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Im zweiten Teil seiner nicht inhaltlich, aber thematisch lose zusammenhängenden Yakuza-Trilogie, „Rainy Dog“, erzählt Takashi Miike von dem Auftragskiller Yuji, der in Taipeh lebt und hier die Drecksarbeit für einen Yakuzaboss erledigt. Als ihm eines Tages eine ehemalige Affäre den gemeinsamen stummen Sohn vor die Tür setzt und abhaut, ändert sich sein Leben schlagartig. Doch der Plan, Taiwan zu verlassen und ein neues, ruhiges Leben zu beginnen, geht nicht auf.

In graublauen Bildern des Molochs Taipeh, unter Dauerregen und Neonlichtern, erzählt Miike die melancholische Geschichte eines Mannes, der sein Leben als in einer Sackgasse geendet erkennt und beim Versuch, umzukehren, tragisch scheitert. Im Vergleich zum reichlich skandalträchtigen Vorgänger „Shinjuku Killers“ kommt das erstaunlich milde daher – zwar gibt es eine Handvoll brutaler Gewaltszenen, aber von den übersteigerten Sex- und Perversionsorgien anderer Miike-Filme bleibt „Rainy Dog“ weit entfernt. Auch die Story wird überraschend konventionell erzählt, was einen kleinen Qualitätsabstrich bedeutet: So bleibt die Handlung doch recht vorhersehbar mit einem Killer, der ins Kreuzfeuer des eigenen Auftraggebers gerät und sich gegen diverse Handlanger und Verfolger erwehren muss. Vor allem im Mittelteil entsteht so eine gewisse Durchhängerphase, und der tragische Schluss gerät nicht ganz so intensiv, wie er bei originellerer Erzählweise hätte werden können.

Trotzdem erweist sich „Rainy Dog“ als gelungener und weitgehend fesselnder Mafia-Thriller. Das liegt zum einen an der souveränen Inszenierung: Die triste Farbdramaturgie, die Dauerregen, schmutzige Gassen und heruntergekommene Häuser zu einem Setting vereint, das die tiefe innere Traurigkeit des Protagonisten widerspiegelt, erzeugt schnell eine dichte Atmosphäre, die beinahe durchgehend in ihren Bann schlägt. Immer wieder gibt es Bilder von erlesener Schönheit und zugleich Melancholie, etwa wenn der Killer im nächtlichen Gewitter seinen volltätowierten Rücken entblößt. Auch die punktuell ausbrechenden Gewaltsequenzen überzeugen mit stringenter Inszenierung und glaubwürdiger Darstellung. Die Brutalität des Gangstermilieus wird hier treffsicher in Szene gesetzt.

Daneben kann die Charakterisierung der Agierenden für viel Empathie sorgen. Nicht nur der melancholische Auftragskiller wird als emotionaler Mensch, der seine Zartheit hinter der groben Fassade seines Jobs versteckt, porträtiert; auch die baldige Ersatzmutter, die sich als Prostituierte durch eine Welt schlägt, in der ihr nichts als Ablehnung und Verachtung entgegengebracht wird, trifft ins Herz. Und vor allem die Storyline um den von niemandem gewollten Jungen, der zum Vater abgeschoben und von diesem auch mal die ganze Nacht im Regen stehen gelassen wird, findet immer wieder herzzerreißende Momente – etwa die Begegnung mit einem ebenso verlorenen Hund. Allein der stumme Gesichtsausdruck des Jungen, wenn er den Vater zu dessen Aufträgen begleitet und aus sicherer Distanz beobachtet, wie der kaltblütig Menschen ermordet, gräbt sich tief ein. Die gemeinsame Annäherung zwischen Vater, neuer Mutter und Sohn im letzten Filmdrittel erfolgt dann so subtil und zurückhaltend – und dadurch gerade glaubwürdig – dass hier keinen Moment lang die Gefahr von Gefühlskitsch besteht.

So erweist sich „Rainy Dog“ trotz seiner konventionellen Hauptstory als immer wieder in Details überraschender, zu Herzen gehender Film über die Menschlichkeit inmitten von Grausamkeit und Gewalt, der in schnörkelloser 90er-Tristesse-Ästhetik erzählt wird und auch vor krassen Auflösungen nicht zurückschreckt. Auch wenn manch ein Detail zu viel ausgespart wird und einige Übergänge nicht ganz klar werden, ist er definitiv ein empfehlenswerter, erstaunlich emotionaler Gangster-Thriller von Japans diesmal nicht ganz so schlimmem Skandal-Regisseur.

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