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In Riad träumt eine Zehnjährige (Waad Mohammed) von einer Wettfahrt mit dem Nachbarsjungen, doch in Saudi-Arabien ist Fahrradfahren für Mädchen verboten. Trotzdem versucht Wadjda auf dem Schulhof Geld für ein eigenes Rad zu verdienen. Währenddessen sorgt sich ihre Mutter (Reem Abdullah), dass sich Wadjdas Vater eine Zweitfrau nehmen könnte…

„Das Mädchen Wadjda“ ist ein Stück Filmgeschichte. Uraufgeführt bei den Filmfestspielen in Venedig 2012, ist das Leinwanddebüt der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al Mansour der erste abendfüllende Spielfilm, der in ihrem Heimatland gedreht wird, selbstverständlich mit Genehmigung des Kulturministeriums und überwacht von der Religionspolizei. Doch Al Mansour hat gar nicht vor, die herrschenden Verhältnisse und die Unterdrückung der Frauen offen anzuprangern, stattdessen propagiert sie eine Politik der kleinen Schritte. Mit geballter Unterstützung der Filmförderungsanstalten, sowie von NDR und BR, erzählt die Regisseurin eine wunderbare kleine Geschichte in einer Welt, wo die Diskrepanz zwischen Moderne und Tradition für den westlichen Zuschauer höchst gewöhnungsbedürftig ist: während das Kind zu Hause Jeans trägt, Popmusik hört und ein offenes Wort mit seinen Eltern führt, muss sich Wadja auf dem Weg zur Mädchenschule komplett verschleiern und wird hinter hohen Mauern vor allem im Lesen und Verstehen des Koran geschult, während eine gleichaltrige Mitschülerin von ihren Eltern bereits verheiratet wird. Doch angepasst oder nicht, zehnjährige Mädchen sind letztlich überall gleich! So leistet sich Wadjda kleine Ausbrüche aus der fundamentalistisch islamischen Welt, wenn sie unter dem schwarzen Kleid Sportschuhe trägt oder Freundschaftsbänder in den Farben populärer Fußballvereine an ihre Mitschülerinnen verhökert. Andererseits büffelt sie auch fleißig für einen Koran-Wettbewerb, bei dem ein hohes Preisgeld winkt, u.a. mit einer „Wer wird Millionär“-Videospiel-Variante, bei der religiöse Fragen gestellt werden. Die junge Hauptdarstellerin ist ein kleiner Charmebolzen und überzeugt von der ersten Minute an, auch Reem Abdullah bietet eine starke Leistung als Frau, die mit ansehen muss, wie die Schwiegermutter ihren Ehemann mit einer Jüngeren verheiratet, u.a. weil sie ihm keine weiteren Kinder, also auch keinen Sohn schenken kann.
„Das Mädchen Wadjda“ schafft bei Erwachsenen Zuschauern Verständnis für das Leben der Menschen in Saudi-Arabien und erzählt Menschen ab zehn Jahren eine tolle Geschichte aus einer fremden Welt, so nah und doch so fern. Die Filmbewertungsstelle vergibt das Prädikat „besonders wertvoll“, Filmfreunde im Ursprungsland müssen allerdings nach Bahrain oder Kuwait reisen. In Saudi-Arabien gibt es keine Kinos. Noch nicht! (9/10)

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