle Inszenierung, die zudem ein paar großartige Star Trek-Momente bereit hält.
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(1) Er hatte bis dahin lediglich ein paar Folgen der TV-Serie T.J. Hooker inszeniert.
(2) Hier erwies sich die Absage von ILM als fatal und die Aushilfslösung eines TV-Werbefilmers als wenig geglückte Sparmaßnahme.
(3) Er wollte die Crew anstatt mit Gott mit dem Teufel und der Hölle konfrontieren und die Wechselbeziehung zwischen Gut und Böse heraus arbeiten. Außerdem wollte er eine Armee an „Felsbrockenmenschnen" auf Kirk und Co. los lassen. Letztlich scheiterte dann das meiste an der Finanzierung der nötigen Spezialeffekte.
(4) Eigentlich wäre er schon bei „Star Trek IV" an der Reihe gewesen, aber aufgrund seiner Verpflichtungen bei der TV-Serie „TJ Hooker" durfte Kollege Leonard Nimoy ein zweites Mal ran.
(Vgl. dazu, Shatner, William, Durch das Universum bis hierher, Berlin 2009, S. 256-264)