Nachdem Brian de Palma den millionenschweren Science-Fiction-Flop „Mission to Mars“ hingelegt hatte, drehte er seinen folgenden Film zwar in Frankreich, genretechnisch aber auf bekanntem Thrillerterrain, hier mit besonders reflexiver Note.
So glotzt Laure Ash (Rebecca Romjin, damals noch Romjin-Stamos) gleich zu Beginn den wohl prototypischen Film Noir, wenn es um den Topos der Femme Fatale geht, nämlich „Double Indemnity“ von Billy Wilder. Es folgt ein Coup, der an klassische Heist Movies und den wie ein Uhrwerk ablaufenden Auftakt von de Palmas eigenem „Mission: Impossible“ erinnert. Hier bringt Laure das diamantenbesetzte Oberteil eines Models während der Filmfestspiele in Cannes 2001 mit Hilfe ihrer Komplizen in ihre Hände, hier in sehr klassische de-Palma-Manier mit der Extraportion Sleaze, wenn ein Schäferstündchen auf dem Damenklo den Austausch des echten Stücks gegen eine Fälschung verdeckt. Wie im klassischen Heist Movie, wie beim „Mission: Impossible“-Auftakt läuft nicht alles rund, zumindest für Laures Komplizen: Nicht nur, dass die fast entdeckt werden, Laure hintergeht sie auch noch und stiehlt das Geschmeide für sich selbst.
Noch ist die fatale Femme nicht ganz aus Frankreich abgehauen und wird bei der Suche nach einem gefälschten Pass von ihren Komplizen aufgespürt. Es kommt zum Kampf, infolgedessen Laure aus einem oberen Stockwerk segelt, woraufhin ihr Filmgott Zufall gleich doppelt zu Hilfe kommt. Nicht nur, dass sie weich landet, unten wartet auch noch ein Ehepaar, das ihr gefolgt ist und sie für die verschwundene Tochter Lily hält, die gerade Mann und Kind bei einem Unfall verloren hat. Und weil der Zufall gerade Überstunden schiebt, wacht Laure just dann aus ihrer Ohnmacht auf, als das Paar das Haus verlassen hat, Lily zurückkehrt und sich im Schmerz selbst den Fangschuss verpasst, worauf Laure mit Lilys Pass in die USA abzieht und auf dem Flug gleich den aufstrebenden Politiker Watts (Peter Coyote) kennenlernt.
Sieben Jahre später ist Watts amerikanischer Botschafter in Frankreich und Laure seine Ehefrau, die unwillig zurückkehrt. Als der Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas) ein Foto von ihr schießt, ruft das ihre zum gleichen Zeitpunkt aus dem Knast entlassenen Ex-Komplizen Black Tie (Eriq Ebouaney) und Racine (Edouard Montoute) auf den Plan. Doch Laure wehrt sich mit den Waffen einer Femme Fatale…
„Femme Fatale“ ist ein Thriller, der quasi nur im Zitat leben, schon zu sehen an der Künstlichkeit und Konstruiertheit des Ganzen, bei der ein Zufall auf den nächsten folgt, inklusive eines Twists in der Schlussphase, der manches erklärt, anderes aber wiederum mysteriöser und übersinnlicher erscheinen lässt, aber dem Film nichts an Lebendigkeit zurückgibt. Hier gibt es Symbole, die viel zum Twist und zur Auflösung sagen, etwa Zahlenkombinationen, eine Wassersymbolik und Plakate, während de Palma das Artifizielle von „Femme Fatale“ stilistisch noch unterstreicht, viele gewohnte und ein paar neue Inszenierungskniffe inklusive: Expressive Film-Noir-Kamera-Einstellungen, Splitscreens, Plansequenzen, ungewöhnliche Kameraperspektiven, eine Figur, deren Gesicht erst zum Ende des Films hin enthüllt wird usw. Dabei hat der Stilist nichts von seiner Brillanz verloren und zaubert mit Thierry Arbogast famos durchkomponierte Bilder und Szenenfolgen auf die Leinwand.
Doch ist in diesem Stil auch schon jenes (Selbst-)Zitathafte eingebaut, das de Palmas folgende Thriller „Black Dahlia“ und „Passion“ auszeichnete: Noch nichts ganz so sehr Selbstkopie wie jene Folgearbeiten, aber auch nicht ganz so konsequente Selbstanalyse wie etwa „Raising Cain“. „Femme Fatale“ baut auf seinen Stil und seine Auflösung, während er sich durch de Palmas Werk und seine Vorbilder zitiert. Der europäische Schauplatz erinnert an jene Thriller, vor allem Gialli, die de Palma gern zitiert, während de Palmas großes Vorbild Hitchcock überall durchschimmert: Gerade in den Szenen als vermeintlich brave Botschafterfrau, etwa wenn Bardo das Foto von ihr schießt, wird Laure wie Hitchcock-Leading-Ladies der Marke Grace Kelly und Kim Novak in Szene gesetzt. Das animiert zur Suche nach dem Ursprung des Zitats, der Film lädt zum Miträtseln in Sachen Schlusstwist und zum Erkennen der Verweise auf, doch als eines funktioniert er suboptimal: Als Spannungsfilm auf der tatsächlichen Handlungsebene.
Denn Laure, bei der sich „Femme Fatale“ nie ganz sicher ist, ob sie nun die ganz berechnende Bitch ist oder doch irgendwo noch ein Herz und Emotionen hat, führt zwar alle Beteiligten an der Nase herum, improvisiert mit Schläue und setzt ihre Reize ein, doch gerade das Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihr und Bardo hat kaum ein Leben, eine echte Anziehung zwischen den Figuren ist kaum zu spüren, zumal sich der Zuschauer (vielleicht auch wegen seiner Kenntnis des Filmanfangs) fragt, warum sich der beim Knipsen und Recherchieren so gerissene Bardo dann von Laures Fassade immer so schnell täuschen lässt. Die Ex-Komplizen tauchen als Bedrohung so auf und ab, wie es dem Drehbuch gerade beliebt, und bleiben daher eine Randerscheinung, so wie viele andere Nebenfiguren bessere Stichwortgeber bleiben und kaum im Film ankommen. Gerade da hätte es eben eine stärkere Interaktion der beiden Hauptfiguren gebraucht, doch de Palma interessiert hier leider eher die Metaebene und die Zuspitzung auf jene Enthüllung am Ende, dass er klassischen Thrill zu sehr vernachlässigt.
Das ist auch insofern schade, da er eigentlich genau die richtigen Hauptdarsteller hat. Rebecca Romjin punktet als moderne Femme Fatale, spielt jede Facette und jede Fassade überzeugend, selbst das Drehbuch manchmal etwas unentschlossen ist, was Laure jetzt genauso sein soll. Mit dem Latin Lover Antonio Banderas hat man dann eigentlich auch einen guten Widerpart gecastet, auch wenn Banderas eher den abgewrackten, aber trickreichen Profi als den Verführer gibt, doch das macht er klasse – etwa in jener Szene, in der sich Bardo als schwuler Hotelgast ausgibt um in Laures Zimmer zu kommen. Da sind Nebendarsteller wie Eriq Ebouaney, Edouard Montoute, Peter Coyote und Gregg Henry eher markige Gesichter, die ihren Zweck erfüllen, aber vom Film nie wirklich gefordert werden. In der Cannes-Szene im Auftakt spielen sich Filmgrößen wie Régis Wargnier und Sandrine Bonnaire übrigens selbst.
So hinterlässt „Femme Fatale“ gemischte Gefühle: Stilistisch ist de Palma mal wieder auf voller Höhe, doch sein Thriller ist sehr auf seine Anspielungen und seine eigene Konstruktion fixiert, sodass die eigentliche Thrillerhandlungen seltsam stiefmütterlich behandelt wird und daher entsprechend leblos bleibt. Nicht unclever gemacht, aber auch nicht sonderlich tiefschürfend in seiner Genrebetrachtung, wodurch „Femme Fatale“ durchaus interessant, phasenweise recht gelungen, aber auch etwas leer bleibt.