Ein kleiner, feiner Film aus dem frühen Schaffen von David Conenberg ist der kanadische Thriller "Rabid", der die Zombie-Thematik aufgreift, gut 1 Jahr bevor Romeros Meisterwerk "Dawn of the dead" die Untoten einer breite(re)n Öffentlichkeit nahebrachte.
Die Story: Während in einer Klinik gerade Murray Cypher den Klinikleiter Dr. Keloid von den lukrativen Möglichkeiten eines Vertriebs für plastische Transplantate zu überzeugen versucht, ereignet sich in der Nachbarschaft ein Motorradunfall. Dr. Keloid leistet erste Hilfe; seiner Ansicht nach ist das Opfer, die junge Rose, jedoch zu schwer verletzt um sie ins Stadtkrankenhaus zu überführen; sie muß sofort in seiner Klink operiert werden. Hierzu verwendet er, trotz des Einspruchs seiner Frau, nicht näher spezifiziertes "neutralisiertes Gewebe". Die Operation gelingt und 1 Monat später sind die Heilungsfortschritte bei Rose schon so groß daß ihr Freund Heart, der beim Unfall nur leichte Blessuren davongetragen hatte, sie besuchen darf. Soweit, so gut.
Die Operation ist zwar gelungen, aber sie hat Rose verändert: Sie hat nur noch Hunger auf Blut. Aus diesem Blutdurst heraus entwickeln sich die ganzen folgende Ereignisse. Cronenberg begründet in seinem Film den Heißhunger auf Blut mit einer Haut-Transplantation, die ungeahnte Folgen zeitigt - näher wird darauf dann nicht mehr eingegangen. Das ist zwar eine nicht sehr überzeugende, aber immerhin doch eine Begründung. Viele der nachfolgenden Streifen zur Zombie-Thematik hatten gar keine Begründung...
Der Film baut das Szenario der um sich greifenden Blutsauger-Seuche dann konsequent auf und enthält nur minimale logische Schwächen - die Darsteller verhalten sich realistisch und der Zuseher kann sich mit ihnen identifizieren.
Die Hauptrolle spielt Marilyn Chambers, die relativ ambivalent agiert: einerseits ist sie die Auslöserin der Seuche, da die von ihr Angefallenen ihre Attacken zwar überleben aber vom Bluthunger infiziert sind und diesen dann durch Zubeißen weiterverbreiten; andererseits ist sie sich dieser Tragik bewußt und versucht sie soweit es geht zu steuern: Ihre beste Freundin, bei der sie ein paar Tage wohnt, bleibt vorerst verschont - stattdessen geht sie in ein Pornokino, wo sie sich ansprechen lässt und den erstbesten Mann aussaugt. Später im Film sieht sie ihren Freund Heart bewußtlos am Fuße einer Treppe liegen, über die er infolge ihres - übrigens einzigen - Tobsuchtsanfalls gestolpert ist - sie legt schon seinen Hals frei, dann überlegt sie es sich aber doch noch einmal anders und saugt ihn nicht aus... Chambers, eine damals bekannte Pornodarstellerin (bis auf ein paar kurze Szenen in denen sie barbusig herumläuft erinnert nichts daran) spielt ihre Rolle zurückhaltend, fast schon spröde.
Der Suspense dieses Films besteht nun darin, daß Cronenberg den Zuseher zwar dank direkter Kameraführung und der passenden Begleitmusik immer genau zusehen läßt, wenn etwas passiert und was passiert, ihm aber verschweigt, wie es passiert. Ein Arzt wird durch eine Umarmung ausgesaugt, das nächste Opfer ist eine Kuh (!), gleich darauf der alkoholisierte Besitzer der Kuh und so geht es weiter. Es dauert eine gute halbe Stunde, ehe man Roses "Killerorgan" zu sehen bekommt: Ein phallusartiger Fortsatz, der aus einer afterfömigen Hautspalte herauswächst, an der Spitze eine Art Dorn trägt, mit dem dann gestochen und gesaugt wird - das Ganze unter der linken Achselhöhle. Auf so eine Idee muß man erst einmal kommen!
Nachdem das wie bekannt ist, widmet sich der Film den Auffälligkeiten der Infizierten: Völlig normale Leute bekommen plötzlich Ringe unter den Augen und Schaum vor dem Mund, und beißen den nächstbesten in ihrer Umgebung. Die Gebissenen sterben nicht sondern entwickeln selbst Bluthunger. In kurzen, amtsärztlich gehaltenen TV-Ansagen oder Gesprächen wird der jeweilige Stand der Dinge verkündet: Es gibt mittlerweile eine Spritze gegen den Bluthunger, die vor Infizierung schützt, aber nicht vor dem Gebissen-werden. Schließlich sieht sich die Regierung gezwungen, die vielen Infizierten durch Militär abschießen und in Müllwagen einsammeln zu lassen. Die ebenso einfache wie wirkungsvolle filmische Darstellung dieser Entwicklung sieht dann so aus, daß ein Jeep eine Kreuzung blockiert, um ein halbes Dutzend weißer Müllwagen passieren zu lassen, auf deren Dach ein bewaffneter Soldat sitzt, während hinten ein "Müllmann" in weißem Schutzanzug steht. Geradezu unspektakulär, die Umsetzung dieser Endzeit-Vision. Genauso wie die wenigen blutigen Szenen, die handwerklich solide gemacht sind und die Handlung dezent unterstützen. Hierzu trägt auch die Kameraführung bei, die weitgehend auf Großaufnahmen verzichtet und nicht länger als nötig splatterige Passagen beleuchtet.
Darüberhinaus weiß der Film weiß mit vielen kleinen Details zu überzeugen: Murray Cypher füttert sein Baby, während er ihm das Kinderprogramm zeigt: "Kartoffelmann" ist verliebt in "Tomatenfräulein". Oder der Polizist, der im Einkaufszentrum einen wildgewordenen Blutsauger erschießt: Er ballert nicht gleich los, sondern entsichert erst seine MP. Die dezente aber wirkungsvolle Filmmusik schafft neben den stimmungsvollen Bildern der verregneten kanadischen Landschaft und den dunklen und deprimierenden Wohnblocks Montreals mit zunehmender Laufzeit des Films eine der Story entsprechende düstere Atmosphäre. Typische Elemente der 70er Jahre dürfen hier auch nicht fehlen: die Blumentapeten, Roses´ Fönfrisur oder Hearts´ Plastikhose (um nur einige zu nennen) geben dem Film zusätzlich noch einen Retro-touch.
Daß der Film zu Ende ist merkt man erst, als in der Szene bei voller Geräuschkulisse plötzlich der Abspann heraufscrollt. Die meisten Protagonisten sind zu diesem Zeitpunkt zwar tot (oder gebissen), einen wirklichen Höhepunkt a la Hollywood gibt es jedoch nicht und der Zuseher wird alleingelassen. Wie ging es weiter? fragt man sich. Aber vielleicht war das ja auch die Absicht der Regie: Man soll über das Filmende hinaus noch etwas nachdenken... 8/10 Punkten.