Selten, dass ein Film außerhalb des Trash-Bereichs mit derart ausgeprägten Defiziten daherkommt, wie sie eigentlich fast nur in eben jenem Genre typisch, ja stilbildend sind. So kann man sich die Hauptfiguren des (quasi-)Dreipersonenstücks "Annie's Garden" kaum als Nebenrollen in irgendeiner auch nur halbwegs anspruchsvollen Inszenierung vorstellen, weil diese ungefähr so viel Tiefe wie Abziehbilder haben. Und was sich hier wie eine Inhaltsangabe liest, ist vielmehr bereits eine Zusammenfassung des ganzen Elends.
Brüderchen Luke und Schwesterchen Annie leben in trauter Zweisamkeit, bis eine Schriftstellerin auf der Durchreise die Idylle mächtig durcheinander bringt.
OK, "Annie's Garden" ist rein formal betrachtet wohl ein Drama. Der Streifen wirft aber die Frage auf, inwiefern diese Kategorisierung überhaupt Sinn hat, da der Handlung keine wirklich strukturierte Story zugrunde liegt. So bietet "Annie's Garden" wohlwollend betrachtet sage und schreibe zwei Wendepunkte, die zu erwähnen noch nicht einmal Spoilerwirkung entfaltet. Erstens, weil die erste "Enthüllung" - im Film nach immerhin fast einer Stunde Laufzeit - in Form des deutschen Titels bereits in großen Buchstaben auf dem DVD-Cover steht und zweitens, weil ebendort in der Inhaltsangabe auch schon eine Anspielung auf ominöse sektiererische Praktiken der Gemeindemitglieder enthalten ist. Dieser Umstand ist - wie fast alles andere was im im Film passiert - für die restliche Handlung zwar nahezu irrelevant, sollte aber scheins in Verbindung mit dem bisweilen pseudo-religiösem Geschwätz des Protagonisten auch noch eine Prise Mystery-Feeling beisteuern.
Stattdessen erwartet den Zuschauer ein Bilderbuch an Klischees und ein Sack voller Platitüden. Fast ist man geneigt zu glauben, dass die Banalität der Darstellung gewollt war, angesichts von schwurbeligen Dialogzeilen, welche die Beliebigkeit des Gesagten eher bloßstellen als kaschieren ("Jeder Mensch hat ein Geheimnis, es macht uns zu dem, was wir sind..." Au weia.).
Aber gerade ein Dreipersonenstück böte unter den Voraussetzungen die die Figurenkonstellation von "Annies Garden" mitbringt eigentlich genug Potential für eine dramatische Zuspitzung der Verhältnisse, etwa im Hinblick auf überraschende Wendungen und einen fesselnden Klimax. Bestes Beispiel hierfür ist wohl "Das Mädchen am Ende der Straße" von Nicolas Gessner. Aber weder die unvermeidlichen Spannungen einer Dreierbeziehung, geschweige denn das inzestuöse Verhältnis zwischen Bruder und Schwester wird auch nur ansatzweise problematisiert. Trotz des Titels also auch kaum eine Vergleichsmöglichkeit mit Andrew Birkins "Der Zementgarten" von 1993.
Bleibt noch der Aspekt einer (darstellungsbedingt meist unterschwelligen) erotischen Komponente. Auf explizite Darstellungen wird (trotz einer FSK16, die wohl eher dem Tabuthema Inzest an sich geschuldet ist) in einigen wenigen, leider nur leidlich sinnlichen Liebesszenen, verzichtet. Ein gewisses Maß an natürlicher Erotik geht dennoch von den attraktiven Darstellern aus: Charlotte Chatton überzeugt als naive Unschuld, Yancy Butler würde wohl auch in einem Kartoffelsack noch umwerfend gut aussehen und Keith Coulouris überrascht mit einer gewissen Freizügigkeit, wenn er völlig nackt den Boxsack bearbeitet und dabei, ähem, nicht nur die Fäuste fliegen.
Unterm Strich ist "Annie's Garden" jedoch in fast allen Belangen schlichtweg zu beliebig geraten, eigentlich unfassbar, angesichts des Themas Inzest, welches der ganzen Geschichte zugrunde liegt. Da beliebig jedoch nicht synonym mit durchschnittlich ist, kommt auch keine mittelmäßige Bewertung in Frage. "Annie's Garden" ist einer dieser Filme, an denen man möglicherweise zwar hängenbleibt wenn man zufällig reinzappt, um sich am Ende jedoch sehr wahrscheinlich nur über die dabei verschwendete Zeit zu ärgern.