Ein Aufklärungs-, Lehr- und Propagandafilm: Warum mir THE WATCH suspekt ist.
*** Achtung, durchgehend Spoiler! ***
Produkt-Placement der aufdringlichen Art ist man zwar gewöhnt, THE WATCH erreicht aber besonders nervige Höhen. Zur Beschreibung des Vorzeigebürgers Evan als engagiert, freundlich, diensteifrig, unrassistisch gehört vor allem, dass er ausgezeichneter Filialleiter des Großhändlers "Costco" ist. Wo dann auch noch das (grünblutige) Finale spielt. Denn auch das Alien weiß und wirbt: "Costco hat alles, was wir Aliens brauchen: unter einem Dach!". Und so wird sich Costco dann auch wie "Phönix aus der Asche" neu erheben. Dagegen fiel die übrige Werbung kaum noch auf, auch wenn zwei Firmen im selben Satz fallen, Zitat: "relaxtheback.com is like Toys 'R' us" for your back", und natürlich dient "Facebook" zum Überwachen der Familie.
Schlimmer noch als die Reklame sind die vier Hauptfiguren, wahlweise unsympathisch oder beunruhigend. Angesichts von Nachbarn mit solchen Obsessionen würde sogar ich gleich die Polizei rufen (*): ständig Bier saufend, gern auch im Auto; fanatischer Ordnungswahn; Liebe zur Selbstjustiz; Waffensammlung amokbereit unter'm Kinderbett; zum Spaß schießen unsere "Helden" die Traktoren, Heuballen und Schuppen der benachbarten Landwirte in Fetzen; Bob sieht als seine vordringliche Aufgabe, die Entjungferung seiner Tochter zu verhindern, egal wie viele Aliens gerade auf 'Nachbarn abhäuten!-Tour' sind - entsprechend predigt er seiner Tochter "Sex is for love", nachdem er sie im Internet stalkte; Evan geht lieber auf Nachbarschaftspatrouille statt mit seiner Ehefrau zu reden oder zu schlafen (der Grund wird später erklärt, doch das lässt ihn auch nicht besser aussehen). Das riecht auf den ersten Blick nach spaßiger Satire ("Seht her, so verrückt sind diese irren Nachbarschaftsvigilanten!") doch auf den zweiten Blick meint THE WATCH das aber durchaus ernst, gelten diese bedenklichen Eigenschaften als Teil eines obskuren "Werte"systems, das uns THE WATCH andient.
Denn der Film belohnt ihren Law and Order-Wahn, indem er ihnen permanent Recht gibt - es gibt tatsächlich eine Alien-Invasion, ohne jeden Zweifel, da herrscht ironiefreie Zone. Und die Tochter soll tatsächlich entjungfert werden, gegen ihren Willen - also setzt auch hier der Film den paranoiden Vater ins Recht. Anfangs, auch im Trailer, suggeriert THE WATCH dem Zuschauer noch, dass er das Thema "übereifrige Bürgerwehr", "Sicherheitswahn" und "Selbstjustiz" ironisch in Frage stellt - eine solche Satire war MEINE TEUFLISCHEN NACHBARN, mit ähnlichem Thema, doch ohne Scheinmoral und Oberlehrer-Unterton - doch statt Ironie wird bei THE WATCH durch die Hintertür die Selbstjustiz hochgejubelt.
Rasch wird als "peinlich" dargestellt, wie wenig sich die Mehrheit der Bürger an einer Bürgerwehr beteiligt. Auch die Opfer der Aliens wählen die Autoren mit moralischem Anspruch: niedergemetzelt und abgehäutet werden harmlose Kleinkriminelle, unmittelbar im Anschluss an ihr unmoralisches Tun: ein eierwerfender, minderjähriger Skater, ein nachlässiger, nicht-weißer Wachmann (den es auch noch nach US-Bürgerrechten verlangte!). Wie die Teenager im HALLOWEEN-Genre, die vom Drehbuch geopfert werden, weil sie so was Sittenwidriges wie vorehelichen Sex haben.
Wenn aber unsere Helden sich amoralisch benehmen, so soll das Spaß bereiten, ihnen und uns Zuschauern, nicht nur wenn sie Kühe in die Luft jagen, oder Kinder fangen und verhören (einer der besten Dialoge!). Sogar ihre Leichenschändung eines Kriegsgegners bejubelt THE WATCH mit dem Rock-Klassiker "Centerfold". Soll so das Publikum an die Kriegsgreuel des 21. Jahrhunderts gewöhnt werden? Denn bei den Auslandseinsätzen unserer glorreichen Armeen sind Leichenschändung und Gefangenenfolter kein seltener Kollateral"schaden" (für's Image). Und THE WATCH scheint sich eindeutig einen Erziehungsauftrag gesetzt zu haben: Zuerst zeigt er vier Deppenfiguren, deren Einfalt und Unreife sie den Zuschauern sympathisch machen sollen - wohl weil der angestrebte Zuschauer dieser Filme ähnlich ist wie die Vier: männlich, jung bis mittelalt, halbgebildet, frustriert, impotent, unzufrieden mit Leben/Ehe/Rolle und: Sie denken mit dem Schwanz. Doch als diese Buben dann in den Krieg ziehen, kommt es zu einer Läuterung: "Aliens" (übrigens englisch für "Ausländer") mordend und tötend werden sie zu "verantwortungsbewussten" (suggeriert der Film) "Männern". Das Familienleben ist wieder intakt, und Mr. Aggro Waffensammler wird endlich sogar von den echten Cops aufgenommen.
Und lest jetzt noch die "externe" Review von "Artechock"!
(*) Doch Polizei rufen würde ich in diesem Ort auch nicht empfehlen: Sie lässt die selbsternannten Ordnungshüter als "super weird joke" einfach gewähren, als vermeintlich harmlos weitermachen.