Der Norweger Roar Uthaug dürfte zumindest unter Slasher-Fans kein unbekannter Regisseur sein: Er drehte 2006 mit "Cold Prey" sein Spielfilm-Debut - ein relativ ordentlicher Slasher, der mir vor allem wegen dem Finale grandioso hängengeblieben ist. Nun wagt er sich mit "Escape - Vermächtnis der Wikinger" an eine Story heran, die sich im finsteren Mittelalter abspielt.
Norwegen 1363: Zehn Jahre sind vergangen seitdem die Pest die Hälfte der Bevölkerung getötet hat. Das Land ist leer und es herrscht Gesetzlosigkeit. Doch einige trotzen den Gefahren und begeben sich auf Wanderung, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Auch die Familie der 19jährigen Signe (Isabel Christine Andreasen) begibt sich auf solch eine Reise mit Pferd und Wagen. Auf ihrem Weg werden sie jedoch von einer brutalen Räuberbande überfallen und getötet. Lediglich Signe verschleppen sie ins Lager und sie soll für die kleine Frigg (Milla Olin) als Ersatzschwester herhalten, da die Anführerin Dagmar (Ingrid Belsø Berdal) keine Kinder mehr bekommen kann. Doch bei der ersten Gelegenheit flüchtet Signe und im Affekt kommt Frigg mit. Dagmar und ihre Krieger machen danach Jagd auf die beiden. Sie will ihre adoptierte Tochter Frigg wieder zurückhaben und Signe tot sehen...
Innerlich weigere ich mich ja immer wieder aufs Neue, wenn es um Filme aus vergangenen Epochen geht. Warum, weiß ich auch nicht so genau, aber wenn ich die Kostüme und Settings sehe, bekomme ich die Krätze. Wenn jedoch jeder Film so mitreißend inszeniert wäre wie Uthaugs "Flukt" (so der Originaltitel), würde ich bei solchen Werken öfters einschalten.
Schon ab der ersten Minute zieht der Film den Zuschauer in den Bann. Ein kurzes Vorwort zur aktuellen Lage, die Familie auf der Reise ins Nirgendwo und zack - fängt die Metzelei an. Unsichtbar wie Giftgas schleichen sich die Babaren an. Grafisch nicht hart aber dennoch grausam mitanzusehen.
Hier erkennt man schon, dass Ulthaug ein talentierter Regisseur ist. Ein saftig schönes Bild, nette Effekte mit dem Flitzebogen und auch die Landschaft ist hervorragend gewählt.
Im Lager legt der Film seine einzige Verschnaufpause ein, bevor es dann auf die Flucht der beiden Mädchen geht, die schauspielerisch über die ganze Laufzeit eine prima und vorallem glaubwürdige Performance rausholen.
Die Jagd auf die beiden Mädchen beugt sich zwar den typischen Elementen eines Thrillers (trotz großem Areal und teilweise großen Abständen tauchen die Verfolger immer wieder plötzlich auf), aber so bleibt eben auch kein Sand im Getriebe stecken und man bekommt dadurch neben Wäldern zusätzlich sehr viele unterschiedliche Locations geboten, die einen mit der Zunge schnalzen lassen.
Man verzichtet dabei (und das rechne ich den Drehbuchschreibern hoch an) komplett auf Schwarz/Weiß-Malerei. Auch die Bösen haben ihre Gründe, warum sie so sind, wie sie sind. Auch wenn sie unterschiedliche Bad Guys darstellen (neben dem komplett gefühlsfreien Barbar gibt es auch einen sozial agierenden Charakter). Besonders Anführerin Dagmar bekommt einen dramatischen Background, dass man teilweise ihr Handeln nachvollziehen kann.
Untermalt wird die Verfolgung abwechselnd mit klassischen Streichern oder hetzerischem Score (je nach Situation), was auch wieder Pluspunkte gibt. Obendrauf kommen auch Elemente des Dramas zum Vorschein (die kleine Frigg weiß nicht, zu wem sie halten soll), was sich in starken Szenen widerspiegelt.
Lediglich der Schlussakt, in dem Signe über sich hinauswächst, ist mir einen Tacken zu übermenschlich aufgetragen. Aber das fällt nicht weiter ins Gewicht, da ich mir es innerlich auch so gewünscht habe, dass es so kommen wird. Viele andere Auswahlmöglichkeiten gab es ja nicht mehr, den Film entweder im Guten oder im Schlechten enden zu lassen.
Roar Uthaug bereichert uns mit "Escape - Vermächtnis der Wikinger" wieder mit einem starken Stück norwegischem Kino. Sehr fesselnd und atemberaubend von der ersten bis zur letzten Minute erzählt. Durch die Bank durch tragen alle Schauspieler ihren Beitrag dazu bei, warum man sich diesen Film nicht entgehen lassen sollte. Die Logik lässt den Zuschauer zwar ab und zu leicht im Stich, jedoch gleicht dies wieder die unterschiedlichen Locations, die musikalische Begleituntermalung und der eigenständige Erzählstil wieder aus. Einschalten!
8/10