Staffel 1
Staffel 1
Ein schwarzer Blick in die gar nicht so weite Zukunft
"Black Mirror" zu kaufen, bekannt zu machen & nun ab Staffel 3 größer denn je aufzuziehen, war eine der klügsten Entscheidungen von Netflix der letzten Jahre. Und eine Win-Win-Situation für beide Seiten, da sich Netflix eine neue, aussergewöhnliche Anthologie-Serie an Board geholt hat, die das Zeug zum Flaggschiff & Publikumsmagneten hat, und gleichzeitig die Macher der britischen Serie vom neuen Bekanntheitsgrad, der kreativen Freiheit & dem ausgedehnten Geldbeutel profitieren. Wer auf clevere Kurzfilme, orwellsche Alpträume oder Horror-Anthologien ala "VHS" steht, hat hier seinen diabolischen Hybriden gefunden. Mutig, brisant, dreist & hochaktuell.
Staffel 1 besteht nur aus drei Episoden & ist perfekt um reinzukommen. Ein Folgen-Trio, dass schon alles mitbringt, was die Serie auszeichnet & gehörig Lust auf mehr macht. Da lässt das britische TV wirklich die Muskeln spielen. Prädikat: besonders wertvoll für unsere Gesellschaft. Und besonders bitter. Denn dieser futuristische Spiegel, der uns & unserer Welt vorgehalten wird, ist schmerzhaft, böse schön & so voller schwarzem Humor, dass einem das Lachen oft genug im Hals stecken bleibt. Selten war eine Serie mit abgeschlossenen Folgen so süchtigmachend, und das obwohl nur übergeordnete Themen den Kit der Serie bilden.
Gesellschafts- & Technikkritik wird hier groß geschrieben, was sich schnell in immer wiederkehrenden Themen wie dem mächtigen Netz, dem gläsernen Mensch, der Verrohung, Übertechnisierung, den sozialen Medien oder der lückenlosen Überwachung niederschlägt. Ich kann nicht hoch genug von "Black Mirror" schwärmen & kann die kommenden, leider sehr wenigen Folgen kaum erwarten. Zum Glück hat Netflix nun die Episodenanzahl pro Staffel immerhin auf 6 verdoppelt & ich bin überzeugt, dass da noch der ein oder andere bösartig-geniale Streich auf uns zu kommt. Die Folgen gehen zwischen 40 & 75 Minuten. Ob im deutschen TV dieses Niveau, sowohl technisch als auch inhaltlich möglich wäre, kann ich nur mit einem müden Lächeln abtun...
The National Anthem
(9/10)
Der englische Premierminister wird erpresst - er soll live im TV ein Schwein fic***, ansonsten stirbt die gekidnappte Prinzessin... Was für ein Auftakt! Eine Breitseite gegen unsere Geilheit auf krasse Perversitäten im Zeitalter von YouTube & Co. Heftig, lustig, abartig - kranke Idee, aber sehr genial!
Fifteen Million Merits
(8,5/10)
In einer kargen Zukunft, bewirbt sich eine junge Frau bei einer Castingshow - doch sie & ihr gutgläubiger Freund scheinen trotz, im Gegensatz zu ihrem Umfeld, noch relativ humaner Einstellungen, nicht aus dem hohlen & abgestumpften Teufelskreis entkommen können. Superbes Artdesign, die futuristischste Episode, starke Darsteller. Etwas zu lange Laufzeit, doch das Ende schockiert & das gezeichnete Bild unserer Gesellschaft ist eine perfekte Metapher unseres momentanen Daseins, könnte kaum treffender & abstoßender sein. Eine Breitseite für Castingshows & blinde Schaafe, Apps & gleichzeitig auch leere Idealisten. Bam!
The Entire History of You
(9/10)
Ein Chip hinterm Ohr zeichnet durch unsere Augen alles auf - so entwickelt sich ein Pärchenstreit & es zeigt sich schnell, wie verrückt, paranoid & gefährliche eine lebenslängliche Komplettaufzeichnung machen würde. Psychologisch wertvoll & sehr interessant. Ein Paar, zerstört durch Technik, die für mich schockierend unnötig erscheint, doch gar nicht so weit von uns dauerpostenden Glasmenschen entfernt ist. Eifersucht, Stalking & Kontrolle auf dem nächsten Level.
Fazit: bitter, böse, sozial vollkommen erschütternd - Sci-Fi-TV war lange nicht mehr so genial. Eine Warnung? Eine Dystopie? Oder ist es schon zu spät? Auf jeden Fall eine Art "Twilight Zone" des neuen Jahrtausends & die drei ersten Folgen machen den Mund eines jeden Zynikers wässrig. (9/10)