Review

Seinen siebten Film Django Unchained läßt Meister Tarantino kurz vor dem amerik. Bürgerkrieg spielen - wie schon der Vorgänger Inglorious Basterds ist das Ganze ein Rache-Epos geworden. Diesmal jedoch hat Filmfreak QT das Zitieren gründlich übertrieben - 5 Jahre, nachdem ich den Film im Kino sah (ein einprägsames Erlebnis - seither schaue ich nie wieder einen Tarantino im Kino) habe ich es nach mehreren Anläufen zum zweiten Mal geschafft, den Film in einem Stück anzusehen, so schwer es auch fiel.

Nach den Rachephantasien der Basterds an den Nazis nahm sich QT diesmal seine eigenen Landsleute vor bzw. deren Sklavenhandel. Django Unchained, angesiedelt im Jahre 1858, erzählt die Geschichte eines weißen Kopfgeldjägers, der einen schwarzen Sklaven befreit und mit ihm weiße Schurken zur Strecke bringt. Leider verzettelt sich DU ein ums andere Mal zwischen Italo-Western, Rache-Epos, Blaxploitationgenre, Komödie und moralischem Zeigefinger anhand tatsächlicher historischer Begebenheiten. Wer die zweieinhalb Stunden geschafft hat, weiß zudem gar nicht mehr, ob QT andere Filme (Django, Leichen pflastern seinen Weg) oder schon mehr sich selbst zitiert.  

Am Problematischsten fand ich die Figur des Dr. King Schultz. Zum einen ist es verständlich, daß der Mann nach dem großen Erfolg von Inglorious Basterds erneut eingesetzt wurde, vor allem, um den für IB nicht erhaltenen Oscar doch noch zu bekommen - was ja auch geklappt hat, auch wenns ein typischer "Kompensations-Oscar" war. Zum anderen funktioniert es jedoch nicht, den "raffiniert Bösen" einen Film später zum "raffinert Guten" zu machen - ich nehme Waltz diesen Düsseldorfer Zahnklempner keine Sekunde lang ab. Überhaupt bleibt Schultz´ Motivation ziemlich unklar, einerseits befreit er den Sklaven Django (Jamie Foxx) andererseits benutzt er ihn nur für seine Kopfgeldjagd, was er ihm auch sagt. Fragwürdig bleibt auch seine Rolle als "guter Mensch" (nicht zu verwechseln mit "Gutmensch") da er ja auf seine Weise genauso ein Mörder ist wie z.B. die angeprangerten weißen Rassisten mit ihren Sklavenkämpfen. Davon abgesehen sind in DU sämtliche Weißen böswillige Rassisten - außer Dr. Schultz natürlich. So löblich das schonunglose Anprangern der Sklaverei auch sein mag, so wenig überzeugt mich der in fast jeder Szene zu spürende erhobene Zeigefinger Tarantinos. Christoph Waltz´ betuliches Gerede nervt schon nach kurzer Zeit, und spätestens ab dem Zeitpunkt wo er auf Big Daddy´s Farm aufkreuzt, empfinde ich seine Lines nur noch als Schleimscheißerei. Da mit seinem Ableben jedoch nicht so schnell zu rechnen ist, sülzt er noch unendlich lange so herum (der Gipfel der Schleimerei sind seine vorgeblichen Gewissensbisse beim Harfenspiel), was den ohnehin zähen Film noch weiter ausbremst - Spannung gibt es ohnehin keine, es ist vollkommen logisch daß Schultz & Django am Ende alle Rassisten niedergemacht haben werden. Zwischentöne sucht man in dieser Rache-Phantasie vergeblich...

Jamie Foxx als Django scheint es anhand seiner Mimik die meiste Zeit gar nicht zu kapieren, was da vor sich geht und wieso ausgerechnet er die Freiheit bekommt. Stets zwischen Staunen und Unsicherheit schwankend, wird er erst gegen Ende des Films entschlossen(er) - ein wenig glanzvoller Held. Die Idee mit Broomhilda (Kerry Washington) als seiner Frau in den Händen eines weißen Großgrundbesitzers scheint ihn anzutreiben, daß diese Frau jedoch deutsch spricht, weil QT das Nibelungenlied so gut gefiel daß er es irgendwie storytechnisch verbraten mußte ist natürlich vollkommener Schwachsinn. Leider hat das Drehbuch noch eine weitere Reihe derartig unlogischer Einfälle, sodaß nicht einmal eine halbwegs geradlinig erzählte Story übrigbleibt.

Was die Besetzungsliste betrifft, so haben sich auch diesmal wieder jede Menge Stars und Sternchen darum gerissen, "in einem Tarantino" aufzutreten. Neben den größeren Nebenrollen (Don Johnson als Big Daddy ganz passabel, DiCaprio als Candie etwas überkandidelt, Samuel L. Jackson als Stephen sogar richtig gut mit leider viel zu wenig Screentime) verschaffte QT auch dem legendären Franco Nero einen Kurzauftritt. Die Liste der vollkommen überflüssigen Nicht-Darsteller führt dann wieder einmal Zoë Bell an, was sich im nächsten Tarantino (The Hateful Eight) dann fortsetzt hat. Ziemlich unverständlich bleibt auch des Meisters Auftritt selbst, als er ziemlich am Schluß einen dummen Weißen spielt: Nicht beleidigend gemeint, aber Tarantino, der grinsende Tollpatsch mit dem aufgedunsenem Gesicht, was war der Zweck dieser Szene? Die Rolle des Stephen (Samuel L. Jackson) als schwarzem Ober-Rassisten, der viel intelligenter ist als sein weißer Herr Candie (dessen phrenologischer "Beweis" hatte fast Kindergarten-Niveau, statt "schrecklich" zu wirken) hätte dagegen Potential gehabt - leider wird dies viel zu wenig genutzt, Stephen stirbt bei der finalen Sprengung, ohne daß auf seine Motive, seinen Werdegang näher eingegangen wird.

Ziemlich unlogisch ist auch die letzte halbe Stunde des Films: Dr. Schultz wird erschossen, der Film ist aber noch nicht vorbei - dabei hätte dies der Höhepunkt des Shoot-outs sein können, ja müssen. Stattdessen geht die Geschichte noch weiter, nachdem Schultz und Candie fast gleichzeitig eliminiert wurden, wird Django, der den Shoot-out unverletzt unter einer Tür(!) übersteht, nochmal gefasst und fast kastriert - wieso das von Billy Crash (Walton Goggins) nicht vollzogen wurde bzw. wie billig er sich davon abbringen ließ, entbehrt jeder Logik. Wie Django später dann ein paar saudumme Weiße belabert, ihm eine Waffe zu geben, ist derart an den Haaren herbeigezogen, daß man nur noch abschalten will...

Den ganzen Film dominiert der Rachfeldzug gegen die weißen Rassisten, QT hat sich in diese Thematik derart hineinverbissen, daß er vollkommen auf seine sonstigen Stilmittel vergißt. Zwar sind die meisten Kills bildgewaltig in Szene gesetzt, dabei vermisst man jedoch diese speziellen, nebensächlichen Dialoge oder Begebenheiten, mit denen QT - neben seinen filmischen Gewaltausbrüchen - bekannt wurde. Einzig die Szene mit den Kapuzenmännern erinnert noch ein wenig an diese früher öfter verwendeten, prägenden Nebengeschichten, ansonsten ist stellenweise ein Holzhammer-Humor auf RTL2-Niveau eingestreut, den man nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nimmt ("Großes Indianer-Ehrenwort"). Mit derartigen Einlagen und dem unlogischen Filmverlauf sowie der merkwürdigen Wahl des Scores (u.a. Hip-Hop-Klänge) verwässert QT die soziokulturelle Aussage von Django Unchained, was wohl kaum in seiner Absicht gelegen hat, wie man den seinerzeitigen Begleit-Interviews entnehmen kann.

Pulp fiction, Reservoir Dogs, Jackie Brown, all diese Filme zünden auch nach 20 Jahren noch, man kann sie sich - so unterschiedlich sie auch angelegt sind - immer wieder anschauen, freut sich an bereits bekannten Dialog- oder Action-Feuerwerken und entdeckt vielleicht Versatzstücke und Filmzitate, die einem bei früheren Sichtungen entgangen waren. Django unchained dagegen, dieser wilde Genre-Mix, ist eine stinklangweilige Grütze, die sich wie Kaugummi zieht und einfach nicht vorwärtskommt - auch nach 5 Jahren Abstand ist das Zusehen streckenweise eine Qual. Mit nur geringem Abstand zu Kill Bill, dessen fernöstliche Thematik mich jedoch im Gegensatz zu klassischen Western nie interessiert hat, der zweitschlechteste Tarantino.

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