FAZIT:
Unterhaltsam und hochwertig produziert, aber leider nichts Neues und für das Niveau von Hawking sogar enttäuschend
Man muss zunächst mal 2 Dinge unterscheiden: Erstens den ehemals nur in Fachkreisen bekannten Physiker Stephen Hawking und seine bahnbrechenden Arbeiten rund um schwarze Löcher (Stichwort „Hawking Strahlung“) die allerdings auch schon ein paar Jahrzehnte her sind. Zweitens den Medienhype um ihn als Person in Verbindung mit seiner bedauernswerten Krankheit ALS. Mit seinen populärwissenschaftlichen Büchern, Vorträgen und Dokumentationen bedient er natürlich bewusst das letztgenannte Phänomen und die Erwartungen der dortigen „Laien“ auf einfache Antworten auf eigentlich schier unbeantwortbare Themenkomplexe.
Auf Basis weitestgehend gesicherter Erkenntnisse verlässt in diesen Publikationen auch mal gerne den Boden bislang bestätigter Tatsachen und formuliert aus seiner sehr wissenschaftlichen und persönlich geprägten Sicht eines Physikers, seine Sicht der Anfänge der Existenz, den sich daraus ergebenden Sinn des Lebens oder die Möglichkeit der Existenz eines Gottes und ähnliche Themen. So auch in der populärwissenschaftlichen Dokumentation GROSSER ENTWURF zu seinem Buch Bestseller DER GROSSE ENTWURF.
Obwohl ich alle populärwissenschaftlichen Bücher von Hawking kenne und meist schätze, hat mich persönlich DER GROSSE ENTWURF als Buch weitgehend enttäuscht. Wurden dort in 130 von 180 Seiten nur Grundlagen der Relativitätstheorie und Quantenmechanik wiederholt, hat er uns im Schlussteil auch keine neuen oder eigenen Ansätze präsentiert, sondern nur solche, die man von anderen Autoren schon kennt. Es gibt eine ganze Reihe von Autoren die diese Themen deutlich anschaulicher unters Volk gebracht haben.
In der vorliegenden Blu-ray/DVD gibt es eine Art best-of Potpourri rund um bekannte wissenschaftliche Themen und Hawking versucht sich in den Randgebieten zu profilieren. Er bringt aber keinen eigenen oder unverwechselbaren Beitrag und verbleibt der Eindruck, hier nur die Marke „Hawking“ für eine durchwachsene Dokumentation genutzt zu haben. STEPHEN HAWKINGS UNIVERSUM war da noch etwas besser gelungen. Für unerfahrene und jüngere Neulinge in den Gebieten und für den Schulunterricht in den mittleren Bildungsstufen kann die Dokumentation sicherlich hilfreich sein. Gelungen sind das sehr gute Bild in HD-Qualität (Blu-ray) und die räumlich wirkenden Animationen, die wirklich zur Unterhaltung und gezielten Informationsübermittlung beitragen konnten, aber oft ein wenig zu redundant in genau gleicher Weise über die Episoden hinweg eingesetzt wurden. Auch die begleitende Musik kommt manchmal zu prägnant oder vordergründig dramatisch daher.
Die Hawkings Sprachcomputer nachahmende, eingedeutsche und elektronisch verfremdete Stimme ist allerdings lächerlich, total daneben und völlig überflüssig. Dieser Mickey Mouse Effekt verdirbt den Charme des viel eindrücklicheren und authentischen Originals. Zum Glück kommt dies nicht zu oft in den einzelnen Episoden vor. Zudem wir sehr oft in der gleichen Weise auf sein Gesicht und Auge gezoomt was irgendwann sehr öde ist. Es gibt 3 Teile der Dokumentation mit je rund 45 Minuten die unten kurz beschrieben werden:
1 - WIE DAS UNIVERSUMS ENTSTAND
Hier bewegt sich Hawking noch auf Heimspielebene und er kann aus seinen reichhaltigen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz schöpfen. Es fällt allerdings die anfangs recht klar geäußerte Haltung gegen die Religion auf und er beschreibt auch seine persönlichen Erfahrungen mit der Kirche. Inhaltlich geht es über die Eigenschaften von Naturgesetzen und dem anfänglichen Vorgehen der Kirche gegen sie und den verschiedenen Weltbildern im Laufe der Geschichte. Einstein und die Relativitätstheorie werden ebenso kurz beleuchtet wie seine Definition des Urknalls.
Am Ende bleibt er bei seiner Einstellung der Erschaffung der Welt aus dem Nichts mittels des Ausgleichs von positiver und negativer Energie im Rahmen des Urknalles und liefert hier auch keine neuen Fakten. Grundaussage Hawkings ist, dass aufgrund dieser Zusammenhänge eben kein Gott zur Erklärung des ersten Anstoßes nötig ist. Schade ist, dass alternative Ansätze von Wissenschaftskollegen zur Frage ob und was es vor dem Urknall gab, wie z.B. die Quanten-Schleifengravitation, hier kein Gehör finden und er nur diskutiert was in sein Wissens- oder besser Weltbild passt. Insgesamt bietet der erste Teil überhaupt nur Grundlagenwissen und das spezielle Hawking Feeling hat sich nicht einmal eingestellt.
2 - DER SINN DES LEBENS
In diesem eigentlich philosophischen Themengebiet fängt Hawking meines Erachtens an etwas zu schwimmen so sympathisch ich auch seine sonstigen, bewusst sehr einfach gehaltenen und polarisierenden Aussagen in der Vergangenheit zu diesem Thema fand. Er beantwortet diese Frage nach einem „höheren Zweck“ unserer Existenz in seiner Weise und stellt fest, dass am Ende alles nur Physik ist. Und eins seiner ersten Statements im gleichnamigen Buch und auch in der Dokumentation ist „Die Philosophie ist tot. Die Wissenschaft kann uns die Antwort darauf geben“.
Descartes wird beim ihm als Wegbereiter der modernen Wissenschaft beschrieben. Auch das interessante Thema der simulierten Welt wird kurz angesprochen. Insgesamt wird in Verhältnis zum eigentlichen Thema relativ stark abgeschweift. Zusammenfassend merkt man, dass Evolution, die Diskussion um den „freien Willen“ und Hirnforschung nicht seine Domänen sind oder er es nicht vertiefen wollte. Ich kann leider keinen eigenen wirklich signifikanten Beitrag zum Thema erkennen.
3 - SCHLÜSSEL ZUM KOSMOS
Teil 3 startet mit Einführungen zur Gravitation bei Newton und der Elektromagnetischen Lichttheorie bei Maxwell. Dann landet Hawking wieder bei einem seiner Helden Albert Einstein und der Erklärung der Gravitation als Krümmung der Raumzeit im Rahmen der Relativitätstheorie. Über den Mathematiker Kaluza geht es dann zu den kleinsten Bestandteilen: zur Quantenmechanik und ihrem historischen und zentralen Doppelspalt-Experiment was gut, aber sehr kurz erklärt wird.
Im letzten Abschnitt geht es langsam wieder zurück in die theoretische Physik der Neuzeit und um die berühmte Vereinheitlichungsthematik und der „Theorie für alles“ und Dinge wie String- bzw. M-Theorie. Auch dort geht er nicht so anschaulich und tief auf die Thematik ein, wie ein Brian Greene in der Lage ist, es in seinen bekannten Büchern und Dokumentationen zu tun. Um diese Lücke dramaturgisch ansprechend zu schließen, gibt es dann noch etwas unterhaltsame Spekulationen über Multiversen die auch keinen Neuigkeitsgehalt bieten. Sowohl M-Theorie als auch Multiversen werden als Fakten präsentiert was bei aller Offenheit schon fast als unseriös zu bezeichnen ist.
5/10 Punkten