Diese extrem kontroverse Dokumentation portraitiert die Neonazi-Szene zu Anfang der 90er extrem genau. Nie zuvor hat man derart offene und unverkrampfte Einblicke in die Hintergründe neofaschistischer Organisationen bekommen. Besonders auffällig ist die komplett wertfreie Darstellung die einen ungewohnt distanzierten Blickwinkel einnimmt.
Auch besonders provokative Szenen und Aussagen bleiben zumeist unkommentiert und unhinterfragt.
Natürlich ist alles mittlerweile veraltet, insbesondere die Möglichkeiten mit Computern zu arbeiten und zu kommunizieren. Gerade dies wirkt aber nach heutiger Betrachtung am heftigsten, da man sich problemlos vorstellen kann wie gut die hier vorgestellten Gruppen neue Entwicklungen für sich zu nutzen wissen. Zeitgenössisch ist man hier auf dem neuesten Stand, warum sollte das also heute anders sein?
Im Prinzip werden nur zwei Personen näher beleuchtet, und zwar der Altnazi Ernst Zündel (bereits seit Jahrzehnten Aktivist und eine Ikone in der Szene) und der junge, aber umso radikalere Bela Ewald Althans. Dieser bezeichnet sich selbst als „Orthodoxen Nationalsozialisten“ – das heißt nach eigener Aussage, sich ans geschichtliche Vorbild zu halten und die rassistische und antisemitische Politik so radikal wie möglich zu betreiben.
Allerdings meidet Althans geschickt verfassungsfeindliche Aussagen und ruft niemals direkt zu Gewalt gegen Zivilisten auf. Überhaupt ist Althans rhetorisch extrem versiert und auch überdurchschnittlich intelligent. Während Zündel mit seiner offenen Art noch fast sympathisch rüber kommt, sieht man dem viel jüngerem Althans den hasserfüllten Machtmenschen sofort an. Daraus macht der Mann auch keinen Hehl, nimmt kein Blatt vor den Mund und scheut sich nicht mal in Auschwitz zynische Kommentare abzugeben und die Existenz des Holocaust zu bestreiten.
Dennoch bietet der Film nicht bloß eine simple Plattform für die Verbreitung des Gedankengutes der Portraitierten. Die Hoffnung das die paradoxen Aspekte in der Ideologie sich von alleine entlarven geht allerdings auch nicht völlig auf: Letztlich bleibt ein unverkrampftes und neutrales Bild eines schweren und sensiblen Themas, stellenweise hätten die Ausführungen aber kompletter sein müssen. Nur indem man nicht vollständig die Aussagen der Betreffenden zeigt schafft man es die eiskalte Rhetorik von Althans als lückenhaft darzustellen.
Filmisch gesehen ist diese Dokumentation überhaupt nichts Besonderes: Eintönige Kameraeinstellungen, teilweise plumpe Schnitte und nichts sagende, verwackelte Bilder aus der jeweiligen Umgebung dominieren das Bild. Zum Glück besteht der Film fast nur aus Erzählungen und Kommentaren, sodass die Technik zum Glück absolut keine Rolle spielt.
Die Dokumentation wurde quasi sofort nach der Veröffentlichung als sehr bedenklich eingestuft und vom Markt genommen. Diese Entscheidung ist zwar ansatzweise nachvollziehbar, denn dieses Portrait fordert auf jeden Fall eine eigene Reflexion des gesehenen. Das dazu nicht jeder Zuschauer in der Lage ist sollte klar sein, für ein kritisches Publikum ist „Beruf Neonazi“ allerdings eine echte Bereicherung: Informativ, provokant und immer noch hoch aktuell.
07 / 10
Fazit: Ein wichtiges Portrait, das von einem scheinbar abgedroschenem Thema ganz neue Aspekte zeigt und viele wissenswerte Informationen enthält. Darüber hinaus habe ich mich nicht eine Minute gelangweilt sondern hätte gerne noch mehr gesehen, fast jede Szene ist mir deutlich in Erinnerung geblieben. Und dies ist, meiner Meinung nach, das wichtigste an einer solchen Dokumentation.