Til Schweigers "Tatort"-Einstand - mit Spannung erwartet, von einem riesigen Medien-Hype begleitet und heftigst diskutiert wie zuletzt noch der Münsteraner Beitrag "Das Wunder von Wolbeck". Dazu - wie zu erwarten war - eine Top-Einschaltquote von 12,5 Millionen Zuschauern.
Auch ich hatte in letzter Zeit selten das Bedürfnis, einen "Tatort" so schnell wie möglich sehen zu wollen. Angesteckt von der tagtäglichen Berichterstattung unseres lokalen Radiosenders schaute ich mir gestern Abend "Willkommen in Hamburg" an.
Ich hatte keine großen Erwartungen, war aber auch als eingefleischter "Tatort"-Fan nicht abgeneigt, die durch Schweigers Mitwirken angekündigte Neuerung zu akzeptieren.
Die Marke "Tatort" ist längst nicht mehr so klassisch, wie der Titelvorspann mit der obligatorischen Eingangsmelodie vermuten lässt. Im Laufe der Jahre wurde die langlebigste deutsche Krimiserie immer experimenteller: sei es inszenatorisch, handlungstechnisch oder was die Charaktere neuer Ermittler anging.
Schweigers Auftritt modernisiert nicht den "Tatort" - er fügt der Prestigemarke "Tatort" lediglich eine weitere Facette hinzu: weg vom reinen, sozialkritischen Ermittlerkrimi zum harten Actionthriller, bei dem der Ermittler todesmutig unter Dauerbeschuss durch die Glasfassade eines Wohnhauses springt um einen Stockwerk tiefer mit ein paar Schrammen den Kampf gegen böse Menschenhändler erneut aufzunehmen - immer große Hollywood-Vorbilder vor Augen.
Doch was in Schweigers erst kürzlich im Kino gezeigten Actionfilm "Schutzengel" funktionierte, geht in dieser - bis dato teuersten - "Tatort"-Produktion nicht auf und verkommt in kürzester Zeit zu einer unfreiwillig komischen Selbstinszenierung Schweigers.
"Willkommen in Hamburg" trägt eindeutig Schweigers Handschrift, auch wenn für Drehbuch und Regie andere "Übeltäter" verantwortlich zeichneten - dennoch lässt dieser "Tatort" zu keiner Zeit Zweifel offen, dass diese Episode mehr mit "Keinohrhasen", "Zweiohrküken" und "Kokowääh" gemeinsam hat als mit einem Krimi, geschweige denn mit der Reihe "Tatort".
Nichts gegen Humor im Tatort - ganz im Gegenteil: skurriler und humorvoller als die Münsteraner oder David Striesows Einstand in "Melinda" kann kein "Tatort" sein - aber wenn Schweiger seinen Humor aus seinen Klamotten in den "Tatort" einbringt wirkt das genauso abgedroschen, wie in jeder Handlungsweise, in jeder Art des Auftretens dem Kult-Bullen Schimanski nachzuäffen - ohne auch nur annähernd dessen Klasse zu erreichen. Dazu alle fünf Minuten "Fuck" - was einst bei Götz George mit seinen Fluch und "Scheiß"-Tiraden noch für künstlich aufgebauschte Skandale in der deutschen TV-Landschaft sorgte, erzeugt bei Schweiger lediglich Kopfschütteln.
Und wenn Schweiger zu Fuß einem Van quer durch Hamburg hinterher sprintet um in voller Fahrt auf den Wagen zu springen, die Schiebetüre zu öffnen und vor einer lächerlich anmutenden Bluescreen-Animation ins Wageninnere zu hechten - ja, dann ist der Höhepunkt an unfreiwilliger Komik erreicht und Schweigers egomanische Selbstinszenierung zur Persiflage verkommen.
Also wenn ich solche Stunts - zudem noch viel besser in Szene gesetzt - sehen möchte, dann schalte ich mit meiner Tochter "Cobra 11" ein - da weiß ich, was mich erwartet und fühle mich unterhalten.
Wenn ich einen "Tatort" sehen möchte erwarte ich schon so etwas wie einen Krimi. Zugegeben: Striesows Einstand in "Melinda" war schon grenzwertig und sehr gewöhnungsbedürftig - er hatte nur einen Unterschied: er war unterhaltsam und machte Laune.
"Willkommen in Hamburg" dagegen wirkt nach kurzer Zeit wie eine Überdosis Schlaftabletten und ist ein Ärgernis wie eine Wurzelbehandlung.
Hollywood war anvisiert, "Lethal Weapon" das von Schweiger ins Auge gefasste Ziel - doch trotz unzähliger Feuergefechte und eines beachtlichen Bodycounts war diese "Tatort"-Episode unwitzig, unspannend und auch die Action-Elemente sind für einen Tatort auch nicht so neu: bereits das Kölner Debut "Willkommen in Köln" überzeugte mit Action, ganz zu Schweigen von "Melinda", der eine nicht enden wollende, actionreiche Verfolgungsjagd in den Vordergrund der Handlung gestellt hatte.
Und so sensationell waren die Actionelemente in Schweiger erstem Einsatz nun auch wieder nicht - das einzig neue war lediglich der hohe Actionanteil, aber Schießereien und Fights gibt es woanders auch - und zwar viel besser. Und mehr als deutliche CGI-Shootouts machen den Coolness-Faktor vollends zu nichte, geben diesen "Tatort" der Lächerlichkeit preis.
Ich behaupte ja nicht, dass Schweigers "Tatort" kein Potential hatte. Ganz im Gegenteil: er verschenkt nur leider die vielen guten Ansätze und Ideen. Die Großstadt-Kulisse der Hansestadt Hamburg kommt nur in wenigen Szenen voll zur Geltung. Da boten die "Tatorte" der Swinging Cops Manfred Krug und Charles Brauer mehr Lokalkolorit.
Vor allem war die hauchdünne und undurchsichtige Krimihandlung eh nur ein effekthascherisches Mittel zum Zweck: Menschenhändler, Zwangsprostitution und das Milieu wurden leider nur am Rande erwähnt. Schmieriges Kiez-Flair sucht man hier vergeblich, die "Krimi"-Handlung plätschert geschwätzig und nuschelnd vor sich hin.
Als eigenständiger Film wäre "Willkommen in Hamburg" allenfalls Durchschnitt, als Beitrag zum "Tatort" ist dieser Einsatz jedoch ein Flop. Schweigers minimalistisches Schauspiel, mit dem er jeden Steven Seagal-Imitations-Wettbewerb mit Leichtigkeit gewinnen würde, trifft auf abgedroschene Klischeecharaktere und Dialoge aus Schweigers Film-Repertoire und plagiiert sich schonungslos durch Hollywood-Vorbilder. Inszenatorsch einwandfrei - ist der Rest einfach nur ideenlos und peinlich. Bei aller Selbstironie und Action - weniger wäre mehr gewesen.
Was ein realistischer, spannender und packender Hamburger Kiez-Krimi mit Ecken und Kanten ist - das beweist jedes Jahr aufs neue die preisgekrönte ZDF-Reihe "Nachtschicht".
Schweigers "Tatort" hätte das Zeug dazu, zerbricht aber an der Selbstinszenierung seines divenhaften Hauptdarstellers und der actionorientieren Inszenierung, die wahre Krimi- und Thriller-Momente sträflich außer Acht lässt.
3/10