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Was tun, wenn der Samstagnachmittag total verregnet ist, die Leute auf der Strasse diesen typisch deutschen Schlechtwetter - Gesichtsausdruck haben und einem der Regen in den Nacken tropft? Das beste Rezept dafür: Ins Kino gehen und Bella Martha anschauen.
Dieser Film ist so liebevoll und gleichzeitig mit einem zwinkernden Auge erzählt, dass einem sofort das Herz aufgeht.
Bella Martha ist keine Geschichte, es sind mehrere auf einmal.
Sie erzählen:
- von der erfolgreichen Köchin, die ihre Küche total unter Kontrolle hat, auch wenn es immer etwas hektisch zugeht.
- von der Frau, deren ihr selbst vorgespieltes Selbstbewusstsein in den Keller rutscht, wenn ein Gast mit ihrem Essen nicht zufrieden ist.
- von Martha, die schwankend und wackelig durchs Leben tapst, weil sie ihr Privat- und Liebesleben nicht kontrollieren kann.
-von der Tante, die ihre todtraurige Nichte zu sich nimmt, weil die Mutter gestorben ist, und keinen Zugang zu ihr findet.
Martha ist eine Perfektionistin, der alles ausserhalb ihrer Arbeit, einer Küche in einem renommierten Restaurant, aus den Fingern gleitet. Sie hat für jedes Gericht ihr ausgefeiltes, perfektes Rezept, nur für das Leben selbst fehlt ihr ein solches.
Ihrem Therapeuten erzählt sie, dass sie gar nicht wüsste, was sie in der Therapie solle, sie müsse diese nur machen, weil ihre Chefin ihr gesagt hat, dass sie andernfalls arbeitslos würde.
Eine Verabredung mit dem neuen Nachbarn kommt nie zustande, weil immer einer der beiden keine Zeit zu haben scheint, wenn sie sich mal verabreden möchten.
Martha findet keinen Zugang zu ihrer Nichte Lina, die nach dem Tod ihrer Schwester vorübergehend bei ihr einzieht, da der Vater von Lina sich irgendwo in Italien aufhält. Martha verspricht, ihn zu suchen, und es wird ihr später auch gelingen.
Die zarten Annäherungsversuche, die Tante und Nichte unternehmen, um sich ihre gemeinsame Zeit so angenehm wie möglich zu machen, sind herrlich dargestellt. Martha möchte erfahren, was Lina über ihren Vater, der die junge Mutter verlassen hatte, bevor er wusste, dass sie schwanger war, weiss und fragt sie, wie er hiesse. „Giuseppe“, antwortet Lina, traurig, in die Bettdecke eingekuschelt. Ob sie auch den Nachnamen wüsste? „Aus Italien“, ist die Antwort aus einem Kindermund, und die Kinderaugen schauen todtraurig.
Zusätzlich zu dem Stress mit Lina, die immer verschläft, weil sie abends in Marthas Küche sitzt und ihr und ihren Mitabeitern beim kochen zuguckt, kommt hinzu, dass Marthas Chefin einen weiteren Koch engagiert hat, um Martha in ihrer schwierigen Lage zu entlasten. Martha reagiert höchst eifersüchtig, mutmaßt, dass Mario, ein lebensfroher Italiener, ihr die Küche wegnehmen will. Als sie unverhofft das Restaurant besucht, bietet sich ihr folgende Situation:
In der Küche steht ein nicht unattraktiver Mann in den Vierzigern, laute, fröhliche Musik erfüllt den Raum, und alle Mitarbeiter wippen leicht im Takt während ihrer Arbeit. Ein völlig anderes Bild also, als wenn Martha in der Küche stehen würde. Dann würde es zwar nicht unfreundlich, aber hektisch zugehen, jeder wäre auf sich selbst konzentriert und in seine momentane Aufgabe vertieft. Sie kommt mit der Lockerheit, die ihr neuer Kollege verbreitet, nicht klar; für sie ist kochen Konzentration, Ernsthaftigkeit und Lebensaufgabe; das Einzige, was sie wirklich gut beherrscht. Doch Martha wird im Laufe des Films noch dahinterkommen, dass es auch anders geht.
Der gesamte Film ist ein Lernprozess. Martha lernt, mit Lina klarzukommen, sich langsam, trotz einiger Rückschläge, mit ihr anzufreunden. Sie lernt, dass es im Leben auch noch andere, eventuell sogar wichtigere Dinge gibt, als perfekt kochen zu können. Sie lernt, ihren Mund aufzumachen, und nicht, wie anfänglich, wie ein beleidigtes Kind zu reagieren.
Sie lernt zu lieben, zu leben, zu lachen.
Bei all diesen Dingen ist Mario ihr Lehrer, der es schafft, sich in ihr Herz zu kochen und zu singen, sie mit seiner "gioia di vivere" zu verzaubern.
Dies ist ein sehr sinnlicher Film mit einer herausragenden Martina Gedeck, weiteren phantastischen Schauspielern, fabelhafter Musik und wunderschön dargestellten Köstlichkeiten. Ein Film, der einem das Wasser in Munde zusammenlaufen lässt, die Tränen in die Augen treibt, zu unverhofftem Lachen aus vollem Halse anregt und das Herz und die Seele erweicht.
Nach diesem Genuss ist es einem dann auch egal, im Regen nach Hause stapfen zu müssen. Nur eines sollte man beachten: wenn man nach dem Kino Hunger hat (und den hat man garantiert), sollte man es unbedingt vermeiden, selbst zu kochen.Besser ist es, in ein feines Restaurant zu gehen und all die feinen Sachen zu bestellen, die Martha so vorzüglich gekocht hat.