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Da liegt Kevin allein im Gras: neben ihm die freundliche Geistermaske seines kleinen Begleiters (der jetzt nur noch wie ein guter Geist für ihn ist), die Geldscheine (das, was ihm nichts mehr nützt), über ihm der Hubschrauber (der ihn nicht mehr retten wird). Und dahinter die Sonne als ferner stummer Beobachter - wie die Kamera.
Clint Eastwood und Kevin Costner haben gemeinsam, dass sie vor diesem Film beide als Oscar - Abräumer auftreten konnten: Clint mit seinem "erbarmungslosen" Spätwestern, Kevin ebenfalls mit einem Western, in dem er mit dem Wolf tanzt. Sie haben nicht gemeinsam, was danach kam: während Eastwoods Filme seit "Erbarmungslos" jeden Filmfan auf Anhieb neugierig machen, bekam Costner in rasender Geschwindigkeit den Stempel "Kassengift" aufgedrückt, den er m.E. so eindeutig nicht verdient hatte. Aber das war 1993 alles noch nicht absehbar; und als sie sich für diesen Film zusammentaten, standen die Zeichen eher auf "Blockbuster".
Einen solchen zu drehen und auch noch dabei ein gewisses Niveau zu halten ist gar nicht so einfach, aber Eastwood kann das. Natürlich gibt es hier Passagen, die mir persönlich einfach zu lang sind (besonders die Sterbeszene und die, in der Kevin sich anscheinend nicht entscheiden kann, ob er den kinderprügelnden Farmer massakrieren soll), aber solche Szenen gibt es in Opern auch (da sind sie mir allerdings ebenfalls zu lang). Trotzdem muss ich zugeben, dass Eastwoods Ruhe die einzige Möglichkeit ist, Charaktere wirklich überzeugend zur Entfaltung zu bringen, und nur so führt er Costner zu einer seiner besten schauspielerischen Leistungen überhaupt - daran ändert auch der Umstand nichts, dass er wieder mal sich selbst spielt, denn hier kann er das ganz ausführlich und ist (als er selbst) präsent wie selten.
Und dennoch ist ein ruhiges Roadmovie fast ein Widerspruch in sich: man könnte diesen Film in die Howard-Hawks-Tradition einordnen (was besonders für Eastwoods eigene Rolle zutrifft: ein Mann, der mit allem fertig wird, nur nicht mit einer pfiffigen Frau), aber bei Hawks wäre derselbe Stoff straffer abgedreht worden - wie bei den meisten der alten Regisseure.
Vielleicht liegt das Problem genau dort, wo es Billy Wilder immer gesehen hat: im letzten Drittel des Films. Die Sequenzen, die ich für überdehnt halte, befinden sich dort, und die Frage, wie man eine solche Geschichte zu einem sinnvollen Ende führen kann, kommt auch dort auf. Vorher ist der Film abwechslungsreicher: da gibt es den fiesen Mithäftling, den Costner loswerden muss, da wird die Familie des Jungen (des freundlichen Geistes) gezeigt, da erleben wir die "freundlichen" Verkäuferinnen in dem "Friendliest'" - Laden (deren übertriebene "Kundenorientierung" einfach nur nervt), da sehen wir einen bestohlenen Farmer, einen um sein Auto geprellten Familienvater mit seinem zickigen Ehedrachen, da kommt immer wieder Freude auf. Zum Schluss dagegen konzentriert sich die Handlung einzig und allein auf die Hauptakteure, und die wirken - bei allem Respekt vor Eastwoods ruhiger Hand - irgendwie so, als wüssten sie auch nicht, wer das letzte Wort haben soll. Vielleicht hängt es sogar damit zusammen, dass Lennie Niehaus' Musik zu den Schlusstiteln hier erstaunlich schmalzig wirkt: auch sie spricht nicht das Schlusswort, das ich mir gewünscht hätte - trotz Eastwoods bekannter Musikbegeisterung.
Aber ich will den Film keinesfalls mies machen: letztlich ist Eastwoods Kino trotz gelegentlicher Abstriche genau das, was unserer effektüberladenen Zeit gut tut.

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