Das Langzeitgedächtnis ist ein absolutes Phänomen, denn oftmals reicht eine kleine Assoziation aus, um vermeintlich vergessene Informationen abzurufen. Ein bestimmter Geruch kann beispielsweise an eine längst verstorbene Person erinnern, der Anblick einer seltenen Blume an einen Urlaub vor 30 Jahren, während ein spezielles Lied an eine noch speziellere Party erinnern könnte.
Regisseur und Autor Nir Paniry greift dieses Grundthema für seinen ersten Langfilm auf und kreiert daraus einen überwiegend sehr unterhaltsamen Thriller.
Wissenschaftler Tom hat eine Apparatur erfunden, mit der es möglich ist, per Chip Erinnerungen zu visualisieren. Die Justizbehörde zeigt Interesse, verlangt jedoch, dass Tom in die Erinnerungen des vermeintlichen Mörders Anthony eintaucht. Die Aktion geht schief und Tom bleibt in den Erinnerungen Anthonys gefangen, während sein Körper im Koma liegt.
Während Anthony ins Gefängnis wandert, versucht Tom ihn innerhalb seiner Erinnerungen zu erreichen und Kontakt aufzunehmen...
Der Einstieg wird ein wenig sprunghaft erzählt und es bedarf einer Weile, um in die Materie einzutauchen, welche primär im ersten Drittel einiger Konzentration bedarf.
So sehen wir Tom in einer Szene aus Anthonys Kindheit. Er steht quasi daneben, als der Junge seinem Vater in der Garage hilft und anbei versucht, den Hund zu dressieren. Tom hat diese Momente bereits mehrfach erlebt, da er seit vier Jahren im Koma liegt und der Computerstimme Mimmi Anweisungen gibt, um ihn zu bestimmten Erinnerungen zu führen.
Ein wenig das Prinzip vom täglich grüßenden Murmeltier.
Als sich Toms und Anthonys Erinnerungen kreuzen, ist das auf wissenschaftlicher Ebene zwar kaum nachvollziehbar, jedoch nimmt die Erzählung ab da spürbar Drive auf.
Natürlich läuft alles auf die Fragen hinaus, ob Tom wieder aus seinem Synapsen-Polygraph entkommen kann und ob Anthony wirklich seine Freundin umgebracht hat, was besonders im letzten Drittel recht spannend verläuft, als Tom Assoziationen liefert, um den Abend des Mordes zu rekonstruieren. Dabei steht ein rotes X als Platzhalter, also als Erinnerungslücke, was recht ansprechend visualisiert ist.
Überhaupt hat Paniry seinen Stoff zwar recht schlicht und schnörkellos in Szene gesetzt, doch die grundsoliden Mimen und ein sehr gutes Gespür für Timing wirken sich spürbar positiv auf den Unterhaltungswert aus. In erster Linie ist es jedoch die spannende Grundidee, welche den Zuschauer in seinen Bann ziehen kann: Die Vergangenheit eines Individuums ist zwar unwiderruflich, doch was, wenn jemand manipulierbar ist, einer Gehirnwäsche unterzogen wurde oder bestimmte Ereignisse im Drogenrausch stattfinden? Was geschieht dann mit den Erinnerungen? Folgerichtig fügt Paniry der Erzählung noch den einen oder anderen Twist hinzu, was das Bild eines gelungenen Showdowns abrundet.
Das Konzept der Geschichte geht zumindest voll auf und auch wenn es im Mittelteil ab und an minimale Leerläufe zu verzeichnen gibt, könnte der Stoff vor allem jenen Science Fiction Freunden gefallen, die Streifen wie "Inception" mögen, denn wer sich gerne mit Fragen nach Erinnerungen, Gedächtnislücken, Wahrheitsgehalten und Zeitschleifen auseinandersetzt, dürfte hier voll auf seine Kosten kommen.
Knapp
8 von 10