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Eine der zentralen Lehren des Buddhismus besagt, dass alles Existierende vergänglich ist. Um sich diesen Grundsatz zu verinnerlichen, wurde in klassischen religiösen Texten angehenden Mönchen empfohlen, auf Friedhöfen oder direkt im Angesicht verwesender Leichen zu meditieren. Was das mit der japanischen Extremfilmreihe "Guinea Pig" zu tun hat? Nun, sehen Sie selbst.

Was die noch im gleichen Jahr produzierte Fortsetzung "Guinea Pig: Flowers of Flesh and Blood" wohltuend von seinem Vorgänger abhebt, ist der merklich zurückgeschraubte Grad an Sadismus. Ging es im ersten Teil noch darum, eine Frau als wehrloses Opfer perverser Experimente zu missbrauchen, eröffnet der zweite Teil eine andere Perspektive: Die entführte Frau wird mit einem Beruhigungsmittel quasi betäubt, sodass sie keinerlei Schmerzen mehr verspürt - selbst dann nicht, wenn ihr Körper nach und nach in Stücke geschnitten wird. Hier geht es nicht um das Zufügen fürchterlicher Qualen, sondern um die Schönheit des Hässlichen. Und so watet der Film bald in literweise Blut, Eingeweiden und abgehackten Gliedern. Das ist nur für abgebrühte Splatter-Fans goutierbar, entwickelt aber mit der Zeit eine erschreckende Ästhetik des Grauens, wie sie selbst ein Gottfried Benn nicht intensiver hätte darstellen können.

Zugegeben, fragwürdig bleibt die Ausgangssituation weiterhin: Wieder einmal weidet sich ein Film an der Darstellung blutigster Gewalt gegen eine Frau. Und dass im Vorspann behauptet wird, der Film sei die Nachstellung eines Videos, das einem Comiczeichner zugesandt worden sei, verleiht "Guinea Pig: Flowers of Flesh and Blood" eine beängstigende Authentizität, die das Dargestellte in ungemütliche Nähe mit Snuff-Filmen bringt. Andererseits ist der Trick, zuzugeben, dass der Film selbst bereits eine Nachstellung sei, ziemlich clever, verleiht er ihm damit doch den Freiraum, sich durch den Einsatz künstlerischer Mittel als Inszenierung zeigen zu dürfen, ohne den Anspruch auf Echtheit des Ausgangsmaterials in Frage zu stellen. Und so werden die einzelnen Akte der Gewalt in unterschiedliche Farben getaucht und klatscht ein abgehackter Kopf in Zeitlupe gegen eine Wand, wo er rote Blutflecken - eben die "Blumen aus Fleisch und Blut" - zurücklässt. Die Dekonstruktion des menschlichen Körpers wird hier zum künstlerischen, ästhetisch ebenso faszinierenden wie abstoßenden Prozess erhoben. Die moralischen Einwände, die gegen einen solchen Versuch zu erheben sind, werden durch die Künstlichkeit der Szenerie ein Stück weit ausgehebelt. Und auch wenn die Splatter-Effekte äußerst drastisch sind, bleiben sie doch als solche erkennbar.

Und wenn am Ende des Films der Täter seine Sammlung präsentiert und die Kamera minutenlang in Großaufnahme Körperteile in unterschiedlichsten Stadien der Verwesung zeigt - was durch die Untermalung der Bilder mit einem finsteren Lied über die Hölle zur beinahe feierlichen Zelebrierung körperlicher Vergängnis mutiert - dann kann man sich durchaus an die buddhistische Meditation über die Endlichkeit allen Seins erinnert fühlen.

Durch diese Ästhetisierung der krassen Gewalt erhält "Guinea Pig: Flowers of Flesh and Blood" wesentlich mehr künstlerische und auch philosophische Fülle als der erste Teil und so diskussionswürdig eine mögliche Billigung solcher Taten als Akt der Kunst auch sein mag, eröffnet sich dem geneigten - und mit starkem Magen versehenen - Zuschauer hier doch eine Welt, in der die zerstörte Körperlichkeit dem Menschen seine universellen Grenzen aufzeigt.

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