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Nachdem er gerade erst einen Fall in Istanbul aufgeklärt hat, tritt der berühmte Meisterdetektiv Hercule Poirot auf Drängen seines alten Freundes Wolfgang Bouc die Rückreise nach London im just wieder in Betrieb genommenen Orient-Express an. Während der Fahrt wird Poirot von dem zwielichtigen Geschäftsmann Ratchett angesprochen, der seit einiger Zeit Mord-Drohungen erhält und der den Detektiv deshalb engagieren will, was dieser jedoch ablehnt. Kurz darauf wird Ratchett jedoch tatsächlich tot in seinem Abteil aufgefunden... ermordet durch neun Messerstiche, die allesamt auf unterschiedliche Art und Weise ausgeführt wurden. Da der Zug aufgrund einer Geröll-Lawine momentan festsitzt und man warten muss, bis die Schienen freigeräumt sind, wird Poirot von Bouc gebeten, sich der Aufklärung des Falls zu widmen, damit man bei der Ankunft in Bukarest der dortigen Polizei den Täter übergeben kann. Wie sich herausstellt, handelte es sich bei Ratchett in Wahrheit um den Mörder der kleinen Daisy Armstrong, deren Fall monatelang in den amerikanischen Medien breitgetreten wurde und der von der Justiz nicht für seine Tat zur Verantwortung gezogen wurde... und tatsächlich scheinen sämtliche anwesenden Passagiere an Bord des Orient-Expresses eine Verbindung zur Familie des Mädchens und damit auch ein erstklassiges Mordmotiv gehabt zu haben... Man muss sie nicht einmal wirklich mit Sidney Lumets 1974er-Verfilmung oder Kenneth Branaghs Version von 2017 - beide Star-besetzt und wunderbar ausgestattet - vergleichen, um schnell zu merken, dass Carl Schenkels vorliegende TV-Adaption der Agatha Christie-Vorlage bestenfalls fade und glanzlos geraten ist: Die Verlegung der Handlung in die Gegenwart des Jahres 2001 hat dem Stoff an sich nämlich nicht unbedingt gut getan, der leicht antiquierte Charme des klassischen Whodunit?-Ratespiels ist durch die Einbeziehung moderner Technik (wie etwa Poirots Internet-Recherche per Laptop!) weitestgehend flöten gegangen und der Orient-Express selbst hat auch nie weniger luxuriös gewirkt und mehr nach gewöhnlicher S-Bahn ausgesehen als hier. Leider hat die als bekannt vorauszusetzende Geschichte die Übertragung in ein Fernsehfilm-Korsett auch nicht ohne Blessuren überstanden, denn sicherlich aus Gründen der Kosten-Ersparnis wurden die im Original zwölf Verdächtigen hier auf neun Personen reduziert, womit der eigentlich für die Motivation so eklatant wichtige "Geschworenen"-Aspekt, der den Mord zwischen den Zeilen als Akt der Gerechtigkeit kennzeichnet, völlig unter den Tisch fällt. Carl Schenkels Inszenierung wurschtelt sich derweil in einer billig anmutenden Optik durch eine Verdächtigen-Befragung nach der anderen, was ohne Witz und Verve der Kino-Adaptionen daherkommt und einen ziemlich anödet, obwohl das Ganze rein Laufzeit-mäßig schon erheblich knapper bemessen ist und in weniger als 90 Minuten den Abspann erreicht... luschige Regie-Mätzchen wie hochgespeedetes Kamera-Geswooshe mit den dazu passenden Soundeffekten auf der Tonspur lockern die Angelegenheit da auch nicht mehr auf, sondern verbreiten lediglich ein billiges Flair und lassen einen diesen "Mord im Orient Express" eher als Produkt seiner Zeit für immer in den frühen 2000ern vororten. Irgendwie am enttäuschendsten jedoch: Vergleicht man Alfred Molinas Darstellung des belgischen Detektivs mit den Auftritten jener namhaften Akteure, die zuvor und danach diese Rolle gespielt haben (sprich: Albert Finney, Peter Ustinov, David Suchet und sogar Kenneth Branagh), dann ist sein Poirot mit absoluter Sicherheit der langweiligste und gewöhnlichste von allen und keinesfalls erinnerungswürdig! Fazit: Für diese Zugfahrt muss man kein Ticket lösen...

4/10

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