Review

Schweine, Ferkel, Orchideen, Würmer, Geräusche, gemeine Erinnerungen oder doch getrennte, das Buch „Walden oder Leben in den Wäldern“, Lebenszyklen, Synchronität, Swimmingpools, ein Sammler – alles in einem Film, der all diese unterschiedlichen Dinge verbindet. Klingt schräg – ist es auch.

Ich versuche mal zunächst den Inhalt des Films wiederzugeben: eine junge Frau, die Werbeclips produziert, wird Opfer einer perfiden Attacke: ein Mann (den wir am Anfang des Films schon gesehen haben) bringt sie dazu, Wasser zu schlucken, in dem sich ein zuvor von dem Mann „geernteter“ Wurm befindet. Dieser führt nun dazu, dass Kris (so der Name der jungen Frau) willenlos und wie unter Hypnose dem Dieb sozusagen Haus und Hof überschreibt. Am Ende überlässt der Dieb Kris ihrem Schicksal: sie kann sich an nichts erinnern und bemerkt jedoch einen wachsenden Wurm unter ihrer Haut…
Szenenwechsel: ein älterer Mann (der Sammler) sammelt Würmer über bass-lastige Geräusche aus Boxen in Feldern, davon wird die völlig verwirrte Kris angezogen. Der Mann entfernt Kris ihren inzwischen langen Wurm in einer Operation und transplantiert diesen Wurm in einem jungen Schwein. Nun kann dieser Sammler sozusagen verfolgen, was mit den Opfern weitergeschieht. Auf seiner Schweinefarm befinden sich offensichtlich Dutzende solcher Würmerschweine. Da ein Schwein ein anderes nett findet, trifft Kris „zufällig“ Jeff, der offensichtlich auch unter dem Einfluss des Wurms sein Geld verlor. Zunächst können sich beide nicht erklären, was sie zueinander hinzieht, aber mit der Zeit lassen sie es geschehen, denn sie merken, dass sie verbunden sind, sogar so stark, dass jeder dem anderen sogar die Erinnerung streitig macht – offenbar eine Folge ihrer „Wurmkur“. Doch nach mehreren bizarren Ereignissen macht sich vor allem Kris daran, dem Geheimnis auf den Grund zu kommen. Sie entdeckt einen parallelen Lebenskreislauf Wurm-Schwein-Orchidee.

Tja, also wie man sieht: klassisches Erzählkino in Reinkultur und am Ende wird alles aufgelöst.

Nun ja, nicht ganz. Es gibt so viele Aspekte in diesem Film, die wie ein Puzzleteil ihren Teil dazu beitragen KÖNNEN, den Film besser zu verstehen: so hat Kris früher ein Kind verloren, nun glaubt sie wieder schwanger zu sein, was aber medizinisch nicht möglich ist, da sie früher eine verhängnisvolle OP hatte. Aber: ihr Alter Ego als Schwein ist aber schwanger und sie spürt das. Und warum hypnotisiert der Dieb seine Opfer mit Henry David Thoreau Buch „Walden“?

Ein unfassbar komplexe Story, die Shane Carruth hier in seinem zweiten Film entwickelt. Und ganz klar: man kann diesen Film auch ohne weiteres und mit Recht unfassbar prätentiös und langweilig finden, ich fand ihn wie ein Trip in bizarres, hermetisches, in sich nahezu logisches Paralleluniversum, der den Zuschauer wahrlich herausfordert. Dabei unterlegt mit einem exquisiten, hypnotischen Elektro-Soundtrack (vom Regisseur selbst), einer guten Hauptdarstellerin (Amy Seimetz), kristallklaren Bildern und einem hervorragenden Schnitt.
Ich habe mich trotz mancher Redundanzen nie gelangweilt, im Gegenteil – beim zweiten Sichten fand ich den Film noch besser (und „verständlicher“) als beim ersten Ansehen.

Und was will uns das alles sagen? Tja, wohl jeder Zuschauer hat wohl eine Theorie zu dem Film. Ich glaube, es ging (das war wohl auch Absicht des Regisseurs) um Identitäten des Menschen – was macht ihm zu dem, was er ist, wieso handelt er so und nicht anders. Und da ist „Upstream Color“ wahrlich eine kühne Theorie, warum wir manchmal so sind, wie wir sind und was wir sind.
Sicher ein Wagnis, diesen Film zu empfehlen: versucht es, es lohnt sich, aber ich habe Euch gewarnt.
8,5/10.

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