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Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist der am 24. Juli 1962 in Columbus, Ohio, geborene Regisseur/Drehbuchautor/Cutter/Komponist/Produzent/Kameramann/Schauspieler Jay Woelfel bereits im Filmgeschäft tätig. Im Low-Budget-Filmgeschäft, um genau zu sein, sind seine überwiegend dem Horrorgenre zuzuordnenden Filme doch ausnahmslos preisgünstig hergestellte Independent-Produktionen wie Things (1993), Trancers 6 (2002), Ghost Lake (2004), oder Live Evil (2009). Sein bis dato letzter Streich (das aktuelle Projekt Season of Darkness befindet sich, während ich diese Zeilen schreibe, in Post-Produktion) heißt Closed for the Season und spielt fast zur Gänze in einem heruntergekommenen Vergnügungspark.

Der Chippewa Lake Park in Ohio hatte seine Pforten für einhundert Jahre, von 1878 bis 1978, geöffnet. Seit seiner Schließung Ende der Siebziger lag der ehemals beliebte Rummelplatz nun da und wartete auf sein Ende, setzte Staub, Rost und Termiten an, führte einen aussichtslosen Kampf gegen die das Gelände zurückerobernde Flora und krächzte verzweifelt nach ein klein wenig Aufmerksamkeit. Jay Woelfel hat den Ruf vernommen, nahm sich des stillgelegten Parks an und führte ihn - zum letzten Mal - zurück ins Rampenlicht. Der nun nicht mehr existierende Chippewa Lake Park ist der unumstrittene Star der Show und die vielleicht größte Stärke des Filmes.

Die speziell auf den Schauplatz zugeschnittene Geschichte - laut dem Regisseur ein "Twilight Zone-y, supernatural thing" - ist denkbar simpel. Die blonde Mittdreißigerin Kristy (Aimee Brooks aus Critters 3 und Monster Man) findet sich des Nachts in einem alten, verwahrlosten und menschenleeren Vergnügungspark wieder, trifft kurz darauf auf James (Damian Maffei, Ghost Lake), den Sohn der Verwalter, und zusammen beginnen sie, das umfangreiche Gelände zu erkunden, auf der Suche nach einem Ausgang. Doch der unheimliche Park ist vollgestopft mit Erinnerungen und Geschichten ("The stories are the only truth"), die vor den Augen des staunenden Duos zu gespenstischem, bedrohlichem Leben erwachen. Es scheint, als wolle der Rummel, in Gestalt eines undurchsichtigen, clownesken Schaustellers (Joe Unger aus Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III), daß die beiden Besucher seine ehemaligen Attraktionen - wie den Coaster, das Funhouse, oder das Ferris Wheel - ein letztes Mal benutzen. Doch wird er danach endlich in Frieden ruhen?

Jay Woelfel entfaltet von Beginn weg ein faszinierendes, leider jedoch arg lang geratenes Alptraumszenario, durchsetzt mit einem angenehmen Hauch Nostalgie und einer großzügigen Prise Melancholie. Closed for the Season ist wie eine nicht enden wollende Geisterbahnfahrt, eine lange, konfuse Alptraumkette, aus der es kein Erwachen gibt. Kaum glaubt man, den Krallen des einen Nachtmahrs endlich entronnen zu sein, findet man sich prompt in den Fängen des Nächsten wieder. Die Idee, daß ein bestimmter Ort, der viel erlebt hat, ein eigenes Bewußtsein entwickelt, ist gewiß nicht neu, wird hier aber mit viel Herz, Charme und einer ordentlichen Portion Wehmut umgesetzt. Alles ist vergänglich, und was bleibt, sind Erinnerungen. Bis auch die irgendwann verlöschen.

Der Look des Streifens ist budgetbedingt sehr billig, was besonders zu Beginn - in Kombination mit einigen haarsträubend miesen CGI-Shots - äußerst unangenehm auffällt. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran, und die billige, etwas sterile Optik fällt schlußendlich weit weniger ins Gewicht, als man anfangs befürchtete. Die Charaktere sind sympathisch, die Musikuntermalung ist passend, und an einer handvoll netter Gore-Effekte kann man sich ebenfalls erfreuen.

Wenn ein Film die ausgelatschten (und ausgelutschten) Genrepfade mutig verläßt und dabei die altbekannten Klischees mehr oder minder geschickt umschifft, dann hat er bei mir schon mal einen Stein im Brett. Closed for the Season macht genau das, ist ambitioniert, recht originell, und überaus sympathisch. Des Weiteren überzeugt der 2008 gedrehte Film mit einer sonderbar-traumhaften Atmosphäre und einem berührenden Schuß Melancholie. Das ist schon ziemlich viel für ein kleines Low-Budget-Projekt wie dieses (die Internet Movie Database beziffert das Budget mit $250,000). Daß nicht alles funktioniert und daß der Film mit seinen 110 Minuten zu lang ist, verzeiht man ihm dann gerne.

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