Review

Bereits am Ende des Vorgängers war ein Sequel namens „S-VHS“ angekündigt worden, unter diesem Namen erschien es dann in Deutschland und einigen anderen Ländern, während sich die Macher im Original dann doch für den eher konventionellen Titel „V/H/S 2“ entschieden.
Außerdem scheinen die Verantwortlichen auf einige Kritiker am Vorgänger – zu lang, zu viele Geschichten – gehört zu haben: „S-VHS“ geht mit rund 95 Minuten ins Ziel und hat innerhalb der Rahmenhandlung nur noch vier einzelne Storys. Auch vermeintliche „Authentizität“ durch das Nachahmen qualitativ teilweise erbärmlicher Homevideos wird im Sequel (mit einer Ausnahme) dankbarerweise zurückgefahren, wenngleich es innerhalb der Handlung wenig sinnig wirkt, dass das Material aus teilweise hochmodernen Kameras auf das Uralt-Medium der VHS ausgespielt wird. Ein Hauptproblem des Found-Footage-Films und vor allem der Found-Footage-Anthologie hat „S-VHS“ dagegen immer noch: Man kann fast Anfang an davon ausgehen, dass fast alle Hauptfiguren Toast sind (ansonsten hätte das Material schwerlich gefunden werden müssen), sodass man weniger mitfiebert, und das Kurzgeschichtenformat hilft dann auch nicht sonderlich dabei Charaktere zu schaffen, an die man sich geistig bindet. Ansonsten gibt es fünf Storys (inklusive Rahmenhandlung) von profilierten Genrefilmern.

„Tape 49“ (Rahmenhandlung)

Das private und berufliche Privatdetektiv-Paar aus Larry (Lawrence Michael Levine) und Ayesha (Kelsy Abbott) soll den verschwundenen Sohn ihrer Klientin aufspüren. In dessen Haus finden sie haufenweise Videobänder, die sich vor allem Ayesha ansieht. Weil die beiden gerade vom genreüblichen Überwachungsjob zum Überführen eines Fremdgängers kommen, haben sie selbst noch jede Menge Kamera-Equipment dabei, das mitläuft. Die von Adam Wingards Drehbuchkumpel Simon Barrett („You’re Next“, „The Guest”) verantwortete Rahmenhandlung ist kaum mehr als Füllmaterial, zeigt die quasi eigenschaftslosen Privatschnüffler beim Haus-Durchsuchen und Tapes-Gucken, ehe am Ende dann das Erwartete passiert. Letzteres ist immerhin einigermaßen effektiv inszeniert, aber sonst ist dieser Part reichlich zweckmäßig.

„Phase I Clinical Trials“

Die erste richtige Geschichte wird von Adam Wingard verantwortet, der schon beim Vorgänger mitinszenierte und Protagonist Herman auch gleich selbst spielt, wenn jener mal in einen Spiegel guckt. Der inszenatorische Kniff hier ist nämlich der, dass die ganze Episode durch ein Augenimplantat Hermans aufgenommen wird, das dieser bekommt, um auf einem blinden Auge wieder sehen zu können. Die verantwortliche Firma zeichnet das zu Testzwecken auf, doch bald sieht Herman durch den Apparat geisterhafte Erscheinungen.
Es ist die alte Mär von der plötzlichen Geistersichtung, im Horrorgenre manchmal durch biologische Gründe (z.B. „The Eye“), manchmal durch Nahtoderfahrungen (z.B. „The Frighteners“) erklärt wird, hier ausnahmsweise mal durch Technologie. Die POV-Perspektive ist nett, ansonsten gibt es einige Jump Scares und einen zweckmäßigen Plot, der bei etwas Nachdenken seine Glaubwürdigkeit strapaziert. Da kommt ein adrettes Punk-Girl und warnt den Protagonisten, dass er nicht auf die Geister achten soll, dass diese aber immer noch da sind, wenn er das Auge rausnehmen würde. Aber wäre das nicht die ultimative Nicht-Beachtung? Außerdem scheint der Plan nur so halb aufzugehen, da sie kurz nach ihrem Treffen mit Herman plötzlich gar nicht mehr souverän mit Geistern umgehen kann. So bleibt „Phase I Clinical Trials“ ein okayer, aber etwas verhaltener Auftakt.

„A Ride in the Park“

Die zweite Geschichte wird von dem Regie-Duo Eduardo Sánchez und Gregg Hale verantwortet, die als Co-Regisseur (Sánchez) und Produzent (Hale) von „Blair Witch Project“ das Found-Footage-Genre entscheidend mitgeprägt haben, womit sich der Kreis schließt. In einem Punkt unterscheidet sich der Film vom üblichen Found-Footage-Schema: Protagonist Mike (Jay Saunders) geht hier quasi schon zu Beginn der Episode drauf, als er beim Fahrradfahren im Park eine Begegnung mit Untoten hat und von einer von diesen gebissen wird. Bald verwandelt er sich selbst in einen Zombie, während die Kamera größtenteils die Perspektive seiner Go-Pro einnimmt, die er am Fahrradhelm trägt.
„A Ride in the Park“ führt quasi den Perspektivwechsel durch, erzählt den Zombiefilm aus der Perspektive des Zombies. Der Persönlichkeitsverlust der Monster wird auch dadurch gespiegelt, dass keine Figuren in den Credits beim Namen genannt wird, sondern nur Biker, Good Samaritan Girl, Good Samaritan Guy usw., obwohl einige von ihnen Namen haben. Inhaltlich mag der Untotenangriff auf verschiedene Leute im Park nicht so viel hergeben, formal ist das alles aber stark und schafft es sogar einen Empathiemoment herzuzaubern, wenn Mike gegen Ende der Episode an sein früheres Mensch-Sein erinnert wird, mit entsprechenden Konsequenzen.

„Safe Haven“

Für „Safe Haven“ taten sich Gareth Evans und Timo Tjahjanto zusammen, in erster Linie bekannt für extraharte Actionfilme wie „The Raid“ oder „The Night Comes for Us“, aber auch verantwortlich für sehr derbe Horrorware wie „Apostle“ oder „Macabre“. In der längsten und besten Episode von „S-VHS“ geht es um eine Gruppe von Dokumentarfilmern, die ein Interview mit einem Sektenführer in Indonesien anleiert, damit sie auf dessen Gelände mit offener und versteckter Kamera filmen können. Das Setting wirkt bisweilen wie eine Variante des Jim-Jones-Kultes in Guyana und „Safe Haven“ fängt langsam an: Die schlimmsten Taten des Gurus werden im Dialog nur angedeutet, aber das deutlich genug. Das Gelände und die Räumlichkeiten der Sekte wirken ebenso unheimlich wie das Verhalten der oberflächlich freundlichen Kultisten, während es im Filmteam Spannungen hinter den Kulissen gibt.
Es spricht für das inszenatorische Können von Evans und Tjahjanto, dass sich „Safe Haven“ selbst dann wie aus einem Guss anfühlt, als sich der Ton des Films durch ein bestimmtes Event abrupt verändert. Auf einmal wird die Geschichte zu einem richtig gorigen Horrorstück, in dem eine Kehle mit einem Teppichmesser durchgeschnitten wird, ein Kopf via Schrotflinte weggeschossen wird und eine Person einfach explodiert. Doch so derbe und übertrieben das Ganze sein mag, es passt in die Mythologie der Episode, bis hin zum bösen Schlussbild. Zwar kommt die persönliche Geschichte und Charakterentwicklung der Doku-Crew-Figuren mit dem Shift in der Mitte auch zu einem abrupten Abbruch, aber dafür entschädigen dann reichlich Effekte und horrible Bilder.

„Slumber Party Alien Abduction“

Vom Highlight der Anthologie geht es zum Lowlight, das Jason Eisener verantwortete. Drei Kinder haben sturmfreie Bude im Elternhaus am See, die Älteste lädt ihren Freund zwecks Pärchenzeit und Geschlechtsverkehr ein, die beiden Söhne ihre Kumpels zum Rumlungern und Scheiße-Bauen. Dummerweise tauchen Aliens auf, welche die Kiddies entweder entführen oder umbringen, so wie Aliens das halt so machen. Gefilmt wird mit der heimischen Kamera, die man via Gestell auch auf dem Familienhund anbringen kann, was eine ansatzweise logische Erklärung gibt, warum man das Gerät auch im größten Trubel mitläuft.
Der Versuch von Authentizität führt allerdings zu einem Home-Video-Look mit grobkörnigen Artefakten, Wisch-Effekten und Rausche-Sound, der „Slumber Party Alien Abduction“ gepaart mit reichlich Kameragewackel fast unansehbar macht und Erinnerungen an die schlechtesten Episoden des Vorgängers weckt. Doch selbst abgesehen davon ist hier nichts interessant: Die großäugigen Außerirdischen entsprechen dem absoluten Klischeebild, ohne eigenen Touch, die zahlreichen Kiddies und Teens sind hier noch egaler als die Pappkameraden der anderen Episoden, weshalb es dem Publikum auch schnurz ist, was mit ihnen passiert. Ansonsten gibt es viel Gewackel, Gerenne und Gekreische, einen guten Jump Scare und handelsübliche Alien-Abduction-Momente, die man aber von „Akte X“ über „Feuer am Himmel“ bis „Nope“ davor und danach schon besser gesehen hat.

So bleiben am Ende zwei starke Episoden, eine okaye und eine verbockte, zusammen mit einer zweckmäßig-egalen Rahmenhandlung. Gerade Evans und Tjahjanto lassen in Sachen Gore ordentlich die Kuh fliegen, es werden verschiedene Horrorszenarien durchgespielt, wenn auch nicht immer die originellsten. Eine klare Verbesserung zum Vorgänger, wenn auch mit einigen Schwächen wie oft egalen Figuren.

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