Na endlich mal ein Film über einen weißen Mann, der so edel und gut ist, einen Schwarzen Mann zu retten und zu zivilisieren. Dass dieser Film anschließend für diverse Preise nominiert wird, die ihrerseits fast alle weißen Männern in die Hand gedrückt werden würden, kann man dem Film selbst zwar nur bedingt vorwerfen, wirklich überraschen kann es aber irgendwie auch nicht. Tarantino selbst war ja schon immer ein postmoderner Filmemacher, wie er im Buche steht, der alles und jeden aufgreift, in den Fleischwolf steckt und am Ende ein Ergebnis erhält, das doch viel von ihm selbst beinhaltet. Hier muss er sich aber endgültig den Vorwurf gefallen lassen, eine Geschichte zu vereinnahmen, die schlicht nicht die seine ist.
Vielleicht lässt sich das ganze Problem an einer Szene exemplarisch festmachen, in der wir Zeuge werden, wie der von DiCaprio gespielte Candie einen Kampf zweier Sklaven auf Leben und Tod veranstaltet. Denn auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, kämpfen sie doch nicht für ihn, sondern für uns. Zwar hat Tarantino es durchaus geschafft, das so in Szene zu setzen, dass es wie das furchtbare Schauspiel aussieht, das es ohne jeden Zweifel ist, es dient also zumindest nicht unserer Unterhaltung. Trotzdem zeigt die Szene beispielhaft, wie zwei Schwarze Körper missbraucht werden, um uns eine Rechtfertigung für das vergossene Blut zu geben, an dem wir uns erfreuen sollen. Die Wut des Films richtet sich primär gegen die weißen Männer dieser Welt, den Schwarzen wird aber trotzdem keine Agency zugesprochen, sie dienen auch im Film nur der Projektion unserer Empfindungen. Nachdem bereits Inglourious Basterds eine ähnliche Szene enthielt, die man so deuten könnte, als wolle Tarantino seinem Publikum einen Spiegel vorhalten, ist es noch nicht mal ausgeschlossen, dass er sich dessen bewusst war, was er mit dieser Szene tat, wenn sie aber damit endet, dass er uns Franco Nero mit dem Holzhammer unter die Nase reibt, darf die Frage erlaubt sein, welche Erwartungshaltung er an sein Publikum stellt.
Django selbst soll natürlich die große Ausnahme sein, der tatsächlich so etwas wie eine eigenständige Persönlichkeit zugestanden wird. Ihn durch den ganzen Film hindurch so konsequent als besonders darzustellen, ist aber auch alles andere als unproblematisch. Und wenn er am Ende sogar dem rassistischen und biologistischen Geschwätz von Candie recht gibt, wirft das einen sehr traurigen Blick auf die übrigen Schwarzen Figuren, auf die, die im Film vorkommen, und auf die, die gar nicht erst erwähnt werden. Und wenn wir unseren Blick auf die Schwarzen Frauen richten, wird es wahrlich auch nicht besser. Eine muss gerettet werden, die anderen verdienen es im Zweifelsfall wohl gar nicht, gerettet zu werden. Mehr als schmückendes Beiwerk sind ohnehin nur wenige. Und wer netterweise ein wenig in den Vordergrund darf, ist entweder ein wandelndes Klischee oder wird direkt zur Antagonistin erklärt, allerdings ohne eine tiefere Charakterisierung. Wer ernsthaft etwas darüber aussagen will, wie Menschen zu Objekten degradiert werden, sollte vielleicht ein wenig aufpassen, sie nicht selbst nur zu MacGuffins werden zu lassen.
Die Weißen sind natürlich alle Rassisten, wie sie im Buche stehen. Das ist zwar einerseits nicht falsch, da es sich ja nun ohne Zweifel um eine rassistische Zeit handelt, andererseits schwingt doch ein wenig die Arroganz des spät Geborenen mit. Denn wir, so scheint Tarantino sich und den weißen Teilen seines Publikums zu versichern, wir sind ja ganz anders und hätten damals nicht mitgemacht, genau wie wir auch alle 33 ohne zu zögern in den Widerstand gegangen wären. Diesen Anspruch an sich selbst zu haben, ist zwar durchaus sympathisch, aber es ist eben doch auch recht bequem, ihm niemals gerecht werden zu müssen. Die vom Waltz gespielte Figur könnte da eine nette Ausnahme bilden, verachtet sie die Sklaverei doch eigentlich, hat aber auch keine großen Skrupel, sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Hier wäre etwas mehr Reflexion dieser Einstellung hilfreich gewesen, aber sie wird einfach akzeptiert und wir müssen uns noch eine ganze Weile mit dem paternalistischen Habitus herumschlagen, den die Figur und der Film einnehmen. Und was um alles in der Welt Tarantino davon überzeugt hat, es sei eine gute Idee, seinen weißen Erlöser auch noch Dr. King zu nennen, das wird vielleicht eines Tages eine der großen ungelösten Fragen der Filmgeschichte werden.
Dass er es aber letzten Endes doch schafft, daraus einen Film zu machen, der unterhält, wenn man die problematischen Aspekte ausklammert, das spricht unbestreitbar für seine Qualitäten als Filmemacher. Wie gewohnt zitiert er sich fröhlich durch die gesamte Film- und Musikgeschichte und entwirft etwas, das man wohl ohne Einschränkung als Popkultur bezeichnen kann. Ob es allerdings Themen gibt, die zu groß und zu ernst sind, um auf diese Weise behandelt zu werden, ist eine Frage, die wir uns als Gesellschaft stellen müssten. Und dass seine Vorliebe für Schwarzes Kino ihn genauso wenig dafür schützt, Rassismen zu (re)produzieren wie seine Schwarzen Freunde und Kollegen, ist etwas, mit dem sich Herr Tarantino wirklich langsam beschäftigen sollte.