Review

"Not another French Movie!"
Potential verschenkt oder ausgeblendet.

DND abgesessen: Jetzt wundert mich die niedrige Wertung in OFDB nicht mehr. Ich hatte gehofft, von einem französischen Film mit drei weiblichen Stars positiv überrascht zu werden, aber vor allem holte ich mir den Film, weil wir neulich selbst einen Amateurfilm mit dem Thema drehten: "Zwei Kumpels bilden sich ein, ohne geringste Ahnung oder Plan einen Pornofilm drehen zu können." Es gibt einige Filme mit diesem Thema, aber nur ZACK AND MIRI MAKE A PORN von Kevin Smith fand Gnade vor meinen Augen. DND, PORNORAMA, I WANT CANDY, ALMOST LEGAL versagten für mich alle früher oder später während der Handlung, die sich selbst irgendwann nicht mehr ernst nahm.

So auch bei DND. Zunächst beeindruckte mich, positiv, der visuelle Aspekt von DND. Die ersten Einstellungen, wortlos, halbdunkel, düster, ein gruseliger Kampf der Geschlechter; Bens finsteres Haus; die geheimnisvolle, bebrillte Femme Fatale auf der Treppe, alles sah mehr nach unheimlichem Thriller aus, nicht nach Beziehungsdrama. Allerdings erst recht nicht nach Komödie - die DND ohnehin nicht ist. Außer, man wertet DND wegen des unfreiwilligen Humors als Komödie – aber eigentlich ist mir Themaverfehlung ja egal. Oder ob DND eigentlich "komisch" ist oder nicht: Wer braucht schließlich schon Komödien!?

Auch die Darstellerinnen Asia Argento und Charlotte Gainsbourg sind schmeichelnd fotografiert, besser als sonst, bleiben jedoch sowohl visuell, als auch als Figuren, durchgehend im Hintergrund, nahezu unsichtbar, bis sie schließlich abrupt ganz aus dem Film verschwinden, nach einem albernen, trampligen Gruppensex-Versuch. Schade. Verschenkt! Allmählich wuchs mein Missfallen.

Ein weiterer Höhepunkt findet sich zunächst in der Beziehung des Ehepaars Ben und Anna. Die Ehe steht auf der Kippe: Sie wünschen sich ein Kind, was Ben torpediert, wahrscheinlich unbewusst, aber tief im Männerklischee. Solche Klischees ziehen Filme nach unten. Interessant dagegen ist der Verlauf der Ehekrise, die der Film nur andeutet: Anna ist, untypisch für eine Komödienfigur, eine kluge Frau voller Geheimnisse, die viel zurückhält und auf ihren kindischen, idiotischen, bescheuerten Mann erstaunlich reif reagiert. Da hätte sich vielleicht noch was entwickeln können.

Doch auch Anna wird aus dem Film geworfen. Und so verschwinden die Qualitäten unter dem Thema, das DND eigentlich wichtig ist. Auch wenn die dauernde Selbstbespiegelung männlicher Filmemacher nervtötend ausgelutscht ist, geht es auch in DND um: Männerfreundschaft (MFS). Leider zwischen zwei Volltrotteln. (Damit ist er ein wenig unserem "Porno"-Film, der übrigens auch kein "Porno" ist, verwandt.) Wie albern und kindisch sich erwachsene Männer benehmen, ist durchaus gut und treffend beobachtet, jedoch nichts Neues und für den geringen Gehalt viel zu ausgewalzt und aufdringlich. Und im Vergleich zu den Judd Apatow- oder Kevin Smith-MFS's-Universen völlig unlustig, obwohl DND aus z.B. SUPER BAD oder CLERKS II das "I love you!" kopiert.Etwa genau so unlustig ist Kelly Reichardts OLD JOY, in dem ebenfalls eine angejahrte MFS portraitiert wird, mit ähnlichen Figuren, in ähnlichem Alter und Situation, jedoch nicht als Komödie, sondern als soziale Studie, und unglaublich tiefgründiger.

Und Hauptproblem ist für mich die unsinnige Prämisse des Films, die zwangsläufig von seinen Figuren wiederholt wird. Dass Regisseur/Autor/Hauptdarsteller Yvan Attal ausblendet, was am nächsten liegt, macht DND quälend unrealistisch. Denn im Vollrausch beschließen Ben und Jeff, angestachelt von den Gainsbourg/Argento-Figuren, einen "künstlerischen" Porno zu drehen, Inhalt: "Die Hetero-Burschen Ben und Jeff ficken sich in den Hintern". "Künstlerisch" soll er dadurch werden, dass die zwei Leute im echten Leben Hetero-Freunde sind. Da entstand für mich endgültig der unfreiwillige Humor, denn dass jemand auch nur für 10 Sekunden dieser Idee etwas abgewinnen kann, so wie Attal und seine zwei Figuren den ganzen Film lang, ist einfach lachhaft.

Erstens: Was ist daran Kunst?!? Vor allem, sobald der Film – gähnend langsam! - fortschreitet, erkennt man, dass Ben und Jeff, obwohl sie angeblich (behauptet das Drehbuch) eine Kunsthochschule besucht haben, keinerlei Interesse an irgendeiner Gestaltung ihres "Kunst"Pornos zeigen, egal ob "künstlerisch" gestaltet oder irgendwie anders. Ihr Projekt zeigt keinen Unterschied zu "normalen" (also nicht "künstlerischen") Pornos: Sie wollen lediglich die Kamera auf ein Stativ stellen und einschalten. Punkt. Sie kommen nicht einmal auf die Idee, die zwei "heißen" und sexuell aufgeschlossenen Frauen (Gainsbourg/Argento), die ihnen das Projekt einredeten, in die Dreharbeiten einzubinden, etwa als Darstellerinnen, Technikerinnen, als Interviewpartnerinnen oder Flufferinnen – denn Jeff wäre durchaus recht spitz auf die Zwei – oder um eine zweite, vielleicht "künstlerische" Ebene einzuziehen: nein, kein Gedanke. Nein, Attal geht es nur darum, in endlosen, gedehnten, repetitiven Dialogen, die MFS und ihr Gebäude aus Selbstbetrug und Illusionen auszustellen. Übrigens: Auch eine Einbeziehung der ziemlich "heißen" Ehefrau Anna wird nicht erwogen. Obwohl das einerseits Ben & Jeffs Porno aufpeppen könnte - jede weitere Person könnte ihr Projekt nur verbessern - andererseits dem Vertrauen und der Offenheit in Ben & Annas Ehe gut tun würde. Auch Attals Film würde das erweitern. Nein, all das ist Attal offenbar zu tiefschürfend, und würde Zeit rauben, die Attal damit verplempert, in Endlosschleife redundante Szenen der MFS zu zeigen.

Zweitens: Wen interessiert, dass da zwei Hetero-Burschen sind, die sich in den Hintern ficken?

Drittens: Wer würde diese Vorgabe überhaupt glauben? Es gibt ca. 100 Millionen Pornofilme, die auf einer Lüge basieren, genau wie ca. 1 Millionen Spielfilme. Was immer im Porno an Inhalt, Biographie der Figuren oder Handlung behauptet wird, wird der Betrachter für Lüge und Erfindung halten. Gerade im Porno sind Lüge und Wahrheit nicht zu unterscheiden. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass die kopulierenden Figuren Jungfrauen, Cheerleader, HandwerkerInnen, Ehepaare, verwandt oder "Hetero-Freunde" sind. Es gibt keine Anhaltspunkte, ob es "wahr" ist, oder ob es von bezahlten Profis vorgespielt wird. Nichts also, was Ben und Jeff innerhalb ihres Kunstpornos behaupten, kann für bare Münze genommen werden. Was ihr Projekt von Anfang an sinnlos macht. Das Bild von "Zwei Männer haben Sex" ist das einzige, was ihr Film liefern wird.

Ben & Jeff selbst erkennen diese offene Frage erst ganz am Ende, im Hotelzimmer, nachdem sie tagelang diskutierten, wer wen fickt, ob überhaupt, wer zuerst den Rückzieher macht und "wie erklärt Ben es seiner Frau?" (so oberflächlich sieht der Film diese "MFS").

Ben erklärt es seiner Frau übrigens gar nicht richtig – die Frage wird nicht ernst genommen. Frauen sind in DND mal wieder Nebensache, dienen als Staffage, auslösendes Moment; ihre sexuelle Unabhängigkeit oder Kinderwunsch beunruhigen den spießigen Ben – der ist so verklemmt, dass es wehtut, bzw. wieder unfreiwillig komisch wird. Die Frauen des Film interessierten wohl nur mich. Was ich als "geheimnisvoll" deutete, ist für Attal vielleicht nur "zu kompliziert". Erst als Jeff sich bei Anna verplappert, wird DND interessant, verschenkt das dann aber auch wieder. Doch wie gesagt: die Männer kommen auch nicht besser weg: Sie sind zwar Hauptfiguren mit entsprechend (endloser!) Screentime, setzen aber neue Maßstäbe des Fremdschämens.
Also, im Hotelzimmer fragen sich Ben & Jeff endlich: "Wie sollen die Zuschauer uns abnehmen, dass wir hetero sind?" Geniale Idee: "Wir sagen es einfach!" (Weiteres endloses Gestotter ist die Folge. Manchmal wirkt DND wie eine [öde] Parodie auf französische Filme, wird quasi zu einem "Not another French movie". Genau, diesen Eindruck löste er bei mir aus.) Ja, klar. Wenn die es sagen, dann glaubt es natürlich jede/r. Ungefähr genau so einfach macht es sich auch der Film DND selbst. Und nimmt sich dabei total ernst. Damit unfreiwillig komisch, ist er in bester Tradition von Ed Wood und dem Amateurfilm, die ich hier gedreht habe.

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