Ein Science-Fiction-Thriller zwischen Präzision und Paradox
Looper weckt auf den ersten Blick große Erwartungen: Zeitreisen! Killer im Designeranzug! Bruce Willis, der mit Joseph Gordon-Levitt quasi Schach gegen sein jüngeres Ich spielt! Klingt nach einem Fest für Fans gepflegter Science-Fiction, oder? Ein bisschen Terminator, ein bisschen 12 Monkeys, dazu ein Hauch Nicholas Sparks. Doch wie so oft bei Filmen, die mehrere Genres gleichzeitig jonglieren, gerät das Kunststück ins Wanken. Johnsons Werk möchte Science-Fiction, Thriller und Familiendrama zugleich sein, und er ist dabei manchmal zu ehrgeizig für die eigene Dramaturgie. Looper beginnt als brillanter Science-Fiction-Actioner, biegt dann in Richtung Melodram ab und landet schließlich in einem emotionalen Niemandsland, in dem man sich nicht mehr sicher ist, ob man gerade einem Zeitreise-Thriller oder einem moralischen Gleichnis über Elternschaft beiwohnt. Ein Film, der hoch hinaus will, dabei aber gelegentlich im eigenen Plot-Labyrinth hängen bleibt.
Die Grundidee ist bestechend: Im Jahr 2074 ist die Zeitreise erfunden, aber selbstverständlich verboten. Kriminelle jedoch haben einen Weg gefunden, sie für ihre Zwecke zu nutzen. Sie schicken missliebige Opfer in die Vergangenheit, wo sogenannte „Looper“ – Auftragskiller der alten Schule – bereitstehen, um die Angekommenen diskret zu beseitigen. Eine elegante Lösung für eine dreckige Arbeit, bei der Leichen wortwörtlich im Nichts verschwinden. Einer dieser Looper ist Joe, gespielt von Joseph Gordon-Levitt, der eines Tages vor seinem älteren Ich steht: Bruce Willis, wettergegerbt, unnachgiebig, aber keineswegs am Ende seiner Kräfte. So weit, so genial. Und Rian Johnson gelingt es, diese Prämisse in einer grandiosen Expositionssequenz schnörkellos und extrem effektiv zu erklären. Keine ellenlangen Monologe, keine pseudowissenschaftlichen Pamphlete – in wenigen Minuten weiß man alles, was man wissen muss. Es ist ein Setup, das sowohl philosophische Fragen aufwirft als auch kompromisslos nach vorn drängt. Doch die Zukunft ist bekanntlich ein unsicheres Terrain – nicht nur für Zeitreisende, sondern auch für Drehbuchautoren. Und so stolpert „Looper“ nach seinem glänzenden Start in eine Geschichte, die immer komplexer, immer sprunghafter und am Ende auch immer widersprüchlicher wird.
Johnson wollte offenbar das große Ganze: einen Science-Fiction-Thriller mit Action-Anleihen und einer zarten Liebesgeschichte. Ein Genre-Cocktail, der auf dem Papier nach dem heiligen Gral des Popcornkinos klingt. Doch wie so oft, wenn zu viele Aromen in denselben Topf wandern, bleibt ein Nachgeschmack. Während die Sci-Fi-Prämisse stark beginnt, verheddert sich der Film zunehmend in Nebensträngen, die dramaturgisch weder konsequent durchgespielt noch wirklich aufgelöst werden. Die Love Story mit Emily Blunt etwa – von ihr charismatisch getragen, keine Frage – wirkt eingeschoben, als habe jemand beim Schnitt noch schnell ein emotionales Fundament nachgerüstet. Schön gespielt, aber nicht organisch. Die Story verliert nach und nach ihre Schlüssigkeit. Plötzlich tauchen neue Elemente auf – telekinetische Kräfte, moralische Dilemmata, Kind-Eltern-Beziehungen – während frühere Stränge fallen gelassen werden wie heiße Kartoffeln. Die Dramaturgie wirkt dadurch zerfahren, der Film bremst sich selbst aus. Ein schnörkelloser Science-Fiction-Actioner hätte hier vermutlich mehr Wucht entfaltet.
Zeitreise mit Schlagseite und Stil
Kein Zeitreisefilm ohne Paradoxon, das weiß man. Johnson weiß das natürlich auch und spielt mit dieser Erwartung. Doch während andere Werke zumindest versuchen, eine gewisse innere Logik zu etablieren, belässt „Looper“ den Zeitreise-Aspekt eher im Hintergrund. Statt ihn auszukosten, benutzt der Film ihn als praktisches Plotvehikel, ohne sich allzu sehr um Konsequenz zu scheren. Das Ergebnis ist ein Gefühl der Beliebigkeit. Man fragt sich nicht nur, ob die Figuren logisch handeln, sondern ob die Logik des Films überhaupt trägt. Natürlich, man könnte sagen: Zeitreisen sind nun einmal per se paradox. Aber Kino lebt davon, seine eigenen Regeln aufzustellen und sie einzuhalten. „Looper“ tut dies nur zur Hälfte. Andere Filme haben ihre Widersprüche deutlich eleganter in die Erzählung integriert. Hätte Johnson konsequent auf den Thriller-Aspekt gesetzt, vielleicht ein wenig aufgeräumt, wäre „Looper“ ein Klassiker. So bleibt er ein Film, der immer wieder an sein eigenes Potenzial erinnert – und dann doch eine andere Richtung einschlägt.
Doch bevor man zu streng mit „Looper“ ins Gericht geht: Atmosphärisch hat der Film einiges zu bieten. Johnson zeigt uns keine glitzernde Science-Fiction-Utopie, sondern eine Welt, die eher an die 30er Jahre im Noir-Stil erinnert – nur eben mit futuristischen Gimmicks. Mit einem Budget von gerade mal 30 Millionen Dollar sieht der Film teurer aus als manch Blockbuster-Bombast. Die Zukunftsstadt ist realistisch, voller kleiner Details und netter Tech-Spielereien, ohne sich in Effekten zu verlieren. Alles wirkt greifbar, fast handgemacht – und das macht den Film visuell unglaublich stark. Johnson zeigt, dass kluges Produktionsdesign und ein gutes Auge für Details mehr wert sind als jede grünflimmernde CGI-Wüste.
Wer einen Nonstop-Actioner erwartet, wird überrascht: Die Action ist dosiert, fast spärlich. Doch wenn es zur Sache geht, dann knallt es ordentlich – mit stilvoller Wucht und einem Auge für Timing. Keine überbordenden Explosionen, kein CGI-Overkill, sondern klare, saubere Action-Szenen, die sitzen. Man merkt, dass Johnson hier Qualität über Quantität stellt. Die Inszenierung ist elegant, die Kameraarbeit schnörkellos, aber mit sicherer Hand geführt. Es gibt keine wilden Effekthaschereien, stattdessen ruhige, überlegte Einstellungen, die den Figuren Raum geben.
Joseph Gordon-Levitt spielt hier nicht nur eine Version von Bruce Willis, er sieht dank digitaler Anpassungen auch so aus – zumindest ein bisschen. Die Mimik wurde verändert, die Gestik angepasst, und trotzdem wirkt er nur entfernt wie ein junger Willis. Vor allem aber überzeugt er in der Darstellung eines Mannes, der in moralischen Fragen zerrieben wird und dennoch professionell kaltblütig agieren muss. Der echte Bruce Willis wiederum zeigt hier noch einmal, warum er einer der besten Actiondarsteller ist. Er zeigt sich hier noch nicht in der berüchtigten Autopilot-Phase, die seine spätere Direct-to-Video-Karriere prägte, sondern mit echter Intensität. Er ist präsent, körperlich wie emotional, und verleiht dem gealterten Joe eine Mischung aus Härte und Tragik. Gerade die Szenen, in denen er mit seinem jüngeren Ich konfrontiert ist, sind wirklich stark. Emily Blunt ist wie so oft das emotionale Zentrum, das den Film davor bewahrt, in reiner Genremechanik zu erstarren. Mit Charisma und Präsenz macht sie aus einer halbgar geschriebenen Figur ein echtes Gewicht.
Fazit
Looper ist ein paradoxes Filmerlebnis – und das nicht nur wegen seines Zeitreise-Themas. Er ist brillant in seiner Grundidee, bestechend in seiner Exposition, beeindruckend in seiner Optik und stark in seinen Darstellern. Zugleich aber ist er zerfahren, unentschlossen und dramaturgisch unsauber. Er beginnt stark, verspricht eine straffe Science-Fiction-Parabel, und verliert sich dann in Nebenpfaden, emotionalen Schlenkern und einem etwas wirren Plot. Am Ende bleibt ein Film, der seine Versprechen nicht ganz einlöst, aber dennoch mehr Mut, Stil und Substanz hat als viele glattgebügelte Blockbuster. Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen: Looper ist selbst ein Paradoxon. Ein Werk, das gleichzeitig begeistert und enttäuscht, fasziniert und verwirrt. Kein Meisterwerk, aber ein Film, den man gesehen haben sollte. Wenn nicht heute, dann spätestens morgen. Oder vorgestern.