Ach schau mal her. Mein "Lieblingsschauspieler" Ryan Gosling, der absolute Überflieger, der mir mit seinen ach so tollen Filmen wie "All Beauty must Die" (Do you remember? Mobbing-Thread "User des Tages"), "Ides of March" (bin fast weggepennt) oder "Drive" (von dem ich immer noch nicht weiß, was ich davon halten soll) superdolle Filmstunden spendiert hat, bei denen ich wohl Zahnschmerzen anstatt Couchpotato-Geschichten vorgezogen hätte, spielt in "The Place Beyond The Pines" den Kirmesakrobaten Luke, der nach Monaten wieder in seiner Heimat antritt und dort feststellt, dass er mit seiner Kurzzeitaffäre Romina (Eva Mendes) einen gemeinsamen Sohn hat.
Von da an will Luke sein Leben ändern, sich in dem Dörfchen niederlassen und mit ehrlicher Arbeit seinem leiblichen Sohn ein gutes Leben ermöglichen, das er niemals hatte. Doch das ehrlich verdiente Geld reicht nicht. Er lernt Robin (Ben Mendelsohn) kennen, mit dem er erfolgreich einen Banküberfall nach dem nächsten startet, doch der letzte wird ihm zum Verhängnis. Polizist Avery (Bradley Cooper), der zufällig in der Nähe ist, bleibt ihm auf den Fersen und verändert mit seinem schnellen Eingreifen die Welt um die intakte Familie.
Nun gut, ich gebe zu, Gosling der alte Schlawiner, gehört nicht gerade zu meinen Lieblingschauspielern. Aber mit dieser Rolle hat auch er sich in mein Herz hineingespielt. Selten hab ich so eine coole, abgefuckte, sympathische wie auch empathische Persönlichkeit gesehen, wie Gosling seinen Charakter darstellt. Mit mehr Fluppen in dem Mundwinkel wie ich in einem ganzen Monat wegquarze, hat er mich voll auf dem falschen Fuß erwischt und ich kann nur mit voller Erfurcht sagen, dass ich ab jetzt absolut von diesem Schauspieler überzeugt bin. Doch mit dem Charakter Luke, wie soll ich es anders spoilerfrei ausdrücken, steht und fällt der Film.
Schon der Anfang in der Murmel, in der drei Motor-Cross Biker einen Todesritt wagen, ist sagenhaft geraten. Aber im Vergleich zu Goslings Charakter ist das nichts. Gosling zieht einen mit seinem Aussehen, seiner ganz eigenen Art und seinen Tatoos in den Bann wie ich es selten erlebt habe. Ehrlich gesagt reicht alleine schon der Blick in die gefühlstoten Augen aus, dass einem der Schauer über den Rücken läuft. Ja, so stell ich mir, trotz beschissener Vorgängerfilme, einen Darsteller vor, der eine glorreiche Zukunft vor sich hat. Hier muss ich mal für den von mir viel gescholtenen Ryan Gosling eine Lanze brechen und sagen: Der Junge hat es voll drauf!
Der Film beginnt mit seiner Erzählweise gemächlich, weiß aber trotzdem den Zuschauer sofort in den Bann zu ziehen und nicht mehr loszulassen - soviel Power steckt alleine in dieser Figur. Gosling bringt es fertig, alle anderen namhaften Darsteller locker an die Wand zu spielen.
Man folgt dem Plot, der zwar gemächlich erzählt wird, aber in dem dennoch sehr viel Leben und Knistern drin steckt. Ergänzt wird das durch die phantastischen Motorradfahrten, die zwar sichtbar am Regler etwas schneller gespult worden sind, aber dennoch für atemberaubende Szenen sorgen.
Dann kommt nichtsahnend ein Plottwist ins Rollen, der den Ausmaß eines "Million Dollar Baby" hat und auch dementsprechend für Laune, aber vor allem für einen großen Schock sorgt. Der Film dreht sich ab hier um 180 Grad und geht einen anderen Weg. Dieser Weg ist dem Film sehr hoch anzurechnen - denn kein Mensch auf dieser Welt wird mit so einem Schlag in die Kauleiste rechnen. Aber wenn man mal den weiteren Verlauf, der nicht schlecht vonstatten geht, einen Tag sacken lässt, kann man nur zu dem Entschluss kommen, dass erstens: Der Film ab dort nur noch mit Plattitüden glänzen kann. Zweitens: Kein Schauspieler Gosling auch nur annähernd das Wasser reichen kann und drittens, was wohl am meisten die Bewertung nach unten zieht: Der Film kann seiner verdammt starken ersten Hälfte nichtmals im Ansatz mehr gerecht werden und mutiert zu austauschbaren Versatzstücken anderer Filme, die zwar auch gut sind/waren, aber im Kontext zur ersten Hälfte mit den übelsten Klischees behaftet einfach nur noch abstinken und dem eigentlichen Film nie wieder gerecht werden.
Ein absolut desinteressierter Bradley Cooper und eine belanglose Eva Mendes probieren, was noch zu retten ist (von den Kurzauftritten von Ray Liotta oder Bruce Greenwood will ich erst gar nicht sprechen. Liotta scheinbar nur da, um für den nächsten Monat die Miete zu zahlen), doch sie gehen im Schatten des großen Gosling unter. Ob das jetzt abgedroschene "Korrupte-Cops"-Szenen sind, die die Welt selten schlechter gesehen hat, oder einen 15 Jahre-Sprung in die Weltgeschichte macht und eine so was von berechenbare Story mit schlechten Jungschaupsielern bietet, das wirkt einfach nur billig und 08/15. Das wirkte alles auf mich so, alles hätte man die Deleted Scenes von "Cop Land" und "American History X" in diesem Streifen noch schnell untergebracht.
Das Fatale: Man ist von dem wirklich heftigen Twist in der Mitte so dermaßen gesplittet, dass das Gehirn diesen heftigen Turn gar nicht verarbeiten kann, und man das (schäbige) Geschehen als gut vermarktet bekommt. Aber wenn man mal eine Nacht drüber schläft, merkt man, dass in der zweiten Hälfte mehr Schall und Rauch als Substanz hinter diesem Projekt steckt.
Somit kann ich nach meiner Beurteilung sagen, dass man es bei "The Place beyond the Pines" mit einer ultrastarken ersten Hälfte zu tun bekommt, die den Zuschauer förmlich narkotisiert und "fit" spritzt für die zweite belanglose Hälfte, die in Klischees und Albernheiten untergeht. Jedoch nicht auf den ersten Blick - dafür brummt zu viel der Schädel, aber nach dem zweiten Blick, bei dem man wieder das Geschehen nüchtern betrachten kann, kann man sagen, dass man aus einer sehr genialen Grundkonstellation mit einem hervorragenden Ryan Gosling, der alle an die Wand spielt, nicht mehr gemacht hat, als ein Drama, das man sich mal in der Videothek ausleihen kann. Schade.
5/10