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In der derben Politiksatire „Die Qual der Wahl" liefern sich Will Ferrell und Zack Galifianakis eine radikale Schlammschlacht, die zwar gelegentlich etwas redundant daherkommt, aber  trotz ihrer zugespitzten Derbheiten niemals den Bezug zum alltäglichen Wahnsinn eines amerikanischen Wahlkampfes verliert. Leider weicht Regisseur Jay Roach seinen satirischen Ansatz gegen Ende des Filmes zu Gunsten einer massenkompatiblen Charakterentwicklung immer weiter auf. Das trübt den Spaß allerdings nur minimal.

Mangels Gegenkandidaten vertritt der selbstverliebte Provinzpolitiker Cam Brady (Will Ferrell) seinen unbedeutenden Bezirk im unbedeutenden US-Bundesstaat North Carolina seit Jahren im US-Kongress. Nach einem medienwirksamen Skandal frieren die großindustriellen Motch-Brüder (Dan Aykroyd, John Lithgow) ihre Wahlkampfhilfe für ihn ein, um eine neue politische Marionette zu installieren, die ihre Wirtschaftsinteressen vertritt. In dem naiven Stadtführer Marty Huggins (Zack Galifianakis) finden sie den perfekten Kandidaten und lassen ihn als republikanischer Herausforderer gegen Cam Brady antreten. Unterstützt durch das Geld der Motch-Brüder und dem kompromisslosen Wahlkampfberater Tim Wattley (Dylan McDermott) mausert sich Huggins widererwartend zu einer ernsthaften Gefahr für Brady. Der Wahlkampf endet schnell in einer veritablen Schlammschlacht, bei der beide Parteien vor keinen noch so schmutzigen Trick zurückschrecken.


Jay Roach („Austin Powers I-III", „Meine Braut, ihre Schwiegereltern und ich I + II", „Dinner für Spinner") wildert mit seinem Mix aus Klamauk und politischer Satire im Revier von Satireberserker Sasha Baron Cohn, der mit „Der Diktator" (2012) in diesem Jahr einen durchaus vergleichbaren Film abgeliefert hat. Trotzdem ist „Die Qual der Wahl" alles andere als ein Klon des nicht gänzlich überzeugenden Cohn-Vehikels und schneidet trotz geringerer Schauwerte qualitativ sogar knapp besser ab. Gerade durch die Reduzierung der Handlung auf einen unbedeutenden Lokalwahlkampf gewinnt die Absurdität der Exzesse beider Protagonisten zusätzlich an Wirkung. Cohns strunzdämlichen Diktator in seinem  weltumspannenden Atomwaffenplot war an in dieser Hinsicht deutlich weniger greifbar.


Zudem sitzt das Gagtiming in „Die Qual der Wahl" deutlich besser als in „Der Diktator". Das ist der routinierten Regie von Jay Roach und natürlich nicht zuletzt den Comedygrößen Ferrell und Galifianakis zu verdanken. Das zielsichere Drehbuch von Chris Henchy und Shawn Harwell steigert dazu die Manierismen der Charaktere gekonnt ins Unermessliche. Das fängt mit Ferrells Figur an, die ihre politische Überzeugungen längst den Versuchungen politischer Macht und einem ausschweifenden Lifestyle geopfert hat und mit seiner karrieregeilen Frau (Katherine LaNasa) und seinen Kindern eher eine Art Geschäftsbeziehung pflegt, als das sie eine richtige Familie wären. Auf der anderen Seite könnte Marty Huggins als naiver Sonderling keinen größeren Kontrast bilden. Da er weitaus weniger berechnend als Brady daherkommt und er eher überrumpelt, denn korrumpiert wird, ist sein satirisches Potenzial allerdings deutlich begrenzter. Inhaltlich fungiert er als naiver Idealist, der durch in den Mühlen der Politik fast seine Identität verliert. Die Motch-Brüder, die als raffgierige Raubtierkapitalisten -wen wundert - natürlich die wahren Strippen in der Politik ziehen, sind in ihren Plänen derart grotesk überzeichnend, dass man die etwas platte Zeigefingermoral gerne verzeiht. Als Wahlkampfassistenten treten Jason Sudeikis („Kill the Boss", „Hall Pass") und Dylan McDermott („Magnolien aus Stahl", „In the Line of fire"„Practice - Die Anwälte") auf. Sudeikis übernimmt dabei den eher undankbaren Part, den zunehmenden amoklaufenden Will Ferrell zumindest ein wenig auf den Boden der Tatsachen zu bringen, während Dylan McDermott lustvoll den unerbittlichen Einpeitscher im Auftrag des Kapitals für den manipulierbaren Marty gibt. In weiteren Parts etwa der von Marty patriarchalischen Vater (verschenkt Brian Cox) zu stereotypen Handlungen verdonnerten Haushälterin (Karen Maruyama) sind nette Randerscheinungen und werten den Film zusätzlich auf. Das Herzstück ist aber eindeutig die (zumindest im Original) titelgebende „campaign" der beiden Kandidaten, die trotz  ihres zunehmenden Wahnwitzes stets nur wie eine unwesentliche Überhöhung eines durchschnittlichen amerikanischen Wahlkampfes anmutet. Sei es die platte Symbolik, die stets turmhoch über politischen Inhalten steht, das abenteuerliche Rausreden selbst bei offensichtlichsten Skandalen und die ungenierten Diffamierungen des politischen Gegners. All das kennt man und all das steigert „Die Qual der Wahl" zielsicher ins Groteske. Als nette Randnotiz sei erwähnt, dass das Drehbuch diejenigen, um die es im politischen Prozess eigentlich gehen sollte, im Prinzip komplett übergeht: Das Wahlvolk.


Schade, dass sich im Verlauf der nur knapp 90 Minuten die eine oder andere Wiederholung einschleicht. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt deswegen, weil Ferrell und Galifianakis im Grunde nur Variationen ihre vergangenen Figuren („The Anchorman", „Die Eisprinzen", bzw. „The Hangover I+II", „Stichtag") liefern. Schauspielerisch und inszenatorisch bleibt das Geschehen jederzeit tipptop.

Eine weitere Analogie zu Sasha Baron Cohns „Der Diktator" ist das etwas moralinsaure Ende, in dem die Protagonisten aus ihren Fehlern lernen und wahre Werte über die hohle Politfassade triumphieren dürfen. Das gelingt leider nicht ganz so organisch wie in Cohn Diktatorenspaß und fügt sich nicht wirklich organisch in den sonstigen Tonfall des Films. Hier opfert Roach seine Brachialsatire leider weitestgehend zu Gunsten massenkompatibler Sehgewohnheiten. Die belehrende Moralkeule hatte allerdings selbst Charlie Chaplin in „Der große Diktator" am Ende geschwungen - und der gilt bekanntermaßen als Klassiker des Genres. Dazu reicht es bei „Die Qual der Wahl" zwar nicht, aber den Preis für den dreckigsten Wahlkampf des Jahres geht in diesem Jahr ins fiktive North Carolina und nicht ins reale Washington.


Daran werde ich mich lange erinnern: Ein Säugling bekommt eins in die Fresse - in Großaufnahme und Superzeitlupe.

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