Vorsicht, Spoilerschwämme!
Der brasilianische Urwald als Sammelbecken für gescheiterte Hollywoodexistenzen: Gabrielle Anwar (Anfang der 90er immerhin in namhaften Produktion wie "Body Snachters", "Die drei Musketiere" und "Duft der Frauen" zu sehen) ist als investigative Journalistin einem raffgierigem Ölkonzern auf der Spur, der sich lästige Dschungeleinwohner mit der Hilfe von gezüchteten Killerbienen vom Leib halten will. Ihr Noch-Ehemann Morton Bauer (Craig Scheffer, spielte neben Brad Pitt in Robert Redfords "In der Mitte entspringt ein Fluss") sitzt in einem Flugzeug, das ein paar dieser Monsterbrummer im Gepäckraum spazieren fliegt. Und Rutger Hauer (der sich mit seinem Auftritt in "Blade Runner" seine Meriten verdient hat und im B-Moviebereich einen gewissen Status erlangt hat, weshalb er zuletzt auch wieder in größeren Produktion wie "Batman Begins" oder "Sin City" zu sehen war) zerlegt Regenwalddörfer, holt Flugzeuge vom Himmel und massakriert inkompetente Handlanger.
Schon anhand der Personenbeschreibung wird deutlich, dass diese Direct-To-DVD-Produktion an allen Fronten mitmischen will: "Flying Virus" - mit dem äußerst reißerischen wie auch bescheuerten Untertitel "Ein Stich, und du bist tot" am Revers - ist Umweltthriller, Tierhorror, Katastrophenfilm, Soldatenaction, Ehedrama und Klischée-Revue in Personalunion. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Low-Budget-Filmchen unter der Last der ganzen Genreversatzstücke zusammen bricht. Sehr zur Freude des hämischen Betrachters: Während sich die Regie bemüht, den roten Faden zu bewahren und dabei immer größere Logiklücken in die Plotdecke reißt, sind die ersten unfreiwilligen Gags nicht weit.
Schon im Intro nimmt das urkomische Treiben seinen Lauf. Aus dem Off bekommen wir eine ultraseriöse Berichterstattung zu hören: Die Vereinigten Staaten und ihre gefolgsamen Ölkonzerne bzw. die US-Ölkonzerne und die dazu gehörige, unterwürfige Regierung stehen nach der Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls unter Druck, und sind - nach einigen Scharmützeln mit den Urwaldbewohnern - gezwungen einen fairen Kompromiss einzugehen. Der Deal: Die Eingeborenen halten die Klappe, dafür dürfen die Ölmagnaten eine Straße in der Gesamtlänge von 100 Meilen durch den Dschngel bauen.
Damit hat "Flying Virus" mit kritischen Untertönen ausgesorgt. Ein Vorarbeiter hat noch eben Zeit, seine Belegschaft einen Motivationsschub zu verpassen ("Beeilt euch Männer! Die Regenzeit kommt schneller, als ihr einen Furz lassen könnt"), schon erleben die Amis ihr nächstes Vietnam. Die bis an die Zähne mit Waffen gesicherte Baustelle wird von pfeileschießenden und keulenschwingenden Indios überrannt. Gut, dass im Lager überall Kanister mit "Danger"-Aufklebern verteilt wurden, sonst kämen wir nicht in den Genuss solch' formschöner Explosionen. Nicht die einzigen, die wir zu sehen werden. Der Ölkonzern spart nicht mit Vergeltung und hebt im Laufe der nächsten 80 Minuten drei, vier Eingeborenennester aus - mit Sturmgewehren, Granaten, Helikoptern und allem, was das Budget soeben noch hergibt. Dumm nur, dass die Moneten im Anschluss nicht mehr für anständige CGI-Effekte ausgereicht haben. Wer die Akte X-Folge "Der Kokon" (1.Staffel) kennt, weiß wie ranzig wuselige Insekten aus der Maschine daherkommen können - und "Flying Virus" ist ganze acht Jahre später erschienen!
Dabei ist die Urwald-Episode mit dem ganzen Krawall und den turmhohen Feuerbällen noch ganz solide ausgefallen, nicht zuletzt wegen Rutger Hauer, der in seiner Rolle als hinterfotziger Mr. Ezekial (welch' einfallsreicher Name für einen Bösewicht) für Glanzlichter sorgt. Ihm gehören die besseren Dialogfetzen in einem sonst unterirdischen Drehbuch. Besonders denkwürdig ist die Szene, in der er wichtige Informationen aus einem Schamanen herauspressen will, der ihn wiederum aber nicht zu verstehen weiß. "Esta una pistola. Sie tötet Menschen", sprach's und schon ist der entscheidende Tipp entlockt. Dass diese "pistola" als dem nächstgelegenen Toys 'R' Us entführt wurde, spielt dabei keine Geige.
Erst in luftigen Höhen nimmt das Schauspiel richtig groteske Züge an. Der Airbus - ebenfalls aus dem Baukasten mässig talentierter Effektbastler entsprungen - hat einen Haufen Knallchargen an Bord, die vor Stereotypie nur so triefen. Da hätten wir den fetten Fresssack, der das Zeitliche segnen muss, weil er bienenverseuchten Naschkram mampft, den skrupellosen Doktor, der die Viecher erst an Bord geschmuggelt hat und direkt nach dem Take-Off krepiert, den cholerischen Managertypen, der von der toughen Stewardessen mit einem zünftigen Eierkneifer zur Räson gebracht wird, die nervige Teenie-Zicke und schließlich den kleinen Computer-Nerd, der in diese kleine Zicke verschossen ist, keine Haare am Sack hat und trotzdem mit seinem Laptop einen Raketenabschuss verhindert. Angeführt wird der First-Class-Pöbel von Craig Scheffer alias Morton Bauer, der sich vor der Verantwortung eines Kindes mit Ann drücken will, sich aber dann zum Superhelden aufschwingt. Mal baumelt er an der Außenwand des Flugzeugs herum, dann bringt er es - nachdem der Pilot gestochen zusammensackt - in einer Notlandung sicher zu Boden.
Das Happyend ist perfekt, Ann hat einen weißen Buschdoktor aufgetrieben, der ein Gegengift entdeckt hat (Das Gift der Okapi-Fösche!? Es gibt Okapis, es gibt Pfeigiftfrösche - aber Okapi-Frösche? Wohl ein Fall für Heinz Sielmann), früher Rettungsflieger in Vietnam war und just nach der Notlandung zur Stelle ist, um die Bienenopfer zu versorgen. Ann und Morton verschwinden zwecks Schäferstündchen im Wald , die Teenie-Zicke und der Computer-Nerd beschränken sich erstmal auf's unbeholfene Knutschen und Rutger Hauer wird von einem Kroko wegschnabuliert.
Fazit: Debil bis zur Schamgrenze, wird dieser kleine, übermütige Streifen niemals langweilig. Sofern denn die Anspruchsschraube auch mal locker sitzen darf. Objektiv betrachtet ist "Flying Virus" ein Poutpourie ausgelutschter Sujets, das - trotz der ernsten Zwischentöne zu Beginn - zu keiner Phase des Film ernstgenommen werden kann. Was zum passenden Zeitpunkt, in der richtigen Stimmung und im Beisein gleichgesinnter Mitstreiter allerdings genau das richtige sein kann. (3/10)