Nachdem sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter die Fliege gemacht haben (letztere hat ihr immerhin einen Brief mit einhundert Dollar zurückgelassen), lebt die fünfzehnjährige Molly (Donna Wilkes) allein in Los Angeles. Sie besucht eine High School, verhält sich ruhig und unauffällig, und sammelt gute Noten. Allerdings kostet das Leben in der Stadt der Engel Geld, und so geht Molly nachts unter dem Decknamen Angel am Hollywood Boulevard auf den Strich (der Werbespruch auf dem genialen Poster tönt treffend: "High School Honor Student by day. Hollywood Hooker by night."). Während sie in der High School eine Außenseiterin ist und den Kontakt mit ihren Mitschülern auf das Nötigste beschränkt, hat sie unter den Nachtschwärmern einige Freunde gefunden, wie z. B. den alten Filmcowboy Kit Carson (Rory Calhoun), den Transvestiten Mae (Dick Shawn), und die lesbische Künstlerin Solly (Susan Tyrrell). Als ob das Leben noch nicht schwierig genug wäre, macht auch noch ein nekrophil veranlagter Serienmörder (John Diehl) den Hollywood Boulevard unsicher, der sich seine Opfer ausgerechnet aus Mollys Freundeskreis sucht.
Wow! Der Mann hinter diesem Relikt aus den 1980ern heißt Robert Vincent O'Neill, und er ist kein unbeschriebenes Blatt, hat er doch Jahre zuvor bereits mit Filmen wie The Psycho Lover, Blood Mania und Wonder Women mehr oder weniger sleazige B-Ware abgeliefert. Interessanterweise ist Angel weit weniger schmierig als erwartet, und das, obwohl die Geschichte eigentlich eine Steilvorlage für einen immens schlüpfrigen Exploitationkracher bietet. Eine minderjährige Prostituierte, ein irrer Killer, jede Menge bizarre Charaktere... daraus hätte man weiß-Gott-was machen können. Doch O'Neill ist nicht "man", und was er daraus gemacht hat wird wohl dafür gesorgt haben, daß so einige Zuseher völlig belämmert aus der Wäsche geguckt haben. Angel ist ein aus heutiger Sicht kaum erklärbares Exploitation-Märchen, das in verschiedenen Genres wildert und die geschossenen Zutaten auf gut Glück vermengt, wodurch der Streifen relativ unentschlossen mal in die eine, mal in die andere Richtung kippt. Innerhalb weniger Minuten pendelt Angel voller Enthusiasmus zwischen Thriller, Komödie, Krimi, Exploitation und Drama. Inwieweit das alles ernst gemeint ist, wage ich nicht zu beurteilen... aber es ist mir nicht möglich, Angel ernst zu nehmen, und vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, daß der Film so unverschämt gut unterhält. Unsterblich wird der Streifen dann gegen Ende, als sich der Killer die Haare abrasiert, sich als Hare Krishna (!) tarnt, und auf die Jagd geht. Daß Molly/Angel dann im gelungenen Finale mit grandiosem Jetzt-reicht-es-aber-du-Arsch-Gesichtsausdruck mit gezogener Waffe den menschenüberfüllten Hollywood Boulevard durchstreift und ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegend ballert, ist nur das Tüpfelchen auf dem "i". Die 15jährige Molly/Angel wird gespielt von der 24jährigen Donna Wilkes, die ihre Sache ziemlich gut macht und recht sympathisch rüberkommt, auch wenn sie klar im Schatten ihrer Kollegen steht, die in ihren schrillen, überzeichneten Rollen offensichtlich viel Spaß hatten. Den Titelsong Something Sweet besorgten The Allies, und der paßt zum Film wie die Faust aufs Auge. Trotz des in viele Klischeenäpfchen tappenden Drehbuchs ist Angel schräge Unterhaltung mit dieser speziellen, unnachahmlichen 80er-Jahre-Atmosphäre. Hat mir sehr gefallen, ja, und ich fühle mich nicht einmal schuldig dabei. Da dem Film überraschender Erfolg beschieden war, ging Angel in Serie, und es folgten Avenging Angel (Angel kehrt zurück, USA 1985, Regie: Robert Vincent O'Neill, mit Betsy Russell als Molly/Angel), Angel III: The Final Chapter (Angel 3 - Die Suche, USA 1988, Regie: Tom DeSimone, mit Mitzi Kapture als Molly/Angel), und Angel 4: Undercover (L.A. Angel - Deadly Revenge / Undercover Angel, USA 1993, Regie: Richard Schenkman, mit Darlene Vogel als Molly/Angel).