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Schwarzenegger war noch nie der Held des Feuilletons. Mit Ausnahme vielleicht seines intellektuell anspruchsvollsten Films „Terminator 2" (1990) fungierte er meist nur als Prügelknabe frustrierter Schreiberlinge, die das Genre „Actionfilm" selbst bereits als Sammelbecken noch nicht erwachsen gewordener, politisch unaufgeklärter Wirtshausbesucher entlarvten und mit geschulter Leidenschaft in Grund und Boden diskutierten. Auch heute noch, nach vielen Jahren Film- und Feuilletonerfahrung, liest man, wenn auch mit einem süffisanten Lächeln im Gesicht, beispielsweise folgenden Beitrag vom 31. Januar aus einem lokalen Käseblättchen:

„... Bei dem sadistischen Gemetzel werden besonders dicke Colts in die Kamera gehalten. Ein Satz wie ‚Ich bin der Sheriff‘ bekommt dann durch einen Kopfschuss seinen besonderen Nachdruck. [...] Last Stand bleibt ein reaktionärer Selbstjustiztrip."

„Genial!" denkt sich da der kundige Feierabend-Cineast und lässt dafür doch glatt den gemeinsamen Theaterabend mit der Ehefrau sausen. Hört sich klasse an! Bei den Lorbeeren muss der neue Schwarzenegger ja ordentlich hinlangen. Das stimmt zwar nach solchen Zeilen in der Regel auch, zumindest der mit den Jahren gewonnenen Erfahrung nach, doch ahnt der nun natürlich frohlockende, auch mit Mitte 30 noch schwer unaufgeklärte Filmfreund nicht, dass er es weder mit einem „reaktionären" noch und erst recht nicht mit einem „Selbstjustiztrip" auf der Leinwand zu tun bekommt. Die unfreiwillige Werbung aus der Zeitung ist eine Ente derselben. Nun ist der Actionfan enttäuscht. Nicht einmal mehr auf die Verfechter der militanten Friedfertigkeit ist Verlass. Ist aber letztendlich alles halb so wild, denn, lieber Krachfilm-Freund, du bekommst einen waschechten, wenn auch etwas durchschnittlichen 80er Genrevertreter vorgesetzt. Und das im Jahre 2013. Immerhin.

Sheriff Ray Owens (Arnold Schwarzenegger), der sich trotz seines unzweideutig angelsächsischen Namens gegen Ende des Films als Immigrant outet, nähert sich der wohlverdienten Rente. Jahrelang hat er im Moloch Los Angeles Drogendealer gejagt und dabei den Gutteil seiner einstigen Lebensfreude auf der Strecke gelassen. Doch der Ruhestand ist ihm noch nicht vergönnt. Ausgerechnet sein kleines Städtchen an der mexikanischen Grenze wird unvermittelt Treffpunkt der Schergen des Drogenbarons Cortez (Eduardo Noriega), die ihrem Boss, der unlängst aus dem Gewahrsam des FBI entkommen konnte, die Flucht über die Grenze ebnen wollen. Der verantwortliche Ermittler, Agent John Bannister (Forest Whitaker), ist stets einen Schritt zu langsam für den mit allen Wassern gewaschenen Mafiachef und Autojongleur, der lieber einen rasend schnellen Sportwagen für seinen Weg nach Mexiko benutzt als einen Helikopter. Die Einwohner des kleinen Kaffs Sommerton sind allesamt praktischerweise gerade mit Bussen weggekarrt beim Auswärtsspiel, damit also vortrefflich verräumt, was bedeutet, dass das menschenleere Nest mit seiner breiten Hauptstraße im Western-Stil eine frisch gekehrte Bühne für die nun heraufziehende blutige Auseinandersetzung bietet. Die folgt natürlich seit Jahrzehnten bewährtem, lieb gewonnenem Muster. Der Held ist jederzeit Herr der Lage und jeder Rückschlag zementiert seinen endgültigen Triumph nur noch mehr. Die Bösen sind auch tatsächlich die Bösen und nicht daran interessiert, eines Tages resozialisiert zu werden. Während also die Handlanger Cortez‘ das Örtchen und den in der Nähe befindlichen Grenzübergang auf Vordermann bringen, wobei der ein oder andere Anwohner über die Klinge hüpfen muss, organisiert der vom fiesen Treiben nicht eben erbaute Sheriff die Gegenwehr. Ihm zur Hilfe steht der Dorftrottel und Waffenbesitzer Lewis (Johnny Knoxville), die junge Polizistin Sarah (Jaimie Alexander), deren Freund und Ex-Soldat Frank (Rodrigo Santoro, der nicht wieder zu erkennende Xerxes aus „300") und eine Omi, die von ihrem Fenster aus das amerikanische Recht auf Waffengebrauch zelebriert. Sieht also schlecht aus für Cortez, seinen Adjutanten Burrell (Peter Stormare) und ihre an Personal multifach überlegene Truppe, aber da das wie immer zum Glück nur der Zuschauer weiß, kann das ungleiche Duell beginnen.

„Was macht Schwarzenegger aus seinem Comeback?" Eine vielgehörte Frage. Hat er es, wie alles bisher in seiner Karriere, wohl überlegt und von langer Hand geplant? So weh es tut, das zu sagen, leider nein. Selbst mit beiden Augen fest zugedrückt und einer Menge Nostalgie geschwängerter Nibelungentreue in der Brust, kommt man nicht umhin zu sagen: „Jedenfalls macht er nichts Überragendes". An den Dialogen wurde zu wenig gefeilt, die Gags klappen zu oft überhaupt nicht, wirken bemüht und Johnny Knoxvilles Laterne-hoch-Krabbeln, um dann völlig überraschend wieder runterzufallen, ist auch nicht gerade das, was man unter zündendem Spaß versteht. Zumindest nicht, wenn man schon hinreichend Disneys Cartoon-Viecher beim gegenseitigen Nachjagen erlebt hat. Auch ist das Drehbuch der Zeit völlig hinterher, denn sämtliche Nebenbaustellen sind entweder überflüssig - wie die lieblose Liebesgeschichte der beiden jungen Helfer Owens‘ - oder sind zu tollpatschig in die Handlung geworfen - wie das lahmarschige FBI, das trotz Flugausrüstung Tage braucht, um endlich vor Ort zu sein.

Aber, und es tut gut, das sagen zu können, es gibt auch Schöneres zu vermelden. Die Action ist zwar nicht preisverdächtig, jedoch solide inszeniert. Die Spitzbuben lassen sich willig ausknipsen, hüpfen nicht nervtötend in Deckung und zögern ihren Tod damit nicht unnötig in die Länge. 80er eben. Letzteres wird zudem blutig bebildert, mit wenig CGI, dafür echtem Kunstblut. Wie in den 80ern. Hin und wieder, wenn auch zu selten, sitzt auch ein cooler Spruch da, wo er sitzen sollte. Hier bestünde aber wirklich Nachbesserungsbedarf. Insgesamt fühlt sich „The Last Stand" an wie ein gemütlicher Beitrag aus dem großen Jahrzehnt des Actionfilms, nur eben mit dem Unterschied, dass er von heute ist. Trends entdeckt man hier ebenso wenig wie Innovation, Wackel-Bilder genauso wenig wie Farbfilter. Einzig die Orchestrierung der End-Credits weist unmissverständlich auf den Einfluss der modernen Genrekonkurrenz hin. Und da lohnt sich an dieser Stelle doch durchaus ein Vergleich.

Man möchte „The Last Stand" aus diversen Gründen mit Robert Rodriguez‘ „Machete" (2010) vergleichen. Beide Drehbücher sind eher von Hoppel dem Hasen gebracht als zu Ende gedachte Kunst. Hier wie dort ist die Kommunikation grob justiert und austauschbar. „Machete schickt keine SMS!" Und der liebe Gott keine Drehbücher. Dennoch ist der Kunde letztendlich König und bekommt, wofür er bezahlt. Intellektualität oder Philosophie findet man hier selbstredend auch nicht mit dem Elektronenmikroskop. Aber na und?! Wem schadet das? Nur die Politik hat inzwischen Eingang in Rodriguez‘ Schaffen gefunden. Da wird den ins gelobte Land strömenden Lateinamerikanern etwas an der wirklichen Sachlage vorbei eine Lanze gebrochen. Für Schwarzeneggers Comeback gilt das, trotz des oben zitierten Vorwurfs, allerdings nicht. Sein neuester Streifen ist beileibe kein „reaktionärer Selbstjustiztrip" (Latein ist schwer. Richtig aus dem Wörterbuch abschreiben eigentlich nicht). Als Beispiel mag der Showdown dienen. Sheriff Arnie versucht mehrmals, Cortez zu verhaften statt umzubringen. Er nimmt dafür sogar zahlreiche Blessuren in Kauf, riskiert weitere Verletzungen, bis er seinen Gegner schließlich doch im Zweikampf überwindet und - verhaftet! Der ehemalige Österreicher bleibt also so vorzeigbar und gesetzestreu wie er es seit den ausgehenden 80ern, sprich seit dem Beginn seiner politischen Ambitionen ist. Eigentlich schade, denn etwas mehr Biss stünde ihm, auch im Hinblick auf sein kommendes Schaffen, nicht schlecht zu Gesicht. Dass das auch als Großpapa potentiell noch funktioniert beweist Kollege Eastwood. Und der könnte, ohne sich hier in genealogische Untiefen begeben zu wollen, sogar der Vater von Arnold sein.

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