Tarantino hat auch in Django Unchained alle Zutaten verwendet, für die ihn seine Fans lieben. Ein lässiger Inszenierungsstil, ein (nicht immer stimmiger) Retro-Soundtrack aus der Italo-Film-Ecke, skurrile Charaktere, comikhaft überzeichnete Gewaltexzesse, derber Humor, ausufernde Diolagzeilen. Dazu kommen grandiose Landschaftsaufnahmen (überhaupt überzeugt die Kameraarbeit), ein toller Cast und eine märchenhafte Storyline, die selbstverständlich mit historischen Ereignissen nicht das geringste zu tun hat. Der Mix aus all dem ist es dann auch, der den Reiz dieses Films - und beinahe jedes Films von Tarantino - ausmacht. Die dramatische Backgroundstory des Sklaven Django, der gemeinsam und mit Hilfe eines Kopfgeldjägers nach seiner Frau sucht, hat durchaus etwas sehr berührendes. Jedoch lenkt Tarantino immer wieder ab, entweder durch Nebenplots oder würzige und witzige Einlagen, die Tarantinos Spaß am Stilmix, am Vermischen von Retro und Trend, von Western und Hip-Hop, von Realismus und Märchen, von menschlichen Abgründen und Fun-Splatter aufzeigen wie bei kaum einem anderen seiner Filme. Dafür muss man offen sein, so viel steht fest. Wer ein Drama über die Sklaverei erwartet, wird enttäuscht und sollte liebe zu "12 Years a slave" greifen. Wer einen Western erwartet, wird enttäuscht und sollte lieber Klassiker des Genres anschauen wie "Die glorreichen 7".
Nunja, unterhaltsam ist dieser Film allemal und geboten bekommt man einiges. Die bereits erwähnte geniale Kamerarbeit ist wirklich unglaublich und auch die Schauspieler, allen voran Christoph Waltz, machen ihre Sache hervorragend.
DiCaprio passt wie die Faust aufs Auge und wirkt gerade durch sein Babyface ziemlich bedrohlich. Der Knaller aber ist Samuel L. Jackson, der seit vielen Jahren - im Grunde seit Pulp Fiction - gefühlt in jedem zweiten amerikanischen Film mitspielt. Seine Rolle, seine Maske und sein Spiel ist dermaßen fies und zum kotzen unsympathisch, dass es eine wahre Freude ist. Hier hat sich Tarantino eine Figur ausgedacht, die würdig ist, in einer Reihe mit Mr. Blonde aus Reservoir Dogs und Hans Landa aus Inglourious Basterds genannt zu werden. Apropos:
Viele haben kritisiert, dass Christoph Waltz erneut einen Oscar bekommen hatte, obwohl er im Grunde genauso (genial) spielt wie in Tarantinos Vorgänger Inglourious Basterds. Ja, es scheint etwas seltsam zu sein, aber ich finde bei näherer Betrachtung - und auch, wenn es viele andere Schauspieler gegeben hat, die damals den Oscar verdient gehabt hätten - dass Waltz als King Schultz fast noch besser ist als sein Nazi-Jäger Hans Landa. Und wirklich vergleichen kann man die Rollen eh nicht. Waltz spielt King Schultz extrem menschlich und warmherzig, obwohl er mit Mördern und Sheriffs, Marshalls und Plantagenbesitzern wie ein störrischer Beamter umgeht, dem es Spaß macht, mit verbalem Scharfsinn und überzeichneter Eloquenz sein Gegenüber dumm aussehen zu lassen. Hans "Inglourious Basterds" Landa dagegen ist ein comikhaft überzeichneter Nazi, der auch in "Jäger des verlorenen Schatzes" hätte dabei sein können. Aber der Kopfgeldjäger Schultz ist eben auch sehr menschlich und genau das spielt Christoph Waltz bei aller Tarantinoesquen Unglaubwürdigkeit der Handlung, die in einem zusammengeflickten historischen Kontext häppchenweise präsentiert wird, auf berührende Weise. Insgesamt ist ob der stilistischen Vielfalt des Films Tarantino in Gefahr geraten, sich immer wieder selbst zu zitieren und letztlich nichts mehr neues abzuliefern - auch das eine oft gehörte Kritik. Aber welcher Regisseur schafft es schon, ein so bahnbrechendes Kinoerlebnis wie Pulp Fiction zu kreieren, das die Kinolandschaft auf Jahrzehnte hin nachhaltig beeinflusst? Immerhin variiert er seinen eigenen Stil und kopiert sich selbst und nicht andere Regisseure - was man eben von vielen Regisseuren nicht behaupten kann.