Review

Gestern Abend war beim Kollege noch Filmgucken angesagt. Normalerweise bringe ich aus meiner weitreichenden Sammlung eine großzügige Auswahl mit, diesmal hieß es jedoch „Nein, brauchste nich, ich habe ein Online-Abo," (hier jetzt nicht namentlich genannt), „die haben massig Auswahl." Naiv von mir, da ließe sich viel Gutes finden. Nach ewigen Gescrolle durch den Mainstream-Brei von heute - fast hätte ich aufgegeben - sind wir auf „Savages" von Oliver Stone gestoßen. Prima, dachte ich, kannte ich immerhin noch nicht und ist von einem durchaus etablierten amerikanischen Filmemacher. Abendfüllende Laufzeit, Gangster, wunderbar, los ging‘s.
War - wie konnte ich auch was anderes denken, trotz des Regisseurs - ein Fehler, der Film stellte sich nämlich als Griff in den Lokus heraus. „Realistisch recherchiert" las ich hier irgendwo? Oha. Eine Menage-a-trois mit drei noch relativ jungen Leuten (einer f*ckt, einer macht Liebe, klare Rollenteilung hier) in ner Villa in Laguna Beach, steinreich durch global-florierenden Marihuana-Handel und einem Endlos-Netzwerk an Vertreibern, Computergenies, korrupten FBI-Männern und Ex-Seals. Klar, gibt's ständig. Als ich letztes Jahr in L.A. war, sind mir solche Leute auf dem Highway 1 andauernd im Gegenverkehr begegnet. Und von der vermeintlich lasziven Blake Lively sieht man natürlich nichts. Soviel zur Ausgangssituation.
Die darauf folgende Geschichte wird von der Lively im Off begleitet, an sich ein nettes Stilmittel auch für Gangsterfilme, hat uns allerspätestens Joe Pesci in „Casino" hinreichend bewiesen. Nur konnte man da glauben, dass es auch der gleiche Joe Pesci war, der auch im Film ´ne Hauptrolle spielt. In „Savages" kamen mir Erzähler und die blonde, shoppingwütige Gazelle namens „O" wie zwei verschiedene Personen vor - die Erzählerin voller rhetorischer Eleganz mit allem Tamtam der Beschreibungs- und Umschreibungskunst, die Frau im Film dumm wie ein Eimer Sand.
Wie dem auch sei erstmal. „Savages" versucht natürlich gleich einzuschüchtern. Dafür gibt's direkt zum Einstieg an die beiden Dope-Könige von Laguna eine hässliche Videobotschaft per Email vom Kartell aus Tijuana (der Name ist mir schon wieder entfallen) mit abgesägten Köpfen und herumhängenden Leichen. Man möchte doch zu gerne mit den beiden Herren des Trios ins Geschäft kommen und so wie im Video soll es nicht ausgehen, grüßt man aus Mexiko. Der eine der beiden Empfänger, der für den pornowürdigen Geschlechtsverkehr bei „O" zuständig ist, ist ein knallharter Ex- Soldat mit Afghanistan-Erfahrung, Narben, Glatze und Pi-Pa-Po, natürlich weniger fürs Denken und mehr fürs Grobe da (passend), während der Liebemacher natürlich das Brain und Botanikgenie abgibt, sonst aber nicht gerade der Hartgesottene ist. Dass in der Dreiecksbeziehung durch die Bank weg das eigene Produkt konsumiert wird, tut dem Erfolg des Geschäfts komischerweise keinen Abbruch. Egal, Kleinigkeiten. Man verweigert dem Kartell, welches übrigens von Salma Hayek (wer sieht die nicht gerne bei heißem Wetter) geführt wird, die Konditionen der Kooperation, und schon gibt's Ärger. „O" wird prompt entführt, und die Spirale der Gewalt beginnt sich zu drehen...
Blablabla. Dass das mit jeder Minute dämlicher wird, sei allein dadurch beschrieben, dass die hohle Figur der „O" binnen weniger Filmminuten den Aufenthaltsort vom düsteren Schlachterkeller (in dem meiner Vermutung auch Eingang beschriebenes Video gedreht wurde, zumindest siehts da sehr ähnlich aus), in dem man sie gefangen hält, zum Esstisch der Kartellchefin zusammen MIT (!) der Kartellchefin wechselt - welch ein Aufstieg für eine Geisel, und das nur weil sie nicht mit ihrer Winselei nach Mami aufhört. Da fühlt sich die knallharte Drogenkönigin natürlich gleich erweicht, wird ihr doch die Zuneigung der eigenen Tochter aus beruflichen Gründen verweigert. Sicher doch. Bleibt kurzerhand noch das Finale zu erwähnen, in dem dieses für mich totaaaal unsägliche Stilmittel angewandt wird: Szene läuft, man ahnt nix, Geballer, Tote, Drama und schwupp - wird zurückgespult mit Livelys Worten „so hab ich es mir vorgestellt, Achtung so wars wirklich". Entschuldigung, das mag ich gar nicht. Ich verschließe mich modernen Techniken des Filmemachens gewiss nicht pauschal, aber genau in diesem Film hat`s leider gar nicht gepasst. Kling platt? Genau. Lässt sich im Übrigen über den ganzen Film sagen. Hätte ich von Oliver Stone so nicht gedacht, auch wenn mir der für manche ja legendäre „Natural Born Killers" auch schon nicht wirklich gefallen hat, erwarte ich von ihm doch trotz Vorwarnung wenigstens ein bisschen Niveau. „Savages" hingegen ist, hier jetzt nochmal kurz und bündig ziemlich platt, ein klischeebeladener und banaler Actionfilm mit wenig Charakterzeichnung und noch weniger Atmosphäre. Hartes Urteil, weiß ich, aber dieser moderne Schwachfug hat mit den klassischen, vergleichbaren Filmen der 70er, 80er oder 90er nichts zu tun. Da können auch John Travolta und Benicio Del Toro nichts mehr retten. Letzterem, der ja in keinem solcher Filme fehlen darf, wird sogar relativ viel Spielraum eingeräumt, was mich daran hindert, hier eine 1/10 zu vergeben. Die Filmmusik? Nicht unbedingt verkehrt, aber unpassend. Klingt nach für junge Leute attraktiv gemacht.
Also, Empfehlung fällt aus. Sorry übrigens, ich wollte mich a) öfter und b) nur noch zu Filmen aus den goldenen drei Dekaden zu Wort melden. Hab beides vermasselt, tut mir Leid. Ich geh´ jetzt noch `ne Folge Miami Vice gucken - hätt´ ichs doch auch gestern Abend gemacht.

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