Höhle der Erinnerungen ...
Höhle der Erinnerungen oder wie im spanischen Originaltitel "La madriguera" ist ein Drama / Ehedrama von "Carlos Saura" der unter anderem auch Filme wie Peppermint Frappe (1967) oder den durchaus gelungenen Züchte Raben (1976) gedreht hat. Dementsprechend hat man es auch hier mit einem Film zu tun, der nicht nur schöne Bilder beinhaltet, sondern auch eine gewisse Tiefe vorzuweisen hat.
Fangen wir mit den Bildern an und hier mit dem Hauptdrehort, dem Haus von Javier Carvajal in Somosagüas, Madrid, das zwischen 1965 und 1966 von Javier Carvajal selbst als Architekt entworfen wurde. Das Besondere ist sicherlich der Bau und Architekturstil, den man dem Brutalismus oder späteren Escola do Porto zuordnen kann. Sichtbeton, minimalistisch, kühl und futuristisch. Also genau das Gegenteil zur romantischen oder gotischen Architektur, die alles andere als gradlinig ist. Warum das moderne Anwesen nennenswert ist, ergibt sich aus der Tatsache, das Regisseur "Carlos Saura" auch visuell die Thematik transportieren wollte, sodass der Ort des Geschehens passender nicht sein kann.
Die Story handelt in erster Linie um Teresa (Geraldine Chaplin) und ihren Ehemann Pedro (Per Oscarsson) die in ihrer Partnerschaft nach fünf Jahren genau so kühl und steril geworden sind wie das luxuriöse, aber unpersönliche Haus, in dem beide wohnen. Für Teresa änderte sich die alltägliche Disharmonie mit einer plötzlichen Erbschaft und der Auslieferung alter Möbel und Gegenstände, zu der sie sich immer mehr hingezogen fühlt. Auch wenn anfänglich Pedro das Neue und immer skurriler werdende Verhalten von Teresa befremdlich fand, läßt er sich schließlich darauf ein und wechselt den Wirkungsgrad des kühlen Hauses und taucht spielerisch durch Rollenspiele mit in die Welt von Teresa ein, in die Höhle der Erinnerungen, wo sie ihre Kindheit durchlebt. Statt sich aber wieder näher zukommen, zeigen die Spiele, das man sich immer weiter voneinander entfremdet und ein Abschluss unumgänglich zu sein scheint, der offensichtlich auch vollzogen werden muß...
Es ist richtig, dass man Höhle der Erinnerungen als psychologisches Kammerspiel bezeichnen kann, doch sollte man den gesellschaftlichen und sozialen Faktor nicht übersehen. Denn die Kühle des Hauses, der alltägliche Wohlstand und die kulturelle Norm dieser Zeit scheinen hier der Indikator der "Entfremdung" zu sein und man darf sich gerne philosophisch zurück in Menschheits-Höhle versetzten und abgleichen, wo die Artentfremdung sitzt und welche Vor und Nachteile sie mit sich bringt. Von diesem Aspekt paßt Höhle der Erinnerungen aktuell noch gut in unsere Zeit.
Ist der architektonische Brutalismus oder die Escola do Porto vielleicht wirklich der Spiegel? Ich persönlich denke nein, und Teresa und Pedro waren trotz Rationalität einfach nicht kompromissbereit genug.
Schauspielerisch paßte das Gespann gut zusammen und Geraldine Chaplin kannte man ja bereits aus "Peppermint Frappe" für den Carlos Saura in Berlin den silbernen Bären für beste Regie bekommen hatte. So ist die Umsetzung hier natürlich auch durchaus gelungen.
Vielleicht ist gerade jetzt, wo Carlos Saura im Februar 2023 verstorben ist, eine gute Gelegenheit, ihm zu ehren, sich mal mit der Filmografie zu beschäftigen. Und meiner Meinung nach könnte ein Label durchaus mal eine schicke DVD Box herausbringen, wo neben Peppermint Frappe, Züchte Raben auch definitiv ein Platz für Höhle der Erinnerungen vorhanden sein sollte.
Fazit: Höhle der Erinnerungen würde ich zweifellos als Anspruchskino bezeichnen. Besonders durch seinen eigenen Charakter und der Thematik ist er sehenswert und interessant. Allerdings muß man sich drauf einlassen können. Bewertung: 6,5 / 10 Punkte.