Review

Inhalt:
Im Süden Mexikos, in der Provinz Chiapas, befindet sich 40 km von der Stadt San Christobal entfernt eine offene Anstalt. Eines Tages machen der Direktor sowie die restlichen Erzieher und Zöglinge einen Ausflug. Aus disziplinarischen Gründen müssen einige Insassen in der Anstalt bleiben, beaufsichtigt von einem Erzieher. Doch die Insassen nutzen die Gelegenheit zur Revolte und dem zurückgebliebenen Erzieher (Paul Glauer) bleibt nichts anderes übrig als sich mit einem der Aufrührer, Pepe (Gerd Gickel), als Geisel in seinem Büro zu verbarrikadieren. Hilfe kann der Erzieher auch nicht rufen, da die Insassen als erstes den Telefonmast gekappt haben. Der Gedanke an Flucht wird von den Aufständischen aber schnell verworfen, da die Polizei sie ja früher oder später fassen würde.
Unter der Anleitung des Insassen Hombre (Helmut Döhring) nutzen die Insassen ihre Freiheit nun um allerhand anzustellen:
Sie fällen mitten in der Einöde einen Baum, lassen einen Anstaltswagen immer im Kreis fahren, veranstalten eine Essensschlacht und ärgern zwei blindwüchsige Mitinsassen, die sich nicht an der Revolte beteiligt haben... .

Ach ja, alle Personen sind Kleinwüchsige (Zwerge) und Regie führte Werner Herzog.


Meinung:
Dieser 1969 entstandene Film ist garantiert nichts für Zuschauer von Filmen bei denen viel passiert. Natürlich gibt es auch in diesem Film eine Handlung, doch es handelt sich hierbei um keine Action mit Verfolgungsfahrten etc.. Vielmehr werden einzelne Handlungssequenzen aneinandergereiht in denen die Zwerge mit der Zeit die Sau rauslassen.
Laut Drehbuch besteht die Absicht des Films darin das Entsetzliche vertraut und das Vertraute entsetzlich erscheinen zu lassen.

Alle Darsteller sind, wie schon erwähnt, Zwerge.
Sie repräsentieren aber die normalen (großwüchsigen) Menschen. Die im Film gezeigten Gegenstände (Motorrad, Bett, Auto, Türen etc.) entsprechen dem Nutzen großwüchsiger Menschen, werden aber von Zwergen genutzt, was beiderseits (Ungebung / Zwerge) Entfremdung herbeiführt.
Auch gibt es hier keinen großen Ausbruchsplan.
Die Zwerge begnügen sich damit den Erzieher zu beschimpfen und inner- und außerhalb des Anstaltsgebäudes Chaos anzurichten.

Ihre Aktionen steigern sich dabei von Chaos zu blanker Zerstörungslust / Anarchie. Gegen Ende des Films zünden sie Gartentöpfe an, zerschmettern Teller und eine Schreibmaschine und veranstalten eine Prozession mit einem selbstgebastelten Kreuz (an dass sie einen lebendigen Affen gebunden haben). Auch ihr Verhalten gegenüber den zwei blinden Mitinassen ändert sich während des Films: Die blinden Insassen beteiligen sich nicht an den Ausschreitungen machen aber auch nichts dagegen. Sie bereiten Essen und spielen Kegeln.
Doch die anderen Insassen lassen sie nicht, spielen den beiden Streiche, vergreifen sich dann auch tätlich an einem der Blinden.

Zur Figur des Erziehers:
Verzweifelt versucht er die Ordnung wiederherzustellen erntet aber nur Hohn und Spott, verfügt über kaum noch Autorität.
Selbst sein Gefangener, Pepe, nimmt ihn nicht ernst.
Schließlich fragt er sogar, den an eine Stuhl gefesselten, Pepe um Rat: Was würde er den in so einer Situation machen ?
Als sich der Erzieher dann doch aus seinem Büro heraustraut und man nun denkt er würde sich den Insassen stellen kommt es doch anders: Er rennt in die Einöde vor der Anstalt und behandelt einen dort stehenden, vertrockneten Baum wie eine Person: Er ruft den Baum zur Ordnung, da dieser ja mit seinem ausgestreckten Arm (einem Ast) auf ihn zeigen würde.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder der Erzieher hat den Verstand verloren oder er hat Angst die Konfrontation mit den Insassen zu suchen und versucht auf groteske Weise so seine Autorität zu bewahren.


Was will Herzog mit diesem Film sagen ?

Da die Zwerge im Film vertretbar für alle Menschen stehen bietet sich folgende Theorie an:
Die Insassen nutzen ihre Freiheit nicht zur Flucht (da diese ja eh nur von kurzer Dauer wäre). Also vertreiben sie sich die Zeit mit immer krasseren Aktionen und vergreifen sich an den schwächsten Mitgliedern der Gruppe (die zwei Blinden), die an den Ausschreitungen nicht interessiert sind und sich neutral verhalten. Die Insassen wissen also kaum etwas mit der gewonnen Freiheit anzufangen und steigern ihre Aktionen immer stärker bis sie von der Polizei verhaftet werden. So gesehen kann dieses Verhalten auf gesellschaftliche Geschehnisse übertragen werden:
Manchmal wissen Menschen nichts mit Freiheit anzufangen nutzen diese aber um einfach die Sau rauszulassen oder um in manchen Fällen ihre dunklen Triebe auszuleben worunter Schwächere dann zu leiden haben

In den ersten Minuten des Films sind die Insassen alle auf einer Polizeistation und vom Anführer Hombre werden Fotos gemacht.
Die Polizisten sind nie zu sehen, nur einer von Ihnen spricht und ist anhand der Stimme auch als Zwerg zu indentifizieren.
Der Rest des Films ist dann auch eine Rückschau. Den Ausbruch der Revolte, Pepes Gefangennahme und die Verhaftung der Zwerge kriegt der Zuschauer nicht zu sehen. Dies findet außerhalb des Films statt.

Auch Musik gibt es kaum.
Der größte Teil der Handlung ist ohne Soundtrack nur manchmal wird ein (von einem Zwerg gesungenes ?) Lied gespielt.


Fazit:
Auch Zwerge... ist einer dieser Filme auf die sich der Zuschauer einlassen muss. Den Mainstreamgeschmack bedient er (mit seiner Handlung und den Geschehnissen) kaum. Fans von Werner Herzog und Freunden ungewöhnlicher Filme sei dieses Werk empfohlen. Schon allein Helmut Döhring ist es wert den Film mindestens einmal gesehen zu haben.
Sein meckerndes Lachen und sein "Feste ! Feste !" mit dem er seine Mitinsassen weiter aufstachelt ist erst eine Andeutung später tatsächlich Anarchismus.

Einziger Kritikpunkt:
Mit 92 Minuten ist der Film etwas zu lang.
10-15 Minuten weniger wären vielleicht besser gewesen.

(7/10)

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