Review

Deutsche Genrefilme - fernab von Dramen und Komödien - sind seit ein, zwei Jahrzehnten in der Regel zweierlei: selten vorhanden und häufig minderwertig. Für Horrorfilme gilt das ganz besonders: sieht man von raren Ausnahmen wie "Anatomie" (2000) ab - damals noch mit dem Publikumspreis des Deutschen Filmpreises ausgezeichnet! -, dominieren die Filme der Amateurfilmer & Ex-Amateurfilmer das Genre (z.B. Schnaas, Ittenbach, Taubert, Rose, Rohnstock, Marschall, Krekel etc., derweil sich Buttgereit als einzig talentierter Amateurfilmer vom Filmemachen weitestgehend zurückgezogen hat), während gleichzeitig ein paar verstreute RTL- & Pro7-Produktionen in deren Event Movie-, Thrill Time- & Funny Movie-Reihen als vermeintlich lohnenswerte TV-Events dargereicht werden.
Wenn sich relativ professionelle (ausgebildete und/oder erfahrene) Jungfilmer daran machen, einen deutschen Horrorfilm jenseits des Amateursektors in Szene zu setzen, ohne dabei auf eine - Kompromisse erzwingende - Hilfestellung durch TV-Sender oder Filmförderung zurückzugreifen, dann mag man in diesem Vorhaben zunächst Potential erspähen; ganz besonders dann, wenn es sich - wie bei "Sin Reaper 3D" - um einen Slasherfilm handelt, dessen Rahmen vielleicht nicht (mehr) unbedingt die Garantie für innovative Genremeisterwerke bietet, dessen schlichte Struktur eines naiven Affekt-Kinos es allerdings auch erschwert, das Ziel komplett zu verfehlen.

"Sin Reaper 3D" ist letztlich weder ausgesprochen missraten, noch sonderlich gelungen: zumindest Lance Henriksen - längst kein Gütesiegel mehr - und Hauptdarstellerin Helen Mutch spielen sich (wie Hanno Friedrich) souverän aus der Affäre, während manch andere Darsteller (weniger die Darstellerinnen) etwas hölzern & gestelzt auftreten - das übliche Manko etlicher Low Budget-Streifen. Die Postproduktion sorgt mit allerlei - scheinbar unumgänglichen! - entsättigten Farben und Blaufiltern dafür, dass sich das Ganze zumindest der Bildqualität nach an konventionelle Genrekost annähert - womit sich die Form allerdings gleichzeitig als wenig originelle Fließbandware verkauft, anstatt mit kreativer Qualität zu punkten. Vereinzelte Schnitzer in Kameraführung (weitestgehend überaus ordentlich, gelegentlich unnötig unruhig) & Montage (vereinzelt souverän & effekthascherisch, zumeist unauffällig, bisweilen schlampig) ziehen die eher durchschnittliche Inszenierung zusätzlich herab. Origineller geben sich hingegen die - im Slasherfilm obligatorischen - Mordsequenzen: wenn etwa ein Liebespaar beim zärtlichen Kuss in den Tod befördert wird, zeigt sich doch das kreative Gespür der slasheraffinen Jungfilmer. Aber auch hier bleiben leicht überdurchschnittliche oder gar herausragende Nummern aus: die Radikalität des Slasherfilms weicht - aus welchen Gründen auch immer - einer zahmen Milde und das rote FSK-Siegel der DVD scheint ganz offenbar nicht der (16er-)Freigabe des Films geschuldet zu sein. All dies lässt "Sin Reaper 3D" zu einem eher lauen Genrevertreter werden. Ein ordentlicher, aber etwas lieblos eingebundener Soundtrack, der in den besseren suspense- & shock-Szenen des Films flüchtige Assoziationen an carpentereske Qualitäten hervorruft, kann da nur teilweise entschädigen.
Die Geschichte ist - was im Subgenre kaum verwundert - keine Offenbarung: eine von Alpträumen geplagte Heldin, die mit ihrem Psychiater entdeckt, dass deren Geheimnis sowohl in Deutschland, als auch in der Vergangenheit liegt, macht sich auf, um das Fürchten zu lernen. Diese verrätselte Ausgangssituation, die sich von einem Gros aller Slasher - welche die Motivation ihrer Täter bereits im Prolog vorwegnehmen - unterscheidet, gehört noch zu den originelleren Punkten des Films: und verdankt sich trotzdem größeren Vorbildern... so steht sicherlich - bewusst oder unbewusst - Cravens "Scream"-Reihe (1996-2011) Pate, deren Heldin sich stets an einer "Arbeit am Trauma"[1] abarbeiten musste, wie Elisabeth Bronfen einmal - wenig tiefschürfend - feststellte. Hier wie dort führt [Achtung: Spoiler!] die Begegnung mit dem maskierten Killer hinab in eine alte Familientragödie - wenn sich auch ein paar phantastisch anmutende Aspekte mit dieser Auflösung nur bedingt vertragen. An Wes Craven (und andere) gemahnt auch das selbstreflektive Spiel mit dem Genre: nicht etwa, weil der Figurenname Porteous einem Crewmitglied von "Scream" entlehnt worden ist, sondern weil er - wie Walker, Pregler, Buck, Antwiler oder Jones - den zweifelhaften web series wie "Ninja the Mission Force" oder "The Cinema Snob" entlehnt worden ist. Es ist immerhin charmant, dass man sich hier nicht gleich an den Großmeistern des Genrefilms vergreift, sondern bloß an den zahlreichen, im Netz zu einigem Ruhm gekommenen Nerds & Fanboys...
Weniger charmant sind dann die letzten Worte des irren Slashers, dessen in religiöser Verzückung hervorquellendes Gestammel alle Klisches des Ramsch- & Schundfilms wiederkäut: nicht augenzwinkernde Ironie, sondern eine das Publikum für blöd verkaufende Haltung macht sich an dieser Stelle breit. Spaßig und augenzwinkernd wird der titelgebende Sin Reaper bloß einmal in Szene gesetzt: wenn er im Vorübergehen aus der Wandkritzelei "God is nowhere" kurzerhand "God is now here" macht - ein Kalauer von erlesener Qualität, welcher (zufällig oder nicht) auch gleich nochmals auf die zeitliche und räumliche Differenz zwischen Alptraum und Auslöser verweist, welche anfangs die Heldin nach Deutschland und in ihre eigene Vergangenheit geführt hat.

Alles in allem ist "Sin Reaper 3D" sicherlich ein eher schwacher Film; aber im deutschen Horrorfilmsektor der letzten Jahre nicht unbedingt das schlechteste, was einem - wenn schon nicht unter die Haut gehen, so doch - unter die Augen kommen kann: besser als die meisten Amateurhorrorfilme (wenn auch ohne deren transgressiven Reiz des Körperhorrors) und auch nicht schlechter als mancher, in liebloser Routine zusammengeschusterter TV-Film. 4,5/10.
Ende des "Auftragsreviews". Und ein Dankeschön an den Co-Drehbuchautoren und "netzbekannten", "unprofessionellen" & "fetten Internet-Troll"!


1.) E. Bronfen: Arbeit am Trauma. Wes Cravens Scream-Trilogie. In: J. Köhne, R. Kuschke, A. Meteling (Hg.): Splatter Movies. Essays zum modernen Horrorfilm. Bertz+Fischer 2005; S. 101.

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